Berlin. Großaktionär Etihad bricht die Gespräche mit Tui ab und sucht offenbar eine Kooperation mit der Lufthansa. Wie geht es jetzt weiter?

Der Kampf ums Überleben der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin hat am Donnerstag eine neue Wendung genommen, deren Folgen noch nicht abzusehen sind. Air-Berlin-Großaktionär Etihad Airways aus Abu Dhabi hat die Gespräche mit dem Reisekonzern Tui über den Aufbau eines gemeinsamen Ferienfliegers aus TuiFly und der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki beendet.

Die ursprünglich geplante neue Urlaubsairline sollte die Air-Berlin-Strecken zu den Ferienzielen am Mittelmeer übernehmen, die Air Berlin bereits an Niki abgegeben hatte. Die Trennung von Niki sollte dazu beitragen, dass Air Berlin von einem defizitären „Gemischtwarenladen“ zu einer effizienten „Netzwerk-Airline“ mit innerdeutschen und innereuropäischen Zubringern zu Langstreckenflügen gesund geschrumpft wird. Für Niki hatte Etihad der Air Berlin bereits 300 Millionen Euro Kaufpreis überwiesen, um die Berliner liquide zu halten. Seit Jahren bleibt Air Berlin nur noch durch Finanzspritzen der arabische Fluggesellschaft Etihad in der Luft.

Keine Auswirkungen auf den Flugbetrieb

Jetzt vollziehen die Araber die Kehrtwende. Etihad habe diese Entscheidung „nach vielen Monaten zuversichtlicher Verhandlungen“ getroffen, da beide Parteien zu keiner Einigung bezüglich der Ausgestaltung eines solchen Joint Ventures gekommen seien, teilte ein Etihad-Sprecher auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Jetzt wird Air Berlin das Touristikgeschäft in einem separaten Geschäftsbereich unter der Marke Niki führen. Der Flugbetrieb von Niki bleibe von der neuen Entwicklung unberührt, versicherte Etihad, alle Buchungen würden berücksichtigt. Kunden sollten sich mit weiteren Fragen direkt an Niki wenden.

Air Berlin teilte mit, es handele sich „ausschließlich um eine Änderung der Gesellschafterstruktur“ ohne Auswirkungen auf den Flugbetrieb der Air Berlin Group. „Der Niki-Winterflugplan ist freigeschaltet, und Niki fliegt weiterhin verlässlich zu den Warmwasserdestinationen“, sagte ein Air Berlin-Sprecher.

Tui wollte eine „starke europäische Touristik-Airline“

Der Tourismuskonzern Tui reagierte enttäuscht auf den Ausstieg der Araber. „Strategisch macht eine starke europäische Touristik-Airline weiter sehr viel Sinn“, sagte Tui-Vorstand Sebastian Ebel. Denn der Luftverkehr in Deutschland sei durch Überkapazitäten geprägt. Niki stehe aber nicht mehr für ein Joint Venture zur Verfügung.

Die Hannoveraner hätten gerne ihre verlustbringenden gelben Flieger in der neuen Airline untergebracht. Am Donnerstagmorgen war das Scheitern der Verhandlungen öffentlich geworden, weil die Tui ihre Mitarbeiter informierte und das Schreiben des Vorstandes bei der Deutschen Presse-Agentur landete. Darin heißt es: „Etihad strebt offenbar eine Perspektive für das Gesamtunternehmen Air Berlin/Niki an und will Niki nicht länger aus der Air Berlin herauslösen.“ Das sei eine andere Grundlage als das, was Etihad und seine Gesellschafter im Dezember 2016 mit uns vereinbart haben, schrieb die Tui-Führung an die Mitarbeiter.

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Aus dem Satz, dass die Etihad eine „Perspektive für das Gesamtunternehmen“ anstrebe, lesen manche Branchenbeobachter eine positive Nachricht für Air Berlin insgesamt heraus. Denn Etihad verhandelt seit Monaten diskret mit dem deutschen Branchenprimus Lufthansa darüber, wie dieser möglichst große Teile der bisher zweitgrößten deutschen Airline übernehmen kann.

Diese Woche hatte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann erstmals offiziell die Lufthansa als möglichen Partner genannt. Der Börsenkurs von Air Berlin stieg nach dieser Meldung zunächst vorübergehend. Am Donnerstagnachmittag sackte der Kurs aber wieder kräftig ab, nachdem bekannt wurde, dass Air Berlin eine Voranfrage auf eine Bürgschaft gestellt hatte. Lufthansa hat Air Berlin bereits 38 Jets samt Crews abgenommen. Konzernchef Carsten Spohr betonte mehrfach, dass er Interesse auch am Rest von Air Berlin habe, sofern Etihad die Verbindlichkeiten von mehr als einer Milliarde Euro übernehmen würden.

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    Viele Kunden wurden in den letzten Wochen verärgert

    Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sagte, eine Kooperation von Niki mit TuiFly könnte eine engere Zusammenarbeit mit Lufthansa deutlich komplizierter machen. „Vieles deutet darauf hin, dass für die arabische Fluggesellschaft Etihad Lufthansa der Wunschpartner für ihre Tochter Air Berlin ist.“ Wichtig sei es nun, „dass Air Berlin schnell wieder einen stabilen Flugverkehr herstellt, um nicht noch mehr Kunden zu verärgern und zu verlieren“. Ein engeres Zusammengehen zwischen Lufthansa und Air Berlin könne aus Sicht Schellenbergs durchaus sinnvoll sein. „Eine stabile Air Berlin nützt auch den Kunden im Europaverkehr.“

    Ohne den Aufbau einer neuen Ferienfluglinie bleibe Air Berlin auch auf erheblichen Altlasten sitzen, meint ein Kenner des Unternehmens. Denn die Berliner hatten 2009 14 Flugzeuge samt Crew von TuiFly für einen viel zu teuren Preis geleast. Der Deal belastet die finanzschwache Airline jährlich mit rund 100 Millionen Euro und trägt so erheblich zu den Rekordverlusten der vergangenen Jahre bei.