Frankfurt/Main. In Deutschland wird laut Experten an vielen Stellen am Bedarf vorbei gebaut. Auf dem Land und in Städten könnte es Probleme geben.

In Deutschland wird am Bedarf vorbeigebaut. Dass die Preise in den Städten sinken, ist deshalb nicht abzusehen. Auf dem Land drohen dagegen Zersiedelung und verödende Zentren. Denn in den Städten wird zu wenig und in den Landkreisen zu viel gebaut. Dazu entstehen auch noch die falschen Wohnungen: zu viele Ein-Zimmer-Appartements und vor allem zu viele Häuser. Der Bedarf nach Wohnungen mit zwei bis vier Zimmern wird jedoch nicht gedeckt.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). „Wohnungsmangel in den Städten, Leerstand auf dem Land“ ist sie überschrieben. „Wir bauen auf dem Land viele Einfamilienhäuser, in der Stadt bauen wir viel zu wenig Wohnungen“, sagt der Immobilienökonom des IW, Michael Voigtländer.

Auf dem Land droht Leerstand

„Und dadurch entsteht natürlich Wohnraummangel in den Großstädten und möglicherweise zukünftiger Leerstand im ländlichen Raum.“ Eine Karte, die den Baubedarf farbig darstellt, zeigt, dass in den allermeisten Landstrichen der Bundesrepublik der Baubedarf gestillt ist. Lediglich in den urbanen Regionen zeigt sich weiterhin hohe Nachfrage: Rund um Berlin bis hin ins Jerichower Land, Hamburg und seine umliegenden Kreise, Oldenburg, Hannover, Göttingen und Kassel könnten noch Neubauten vertragen.

Auch die Regionen Neuss und Krefeld, die Gegend von Gießen über Frankfurt am Main bis Karlsruhe, rund um Freiburg und natürlich rund um München gelten als noch unterversorgt. In Berlin etwa sind laut Studie in den vergangenen Jahren nur 40 Prozent der eigentlich benötigten Wohnungen gebaut worden, in München 43 Prozent und in Hamburg 59 Prozent.

Landkreise bauen am Bedarf vorbei

Insgesamt ist der Baubedarf in den deutschen Landkreisen zwischen 2011 und 2015 um ein Fünftel überschritten worden. Vor allem bauten ostdeutsche Landkreise am Bedarf vorbei, etwa auf dem Teilmarkt für Ein- und Fünf-Zimmer-Wohnungen. Dort übertraf der Neubau den Bedarf um das 1,5- beziehungsweise das 3,3-Fache.

Die Studie nennt Beispiele aus Ost und West: So seien im Landkreis Emsland etwa 1060 Wohnungen mehr entstanden, als auf Basis der demografischen Entwicklung und der Leerstände zu erwarten gewesen wäre. Im Landkreis Steinfurt im nördlichen Nordrhein-Westfalen seien 705 und im Landkreis Vorpommern-Greifswald 660 überzählige Wohnungen gebaut worden. Zu viel gebaut werde auch im Schwarzwald, in der Eifel oder in Nordhessen.

Neue Baugebiete fördern Zersiedelung

Grund sei oft das niedrige Zinsniveau, das zum Bau von Einfamilienhäusern verführe. Doch die Kinder der Bauherren von heute dürften nicht bleiben. Junge Menschen suchten bessere Ausbildungsmöglichkeiten, bessere In­frastruktur und vor allem bessere Arbeitsmarktchancen und zögen in die Städte. Dann drohe Leerstand, warnt das IW. Das Bemühen der Bürgermeister, neues Bauland auszuweisen und so neue Einwohner anzuziehen, sei keine gute Idee, findet das IW.

Denn jedes neue Baugebiet trage zur Zersiedlung bei. Infrastruktur wie Straßen und Wasserleitungen könnten weniger effizient genutzt werden. Das treibe die Kosten für die Kommunen nur weiter nach oben. Die Immobilienexperten des IW empfehlen deshalb den Landkreisen, keine neuen Bauflächen mehr auszuweisen. Neubauten sollten nur gegen Abriss von Altbauten genehmigt werden. Immerhin sei es deutlich schwerer, Leerstand abzubauen, als den Neubau zu begrenzen. Gemeinden mit rückläufiger Bevölkerung sollten die Dorf- und Stadtkerne fördern und attraktiver gestalten.

Landkreistag bewertet städtische Situation als kritisch

Kritik an der geforderten Beschränkung des Neubaus kommt vom Landkreistag: „Jede Kommune muss am besten wissen, wie sie ihre eigene Entwicklung betreibt“, sagte ein Sprecher. Zudem zwinge alleine die Ausweisung von Baugebieten niemanden zum Bauen. „Die Bauherren sind Privatleute oder Investoren, die das wirtschaftliche Risiko von Fehlinvestitionen selbst tragen. Wenn also jemand baut, scheint er von der Zukunftsfähigkeit der Kommune überzeugt zu sein.“ Brisanter seien ohnehin die fehlenden Wohnungen in den Großstädten, sagte der Sprecher des Landkreistags weiter.

Dort ist die Lage gegensätzlich zur Situation auf dem Land: Zwischen 2011 und 2015 seien laut IW-Studie allein in den sieben größten Städten in Deutschland nur 32 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut worden. Der Bedarf dort habe rund 60.000 Wohnungen höher gelegen. „Besonders gravierend ist der Mangel an kleinen Wohnungen“, heißt es in der Studie. „Von den benötigten Zwei-Raum-Wohnungen wurde nur ein Fünftel gebaut.“

Die Folgen für die Preisentwicklung liegen auf der Hand: Im überbauten ländlichen Raum droht Preisverfall. IW-Ökonom Philipp Deschermeier sagt dagegen für die Großstädte voraus: „Der enorme Wohnungsmangel macht eine scharfe Preiskorrektur unwahrscheinlich.“