Berlin. Die OECD sieht Deutschland vor einer glänzenden Wirtschaftsentwicklung. Ökonomen mahnen allerdings auch Reformen an.

Wann immer in den vergangenen Monaten von der guten Wirtschaftslage in Deutschland die Rede war – meist war das Loblied verbunden mit harscher Kritik: Deutschlands
Exportstärke gehe zu Lasten anderer Volkswirtschaften, hieß es von Ökonomen und Regierungschefs weltweit. Umso mehr dürfte es die Bundesregierung freuen, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Zusammenschluss der größten Industrienationen, bei der Vorstellung ihrer Konjunkturprognose am Mittwoch gute Nachrichten für die deutsche Konjunktur verkündete, sich aber mit derlei Kritik zurückhielt.

Laut der OECD-Experten wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hierzulande in diesem Jahr um 1,7 Prozent und 2018 sogar um 2,0 Prozent. Zu Jahresbeginn war die hiesige Wirtschaft mit 0,5 Prozent doppelt so schnell gewachsen wie die US-Wirtschaft.

Die OECD rechnet mit einem weltweiten Plus von 3,5 Prozent

Volkswirtschaften weltweit erleben derzeit einen Aufwärtstrend: Nach fünf Jahren schwachen Wachstums sei nun endlich Besserung abzusehen, erklärte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. Die Organisation rechnet mit einem weltweiten Plus von 3,5 Prozent. Auch in der Eurozone kommt der Aufwärtstrend an: Dieses Jahr soll das BIP um 1,8 Prozent wachsen. Größter Profiteur der sich erholenden Weltkonjunktur dürfte jedoch Deutschland sein – denn dies bedeutet eine steigende Nachfrage nach Exportgütern. Mit über vier Prozent Wachstum 2017 soll die Warenausfuhr nochmal deutlich gegenüber dem Vorjahr anziehen.

Dagegen hat die OECD ihre Erwartungen für den Anstieg des privaten Konsums deutlich zurückgenommen – auf 1,3 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr. Weniger bürokratisch ausgedrückt heißt das: Das Wachstum bleibt laut OECD weiterhin vor allem exportgetrieben. 2016 lag der Leistungsbilanzüberschuss bei 8,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der Exportüberschuss wird weltweit kritisiert – vor allem von den USA

Diesen Umstand haben zuletzt Frankreichs neu gewählter Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staatsregierung kritisiert. Besonders der Trump-Regierung in den USA sind die Exportüberschüsse der Deutschen ein Gräuel, denn die USA haben demgegenüber ein hohes Defizit. US-Präsident Donald Trump drohte deshalb bereits mit Gegenmaßnahmen – etwa der Einführung von Importzöllen für Ausfuhren in die USA.

Die OECD bemüht sich in ihrer Analyse, den Streit nicht zu befeuern, betonte hingegen die Vorteile der Globalisierung. OECD-Chefökonomin Catherine Mann warnte vor „protektionistischen Maßnahmen sowie Anti-Globalisierungsrhetorik“, die für Unsicherheit sorgten. Ein Appell, der auch an die US-Regierung gerichtet sein dürfte.

Exportabhängigkeit ist „gefährlicher Schwachpunkt“, warnen Ökonomen

Ökonomen in Deutschland hingegen fanden deutlichere Worte: „Mir machen die großen Ungleichgewichte in der deutschen Volkswirtschaft Sorge“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher unserer Redaktion. Die „hohe Abhängigkeit von Exporten“ sei ein „gefährlicher Schwachpunkt“. Es seien „mehr Investitionen“ und „eine stärkere Lohnentwicklung“ notwendig.

Der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, mahnte angesichts der guten Zahlen für die Eurozone, die Modernisierung nicht zu vernachlässigen: „Die Politik in Europa sollte die gute Konjunktur nutzen, um Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben“, sagte Fuest unserer Redaktion.