Wolfsburg. Der ehemalige VW-Konzernchef Winterkorn und Markenchef Diess sollen früh von Milliardenschäden durch Schummel-Software gewusst haben.

  • Überraschung und Entsetzen des VW-Vorstands waren möglicherweise nur gespielt.
  • Ein US-Manager schilderte demnach Szenario und Folgen des Skandals vor Bekanntwerden.
  • Das bedeutet neue Probleme: Der Vorstand hätte dann die Börse informieren müssen.
  • Ex-Boss Winterkorn soll auch von Schummelsoftware gesprochen haben, so die „BamS“.

Schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn und Herbert Diess, Chef der Marke VW: Beide sollen bereits einen Monat vor Bekanntwerden des Abgas-Betrugs über das mögliche Strafmaß informiert worden sein. Der im Januar in Florida verhaftete VW-Manager rechnete den beiden offenbar bereits am 25. August 2015 vor, dass VW in den USA maximale Strafzahlungen von 18,5 Milliarden Dollar erwarten müsse, wie die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Zeugenbefragungen, FBI-Berichte und interne Unterlagen berichtet. Das entspricht rund 16,2 Milliarden Euro.

Falls dem Vorstand schon zu diesem Zeitpunkt die finanziellen Folgen des Betrugs klar waren, hätte er die Finanzmärkte zu spät informiert. VW hatte am 22. September 2015 eine Ad-hoc-Meldung veröffentlicht, nachdem die US-Behörden die Manipulationen am 18. September öffentlich gemacht hatten.

VW leugnet, früher von den Problemen gewusst zu haben

Nach Angaben von VW war das finanzielle Ausmaß nicht früher abzusehen. Denn zuvor seien Strafen für ähnliche Fälle deutlich niedriger ausgefallen – im Millionenbereich. Im VW-Geschäftsbericht heißt es, die Probleme seien nicht schon früher bekannt gegeben worden, weil die zuständigen Vorstandsmitglieder die Kosten für „insgesamt beherrschbar“ gehalten hätten. Tatsächlich bildete VW noch 2015 eine Risikovorsorge von 16,2 Milliarden Euro für den Fall. Am Sonntag wollte sich ein Konzernsprecher unter Bezug auf die laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern. Winterkorn und seine Anwälte waren nicht zu erreichen.

Jahrespressekonferenz bei VW

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    In Deutschland ermitteln die Staatsanwaltschaften Braunschweig und Stuttgart wegen des Verdachts der Marktmanipulation unter anderem gegen Winterkorn; die Braunschweiger Ermittler haben deshalb auch Diess im Visier. Daneben fordern Aktionäre vor Gericht insgesamt knapp neun Milliarden Euro von Volkswagen, weil sie sich zu spät informiert fühlen. Der Aktienkurs war binnen zwei Wochen von knapp 170 auf rund 93 Euro abgestürzt.

    Zeugen belasten Winterkorn: Er wirkte offenbar nicht völlig überrascht

    Wie bereits Anfang dieses Jahres bekannt geworden war, sollen VW-Mitarbeiter Winterkorn und Diess bereits am 27. Juli 2015 über den Betrug informiert haben. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Winterkorn zum ersten Mal davon gehört hat“, zitiert die „Bams“ nun einen Zeugen. Diese Software („Defeat Device“) erkennt, wenn ein Motor auf dem Prüfstand betrieben wird, und regelt die Abgasemission im Vergleich zum normalen Fahrbetrieb herunter. So werden im Test Grenzwerte eingehalten, die das Auto auf der Straße klar verfehlt. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen.

    Der Zeuge für den 27. Juli 2015 gehörte demnach zu den Ingenieuren, die die Betrugs-Software in die erste US-Diesel-Generation einbauten. Dazu sei er von seinem Vorgesetzten gezwungen worden, zitiert die „Bams“, andernfalls wäre seine Karriere zu Ende gewesen. Bei dem Termin soll Winterkorn demnach Diess gefragt haben: „Habt ihr bei BMW auch so etwas verwendet?“ berichtet die „Bams“. Diess, kurz zuvor vom Konkurrenten zu VW gewechselt, habe geantwortet: „Nein, wir haben bei BMW keine Defeat Devices genutzt!“

    Seit vergangenen Freitag gibt es auch in Deutschland eine erste Festnahme

    Im Januar war in den USA ein hochrangiger VW-Manager wegen des Dieselskandals festgenommen worden. Am vergangenen Freitag gab die Münchner Staatsanwaltschaft die erste Festnahme in Deutschland bekannt. Ein ehemaliger Audi-Mitarbeiter sei wegen des Verdachts des Betrugs und der unlauteren Werbung festgenommen worden und sitze seither in Untersuchungshaft. Mittlerweile hat der Konzern in den USA Vergleiche über mehr als 22 Milliarden Euro geschlossen. (mit Reuters)