Berlin. Anwalt Tamo Zwinge hatte einen guten, sicheren Job. Doch etwas fehlte ihm. Heute leitet er das Start-up Companisto mit 35 Mitarbeitern.

Eigentlich hätte das Leben von Tamo Zwinge so bleiben können. Vor fünf Jahren arbeitete der Berliner Rechtsanwalt in einer internationalen Großkanzlei. Er betreute große Unternehmen in den Bereichen Gesellschaftsrecht und Unternehmenstransaktionen sowie private Klienten.

Die Stelle war sicher, die Bezahlung gut, die Arbeit interessant. Und dennoch fehlte dem damals 31-Jährigen etwas. „Mein Gründergeist brach nach ein paar Jahren wieder durch. Ich wollte etwas anderes machen“, sagt Tamo Zwinge.

Schon als Student mit 21 Jahren hatte er zusammen mit seinem Grundschulfreund David Rhotert ein Start-up gegründet. „Mit Partycard entwickelten wir 2001 ein Rabattsystem für Partygänger“, erzählt Tamo Zwinge. „Mit der Karte gab es beispielsweise vergünstigten Eintritt in bestimmte Clubs und Bars oder bei Burger King einen Burger gratis.“ Das Konzept ging auf. Nach ein paar Jahren verkauften die beiden Jura-Studenten ihr Unternehmen gewinnbringend.

Erste Gründung fast am Geld gescheitert

Doch bis Partycard funktionierte, mussten die beiden Studenten große Hindernisse überwinden. „Es war unglaublich schwierig, an Kredite zu kommen“, berichtet Zwinge. „Wir waren top vorbereitet, hatten ein vielversprechendes Geschäftsmodell ausgearbeitet, aber das Einzige, was die Bank interessierte, waren Sicherheiten.“

Die Gründungsidee an sich sei gar nicht beachtet worden. „Da wir kein Grundstück oder Ähnliches als Sicherheit vorweisen konnten, war unser Bankbesuch nach fünf Minuten vorbei“, erzählt der heute 36-Jährige. „Die Finanzierung unseres Start-ups drohte zu scheitern“, erinnert er sich. Nur mit Unterstützung von Verwandten sei es doch noch zur Gründung von Partycard gekommen.

Diese einschneidende Erfahrung – als Jungunternehmen trotz guter Ideen an mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten zu scheitern – beschäftigte Tamo Zwinge auch während seiner Zeit als Rechtsanwalt immer wieder. „Ich wusste, dass es vielen Gründern ähnlich wie uns erging“, sagt er. „In der Wagniskapital-Finanzierung in Deutschland hatte sich nicht viel getan. Viele Innovationen blieben auf der Strecke.“

Pläne schmieden unter Studienfreunden

Eine Erkenntnis, die auch sein Freund und Kollege David Rhotert teilte. Die Juristen waren nach ihrem Studienabschluss in Kontakt geblieben. Beide sahen in Start-ups die Zukunft der europäischen Wirtschaft und schmiedeten gemeinsam Pläne.

Sie fragten sich: Wie könnte man erreichen, dass Privatpersonen und Beteiligungsgesellschaften unkompliziert online Start-up-Unternehmen durch Investments unterstützen? Müssen es wirklich immer die großen Beträge sein? Kann nicht auch eine große Crowd (zu Deutsch: Menschenmenge) mit kleineren Beträgen einen großen Geldbetrag zusammenbekommen?

Spartanisch eingerichtetes Büro

Tamo Zwinge entschloss sich, den sicheren Rechtsanwaltsjob an den Nagel zu hängen und Zeit und Engagement in die Gründung der Crowdinvestment-Plattform zu investieren. „Konnte ich vorher aus meinem schicken Rechtsanwaltsbüro im achten Stück über ganz Berlin gucken – wirklich alles war vom Feinsten –, war in der Zeit der Firmengründung wieder Busfahren angesagt“, erinnert er sich und lacht. „Unser erstes Büro war ein spartanisch eingerichteter Raum auf einem Gelände der Freien Universität in Lankwitz, dem Sitz der Profund Innovation, einer Fördermaßnahme für Start-ups.“

Zwinge und sein Co-Gründer Rhotert fanden für ihr zweites Unternehmen schnell einen Namen: Companisto – eine Mischung aus dem spanischen Wort „compañero“ (Freund, Partner) und dem englischen „company“ (Firma). Zwei Jahre später, die Mitarbeiterzahl wuchs, zog Companisto ins Dachgeschoss eines Gewerbehofs an der Köpenicker Straße in Kreuzberg. Das Unternehmen hat mittlerweile 35 fest angestellte Mitarbeiter.

Gründer und Investoren zusammenbringen

Tamo Zwinge erklärt das Geschäftsmodell: „Wir bringen mit unserer Plattform Gründer und Investoren zusammen, die Start-ups sowie Wachstumsunternehmen mit unseren Schwarmfinanzierungen eine Chance geben möchten.“ Die Geldgeber heißen bei Zwinge und Rhotert Compa­nisten. Wer sich auf der Plattform ein Unternehmen ausgesucht hat, kann – ähnlich wie an der Börse – mit seiner Investition Anteilsinhaber werden oder dem Start-up ein Darlehen mit festem Zinssatz zur Verfügung stellen.

Es sei natürlich der Wunsch nach Rendite, der die Companisten antreibe, sagt Zwinge. Aber auch Idealismus: „Den Investoren ist wichtig zu wissen, was mit ihrem Geld geschieht. Sie suchen sich Gründer aus, die mit Herzblut dabei sind und von deren Produkt sie überzeugt sind. Das ist der Unterschied zur Börse.“

Investieren bleibt immer ein Risiko

Schwarminvestitionen können für Kleinanleger sehr lukrativ sein. Besonders bei sogenannten Exits – wenn die Unternehmen verkauft werden und die Teilhaber an den Verkaufsgewinnen beteiligt werden. Doch Investieren bleibt immer ein Risiko. Ein Start-up kann gedeihen oder auch scheitern. Dann ist das Geld verloren.

Mittlerweile zählt die Crowd­investment-Plattform 68.000 Companisten. Bislang haben sie mehr als 37 Millionen Euro in hoffnungsvolle Jungunternehmen investiert. Tamo Zwinge ist sich sicher: „Wir sind noch ganz am Anfang von Crowdinvestment. Die Entwicklung geht noch weiter.“ Auch im Privaten hat sich Zwinge, der seine Frau im Jahr 2008 während seines juristischen Masterstudiums („Master of Law“) in Neuseeland kennenlernte, „weiterentwickelt“, wie er selbst es nennt: Seit zwei Monaten ist er Vater einer Tochter.