Berlin. Ein Jahr lang wurden umstrittene Cum-Ex-Aktiengeschäfte aufgearbeitet. Regierung und Opposition können sich am Ende aber nicht einigen.

Bei der Aufarbeitung umstrittener Cum-Ex-Aktiengeschäfte zulasten der Staatskassen haben sich Koalition und Opposition nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen können. Nach etwa einjähriger Arbeit des Untersuchungsausschusses im Bundestag sind sich Union, SPD sowie Grüne und Linke zumindest in dem Punkt einig, dass es sich bei den Cum-Ex-Geschäften mit Leerverkäufen um illegale Transaktionen gehandelt habe. Bei den Schlussfolgerungen gehen die Meinungen jedoch auseinander, sodass sich die Parteien nicht auf einen gemeinsamen Bericht verständigen konnten.

Immer sei klar gewesen, dass die umstrittenen Steuertricks illegal waren, so das Urteil von Union und SPD. Als das Bundesfinanzministerium und andere Institutionen merkten, was im Gange war, seien sie jedoch schnell und konsequent eingeschritten, um den Missetätern das Handwerk zu legen. „Dem Finanzministerium und dem Bundeszentralamt für Steuern kann nicht der Vorwurf gemacht werden, dass die Aufklärung zögerlich behandelt und die Bedeutung der Fälle nicht erkannt wurde“, hieß es am Dienstag von Regierungsseite.

Die Linke sieht katastrophale Fehler

Das Fazit des Ausschussvorsitzenden Ulrich Krüger (SPD): „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden.“ Die Oppositionspolitiker Gerhard Schick (Grüne) und Richard Pitterle (Linke), die den Ausschuss vorantrieben, sehen das anders. „Der Finanzverwaltung sind katastrophale Fehler unterlaufen, die den milliardenschweren Raubzug der Cum-Ex-Mafia überhaupt erst ermöglicht haben“, sagte Pitterle. In seinem Sondervotum zum Abschlussbericht wirft Schick den verantwortlichen Institutionen „krasses Organisationsversagen“ vor.

Zahlen, bitte: So ist eine Bilanz zu lesen

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    Die dem Bundesfinanzministerium unterstehende Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) habe spätestens ab 2007 über die nötigen Informationen verfügt, das Ministerium diese jedoch ignoriert. So seien nur halbherzige Versuche unternommen worden, das Finanzloch zu stopfen, bemängelte der grüne Abgeordnete. In den unterschiedlichen Bewertungen spiegelt sich auch der Wahlkampf wider. Für Grüne und Linke ist die Ausschussarbeit auch ein Mittel, um die Regierungskoalition kurz vor der Bundestagswahl schlecht aussehen zu lassen. Union und SPD bemühen sich dagegen, ihre Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (2005–2009) und Wolfgang Schäuble (seit 2009) aus dem Skandal herauszuhalten.

    Deutsche Bank, die Commerzbank und die ehemalige WestLB sind darunter

    Der Begriff Cum-Ex bezeichnet eine Steuersparstrategie, die Banken, Berater und Investoren seit den 1990er-Jahren entwickelten. Bei solchen Geschäften wurden Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch gehandelt. Die Besitzer der Aktien zahlten beispielsweise einmal Kapitalertragsteuer für die erhaltene Gewinnausschüttung, ließen sich die Steuer aber mehrfach vom Finanzamt zurückerstatten. Möglich wurden die lukrativen Tricks, indem Investoren ihre Anteilscheine von Unternehmen im Umkreis des Termins der Dividenden-Zahlung schnell hin- und herverkauften.

    Rund 40 Banken in Deutschland, 100 insgesamt, wurden im Zusammenhang mit der Affäre genannt. Darunter sind die Deutsche Bank, die Commerzbank, die ehemalige WestLB, die HSH Nordbank und die Landesbank Baden-Württemberg. Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, es bestehe der „hinreichende Tatverdacht der besonders schweren Steuerhinterziehung“. Staatsanwaltschaften betreiben über 30 Ermittlungsverfahren. Rund eine Milliarde Euro sollen Banken und Investoren inzwischen an Finanzämter zurückgezahlt haben.