Essen. In Essen steht das Inventar der insolventen Air Berlin zur Versteigerung. Nostalgiker bieten für Schokoherzen und Co. Tausende Euro.

Die endgültige Parkposition in Essen war so nie vorgesehen. „Alicante – Madrid – Moskau“ steht als Flugreklame auf einem Smart mit Air-Berlin-Logo. Tatsächlich kommt er aus Berlin-Tegel. Nun parkt er vor einer Lagerhalle im Gewerbegebiet und gibt in lastwagenumtoster Umgebung den rot-weißen Blickfang ab.

Denn die insolvente Air Berlin ist bei dem Industrie-Auktionshaus Dechow gelandet und das stellt in Essen aus, was es aus den Beständen der Fluglinie im Internet versteigert. „Welcome on board“ steht auf dem Aufsteller am Eingang der Halle, doch ungewöhnlicherweise geht es zunächst noch vorbei an diversen anderen Havariewaren, antiken Möbeln („Coming soon“) und einer Fuhre Fitnessgeräte, bis man dann eine halbe Halle Air Berlin betritt. Die Stewardess ist aber nur aus Pappe.

Ein Business-Doppelsitz liegt bei 1700 Euro

„Ein buntes Sammelsurium“, nennt es selbst der Dechow-Projektmanager Jens-Peter Franz; den Sachen ist nur gemein, dass „Air Berlin“ draufsteht. Das treibt die Preise so schön nach oben – vergebens sucht man hier anonyme Fahrwerke, Reifen und Turbinen, Schreibtische und Büromaterial, die Dechow auch an den Mann bringen muss. „Alles gebrandet“, sagt Franz also ganz froh, und so liegt gegen zehn Uhr früh das höchste Gebot für zwei Kilo verpackter Schokoherzen bei 300 Euro, ein Business-Doppelsitz liegt bei 1700 Euro und ein kleiner Kulturbeutel bei 150.

Der Rest von Air Berlin: In Essen werden Sitze und andere Gegenstände der insolventen Airline präsentiert – die Versteigerung läuft übers Internet.
Der Rest von Air Berlin: In Essen werden Sitze und andere Gegenstände der insolventen Airline präsentiert – die Versteigerung läuft übers Internet. © dpa

„Das geht echt gerade durch die Decke“, sagt ein Interessent zum anderen und schaut in sein Smartphone: „4300 Euro für zehn Trolleys.“ Wolfgang Hütges kann man hier zum Beispiel treffen, wie er Trolleys umkreist. „Die wären interessant für Wohnmobile. Schön leicht, gut einzubauen“, sagt der Wohnmobilhändler. Und die Kulturbeutelchen aus der besseren Klasse, „Wunderkind by Wolfgang Joop“, wären ein schönes Mitbringsel für die Gemahlin eines Käufers – wenn die Preise nicht wären.

Auch Wolfgang Swienty ist hier unterwegs, sitzt Probe, macht Fotos – aber wenn er ehrlich ist, interessieren ihn eigentlich nur die Trinkgläser aus der Business-Klasse. Die sammelt der frühere Lufthanseat offenbar seit Jahrzehnten, hat Pan Am oder TWA, aber auch ganz gegenwärtige Linien wie Air France oder Air Canada („Da ist kein Name drauf, aber das Ahornblatt“). 40 bis 50 solcher Gläser stünden in seiner Bar, erzählt Swienty, „und wenn wir feiern, dann kann da jeder draus trinken“. Aber ach, die Gläser gibt’s nicht einzeln, sondern nur mit Trolley sowie den dazugehörigen Tellerchen und Schüsselchen. Kein Gebot von Swienty!

„Urlaub ohne Air Berlin ist wie Baller ohne Mann“

Vor allem Sitze und Trolleys, Regencapes und Kompressionsstrümpfe. Schirme und Stofftaschen: „Ich bin ein Airberliner.“ Aufsteller mit Parolen, die nach der Insolvenz sehr seltsam klingen: „Gemeinsam mehr Ziele erreichen“ steht darauf oder „Willkommen im exklusiven Wartebereich“.

Easyjet will Passagierzahl in Deutschland verdoppeln

weitere Videos

    Modellflugzeuge, auch von Adria, Tam oder den Shenzhen Airlines – wie die Chinesen nur in dieser Insolvenzmasse landen konnten, vermag aber niemand mehr zu sagen. An der Wand: sexistische Reklamen aus dem letzten Jahrhundert. Wie lustig ist das denn: Recht aufgeschlossen wirkende Damen tollen da am Strand umher unter dem Slogan „Urlaub ohne Air Berlin ist wie Baller ohne Mann“.

    50.000 Interessierte haben sich registriert

    Eine frühere Stewardess kommt vorbei, sie nimmt Abschied. Ein Paar, das immer mit Air Berlin flog, weil dort die Sauerstoffflasche problemlos mitfliegen konnte, die es aus Gesundheitsgründen braucht: „Wir wissen noch nicht, wie es für uns weitergeht mit dem Reisen.“

    Astrid Deters, die den Smart unter die Lupe nimmt: „Den Wagen mit genau der Lackierung.“ Immer wieder bieten Leute dem Dechow-Mitarbeiter Franz Geld an, wenn sie etwas sofort mitnehmen könnten. Geht aber nicht: Die Versteigerung läuft ausschließlich übers Internet. Etwa 50.000 Interessierte haben sich bis vergangenen Freitag für die Online-Versteigerung registriert. Für die teuersten Schokoherzen sind am Nachmittag 332 Euro geboten.