Berlin. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat Interesse an Air Berlin. Übernehmen will er die Fluggesellschaft jetzt nicht, dafür aber die Flugzeuge.

Was wird aus Air Berlin? Viele Urlauber, die bei der Fluggesellschaft Flüge in den Sommerurlaub gebucht haben, fragen sich das seit Wochen. Kofferchaos, Personalknappheit, Rekordverlust, dann nachdenken über eine Staatsbürgschaft, die kurz darauf dann doch nicht nötig sein soll – die Lage scheint nicht sehr vertrauenerweckend. Doch das schwer angeschlagene Unternehmen sieht sich auf gutem Weg. „Wir machen Fortschritte bei der Sanierung“, heißt es. Und Carsten Spohr, Chef des deutlich größeren und profitablen Konkurrenten Lufthansa, hat Interesse daran, Air Berlin zu übernehmen. Das sagte er im Mai. Oder etwa doch nicht?

„Eine Unternehmensübernahme sehe ich ... aktuell nicht“, sagt Spohr nun der „Bild am Sonntag“. Und er zählt drei Gründe auf, warum: die enorme Schuldenlast, das zu hohe Kostenniveau und kartellrechtliche Fragen. Air Berlin hat Schulden von rund 1,2 Milliarden Euro, die Maschinen fliegen zu deutlich höheren Kosten als einige Konkurrenten und vor allem die Billigflieger, was unter anderem an hohen Leasingkosten für die Flugzeuge liegt. Und die Wettbewerbsbehörden würden einer Übernahme der – wenn auch deutlich kleineren – Nummer zwei durch die Nummer eins nur im Ausnahmefall zustimmen.

„Ich kann mir vorstellen, diese Zusammenarbeit auszubauen“

Für Experten wichtig ist dennoch ein kleines Wort in Spohrs Aussage: „aktuell“. Denn viele erwarten, dass es doch so kommen wird, nur eben nicht jetzt. Im Dezember 2016 hatte schon Konzernvorstandsmitglied Karl Ulrich Garnadt gesagt, sein Haus habe genug mit der Integration von Germanwings und Eurowings und der Übernahme von Brussels Airlines zu tun. „Da sind wir nicht in der Lage, mehr zu machen 2017.“ Daran wird sich nicht viel geändert haben. 2018 sieht es möglicherweise anders aus.

Lufthansa.Chef Carsten Spohr.
Lufthansa.Chef Carsten Spohr. © REUTERS | REUTERS / ERIC VIDAL

Großes Interesse an Air Berlin, vielmehr den Flugzeugen, hat Spohr, er könnte mit den Maschinen und Crews der angeschlagenen Fluggesellschaft seinen eigenen Billigflieger Eurowings schnell ausbauen. 38 Maschinen von Air Berlin einschließlich Besatzung hat Lufthansa bereits geleast. „Ich kann mir vorstellen, diese Zusammenarbeit auszubauen“, sagt Spohr der „Bild am Sonntag“. „Dabei gibt es für mich auch keine Grenze nach oben.“ Air Berlin fliegt noch mit 75 Maschinen, will sich auf die Flughäfen Berlin und Düsseldorf konzentrieren und baut das Fernfluggeschäft aus – vor allem in Düsseldorf.

Lufthansa will Billigflieger auf Abstand halten

Sollte Spohr noch mehr Maschinen von Air Berlin leasen als bisher, wäre das eine Art schleichende Betriebsübernahme – ohne die Altlasten Air Berlins. Für den Luftfahrtexperten Cord Schellenberg jedenfalls ist „das Zusammengehen Air Berlins mit Lufthansa tragfähig“.

Einer der Gründe für das Interesse Lufthansas sieht Schellenberg im Billigflieger Ryanair, der sein Angebot in Deutschland kräftig ausbauen will und inzwischen auch den Flughafen Frankfurt ansteuert, Stammflughafen der Lufthansa. „Wenn Lufthansa das Feld Ryanair überlässt, kann es sehr schwierig werden. Deshalb ist Air Berlin so interessant“, sagt Schellenberg.

Experte: „Preise werden kaum steigen“

Die Flugtickets werden dem Luftverkehrsexperten zufolge nicht teurer, sollte Air Berlin als eigenständiges Unternehmen verschwinden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Preise im deregulierten europäischen Markt steigen, wenn Lufthansa Air Berlin übernimmt“, sagt Schellenberg. „Es gibt dafür zu viele Wettbewerber wie Ryanair, Easyjet und Wizzair. Preissprünge kann ich mir, wenn überhaupt, nur im regionalen Verkehr mit kleineren Maschinen vorstellen.“

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    Air Berlin baut unter dem neuen Chef Thomas Winkelmann, der von Lufthansa kam, um. Die Vertriebskosten konnte er bereits senken, ebenfalls die Leasingkosten der Flugzeuge durch Nachverhandlungen. Für 2018 soll das die Kosten bereits um 50 Millionen Euro drücken. Winkelmann kündigte auf der Hauptversammlung operativ sogar schwarze Zahlen für 2018 an. Ob es dann auch unter dem Strich einen Gewinn gibt, sagte er nicht.

    Etihad könnte Schuldenproblem lösen

    Seit 2008 wies Air Berlin nur 2012 einen Gewinn aus – wegen des Verkaufs des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad. 2016 gab es einen Rekordverlust von 781,9 Millionen Euro. Etihad aus Abu Dhabi hält Air Berlin seit 2011 in der Luft. Die Araber sind mit rund 29,2 Prozent an den Berlinern beteiligt, überdenken das Investment aber. Sie könnten durch einen letzten großen Finanzzuschuss auch das Schuldenproblem Air Berlins lösen. Das könnte es Spohr leichter machen, doch zuzugreifen. Im Gegenzug könnte es dann eine engere Zusammenarbeit zwischen Etihad und Lufthansa geben.