Berlin. Zwei Drittel der Streaming-Nutzer sind von Ländersperren betroffen. Die EU will die regeln verbessern. Experten reicht das aber nicht.

Wer im Urlaub am Mittelmeer seine Lieblingsmusik oder einen Film aus dem Internet abrufen möchte, scheitert häufig und sieht den Hinweis: „Dieser Inhalt ist in deinem Land nicht verfügbar.“ Obwohl viele Bürger einen kostenpflichtigen Streamingdienst – wie Netflix, Amazon Video, Sky Go und Spotify – abonniert haben, können sie ihn im Ausland nicht oder nur zum Teil nutzen. Oft geht das nicht einmal innerhalb der EU. Ähnliches gilt auch, wenn man hierzulande beispielsweise eine Fernsehserie der britischen BBC sehen möchte. Dann heißt es: „Dieser Player funktioniert nur in Großbritannien.“

Viele Nutzer ärgern sich

Zwei Drittel (67 Prozent) der Internetnutzer haben diese Ländersperren – das sogenannte Geoblocking – bereits persönlich erlebt. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz unter 2200 Internetnutzern hervor, die dieser Redaktion vorliegt. Dabei gehören Streamingdienste zum Alltag: 77 Prozent der Internetnutzer streamen Videos und 80 Prozent Musik.

Viele sind auch bereit, dafür zu bezahlen. So beziehen 43 Prozent der Befragten kostenpflichtige Videodienste wie Netflix, Amazon Prime Video oder Maxdome, weitere 27 Prozent abonnieren Musikdienste wie Spotify Premium oder Apple Music, die etwa zehn Euro pro Monat kosten. Gleichzeitig wünschen sich 64 Prozent der Befragten, dass die Angebote in allen Ländern der EU abrufbar sein sollten. Auch den Zugriff auf die Mediatheken von Fernsehsendern halten 41 Prozent für wichtig.

EU führt ab 2018 neue Regeln ein

Diesem Wunsch kommt die Europäische Union nun entgegen – aber nur ein kleines Stück. Vom nächsten Jahr an sollen Nutzer kostenpflichtiger Streamingdienste künftig „vorübergehend“ ihre Musik- und Videoabonnements ohne Einschränkung nutzen können. Wie lange ein „vorübergehend“ dauert, wird in der EU-Verordnung aber nicht definiert – es kann sich also um Tage, Wochen oder Monate handeln.

Zudem gilt diese Regelung nicht für kostenlose Angebote. Dieser Beschluss des EU-Parlaments muss zwar noch von den Mitgliedsländern bestätigt werden – doch die Zustimmung gilt als Formsache. Damit tritt die Regelung in neun Monaten in Kraft, spätestens im Februar 2018.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) geht diese Regelung nicht weit genug. „Die EU-Verordnung ist ein kleiner Schritt zu mehr Freiheit im digitalen Austausch in Europa, doch sie reicht noch nicht“, meint Lina Ehrig, Teamleiterin Digitales und Medien. Sie erlaube nur, „dass ich meinen kostenpflichtigen Streamingdienst vorübergehend auch im EU-Ausland nutzen kann. Unbeschwerten Zugang zu Online-Diensten von Fernsehsendern aus dem EU-Ausland wird es weiterhin nicht geben.“ Dabei sei es im „ureigenen Interesse Europas, dass alle Bürger die Kultur- und Informationsangebote der gesamten EU nutzen können“.

Umsätze der Branche legen stark zu

Es sind jedoch nicht die Staaten, die Grenzen setzen. Vielmehr sind es die Anbieter selbst, die eine länderübergreifende Nutzung verhindern, da sie nicht für alle EU-Länder die notwendigen Lizenzen für Musik- und Videorechte erwerben. Produktionen werden üblicherweise nur für ein Land verkauft. Die neue EU-Verordnung ändert an diesem Urheberrecht auch nichts. Vielmehr wird angenommen, dass der künftige, „vorübergehende“ Zugriff aus dem Heimatland erfolgt.

Die Anbieter müssen dafür prüfen, in welchem Land ihre Kunden den Wohnsitz haben. Dies kann zum Beispiel über die Vertragsangaben erfolgen. Damit soll Missbrauch verhindert werden, damit Kunden nicht in einem EU-Land mit niedrigeren Preisen ein Abo abschließen, dieses aber dann im Heimatland nutzen.

Tatsächlich hat sich das Streamen von Inhalten zu einem Milliardenmarkt entwickelt. Der Verband der Internetwirtschaft (Eco) erwartet für 2017, dass die Online-Medien-Umsätze um 20 Prozent zulegen werden. Kostenpflichtige Video-on-Demand-Angebote könnten bis 2019 sogar um 40 bis 50 Prozent wachsen – und zwar jährlich. Allein seit 2010 haben sich die Umsätze in dem Bereich auf 800 Millionen versiebenfacht. Der deutsche Markt wird dabei mit einem Anteil von 66 Prozent klar von ausländischen Unternehmen dominiert. Maxdome ist das einzige deutsche Unternehmen unter den Top 5.

„Bei digitalen Inhalten gilt nach wie vor Kleinstaaterei“

Auch im Musikmarkt gewinnen Streamingdienste und Downloads in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Während rund 54 Prozent des Musikumsatzes von 1,59 Milliarden Euro durch den CD-Verkauf erzielt werden, folgt das Streaming von Musik mit einem Umsatzanteil von 24,1 Prozent schon auf Platz zwei. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Die Musikbranche erwartet nach einer Studie der Marktforscher von GfK, dass bereits im Jahr 2021 Audio-Streaming mit 57,2 Prozent der Hauptumsatzbringer sein wird.

Angesichts dieser wirtschaftlichen Entwicklung kritisieren die Verbraucherschützer die Abschottung des digitalen Marktes innerhalb Europas umso deutlicher, so Ehrig: „Für Autos und Arbeitskräfte gilt der freie Binnenmarkt. Bei digitalen Inhalten gilt nach wie vor Kleinstaaterei. Digitale Grenzbäume bleiben weiter aufgestellt.“