Berlin. Kriminelle kopieren fast alles: Von Kleidung, über Medikamente bis hin zu Maschinen. Die Wirtschaft leidet unter der Produkt-Piraterie.

Auch bei illegalen Geschäften sind der Kreativität der Kriminellen kaum Grenzen gesetzt. Da werden neuwertige Autos gestohlen, zerlegt, ins Ausland geschafft, wieder importiert und als Einzelteile scheinbar legal verkauft. Andere Netzwerke lassen Schlankheits- oder Potenzmittel produzieren, die wenige oder gefährliche Wirkstoffe enthalten. Das Angebot gefälschter Markenkleidung ist da fast schon Normalität.

Viele dieser Geschäftsmodelle werden erst durch den Internethandel möglich. Denn viele Online-Shops liefern – oft weitgehend anonym – Produkte aus schwer zu ermittelnden Quellen, die sich irgendwo auf der Welt verstecken. Die Ausweitung dieser Aktivitäten analysiert Strafrechtsprofessor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück in seiner neuen Studie „Wirtschaftsmacht Organisierte Kriminalität: Illegale Märkte und illegaler Handel“, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Produkt-Piraterie ist ein Wachstumsmarkt

Zu den Geschäftsfeldern der Wirtschaftskriminalität gehören nicht nur der Handel mit Drogen, Waffen und Zigaretten. Neue Branchen gewinnen an Bedeutung. „Produkt-Piraterie ist ein absoluter Wachstumsmarkt“, sagte Sinn, der unter anderem die europäische Polizeibehörde Europol berät. Für besonders gefährlich hält er die Herstellung und den Verkauf gefälschter Medikamente. Denn oft erzielen diese im menschlichen Körper nicht die erwartete Wirkung. Im schlechtesten Fall führen sie zu Gesundheitsschäden.

Den Staaten und Bürgern gehen durch Warenfälschungen Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren. Schätzungen zufolge erwirtschafte die Organisierte Kriminalität weltweit 800 Milliarden Euro jährlich, sagte Sinn. Da es zum Wesen der Kriminellen gehöre, im Verborgenen zu wirken, könnte der Umfang der illegalen Märkte auch noch deutlich größer sein.

Schaden in Höhe von 7,3 Milliarden Euro jährlich

Alleine der Handel mit gefälschten Waren umfasst rund 420 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es in einer Studie der Industrieländer-Organisation OECD. „In Deutschland entsteht dem Maschinen- und Anlagenbau ein jährlicher Schaden von etwa 7,3 Milliarden Euro durch Produkt- und Markenpiraterie“, sagte Sinn. Die Grenze zwischen krimineller Fälschung, Kopie und Nachahmung ist dabei nicht selten fließend. Viele der Bohrmaschinen, LED-Lampen oder Getriebe, aber eben auch vermeintliche Marken-T-Shirts, Hosen, Uhren, Taschen und Brillen kommen aus China und Hongkong.

Gegen die neue Wirtschaftskriminalität müsse stärker vorgegangen werden, zeigte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger bei der Vorstellung der Studie überzeugt. Vor allem sollten der Zoll und die Polizei stärker miteinander zusammenarbeiten, forderte Binninger, der unter anderem das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste leitet.

Wahrscheinlich könnten dann illegale Einfuhren besser überwacht und zumindest einige aus dem Verkehr gezogen werden. Einer von Sinns Vorschlägen dürfte im politischen Raum allerdings wenig Chancen haben: Der Wissenschaftler regte an, Ordnungsgeld für Konsumenten zu erheben, die offensichtlich gefälschte Produkte kaufen.