Stuttgart/Hannover. VW-Chef Müller steht im Fokus der Stuttgarter Strafverfolger. Es wird einem Medienbericht zufolge wegen Marktmanipulation ermittelt.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat einem Medienbericht zufolge Ermittlungen gegen VW-Chef Matthias Müller aufgenommen. Er werde der Marktmanipulation im VW-Abgasskandal verdächtigt, schreibt die „Wirtschaftswoche“. Hierbei gehe es um seine Tätigkeit bei der VW-Dachgesellschaft Porsche SE, bei der er seit 2010 im Vorstand ist. Auch gegen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und den früheren Vorstandsvorsitzenden des Autobauers Volkswagen, Martin Winterkorn, werde ermittelt.

2015 deckten US-Behörden auf, dass Volkswagen in den USA die Abgasmessung von Dieselfahrzeugen manipuliert hatte. Danach brach der Börsenkurs ein. Im Kern geht es um die Frage, ob die Firmenchefs rechtzeitig über die Probleme informiert haben. Dem Gesetz zufolge müssen Nachrichten, die den Börsenkurs beeinflussen, umgehend (ad hoc) publiziert werden.

Winterkorn war PSE-Chef, Pötsch Finanzvorstand

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ist zuständig, weil die VW-Dachgesellschaft Porsche SE dort ihren Sitz hat. Neben Müller waren auch die anderen Genannten damals für die Beteiligungsgesellschaft tätig: Winterkorn war PSE-Chef, Pötsch Finanzvorstand.

Dem Vorwurf der Marktmanipulation geht auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach. Sie ermittelt gegen Pötsch, Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess.

Die Stuttgarter Ermittlungen ins Rollen brachte eine Anzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). „Die Bafin hat im Sommer 2016 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts der informationsgestützten Marktmanipulation in Aktien der Porsche Automobil Holding SE im Zusammenhang mit der Dieselthematik erstattet“, bestätigte Bafin-Sprecherin Dominika Kula unserer Redaktion.

Holzner: „Keine Kenntnis von den Ermittlungen“

Jan Holzner, Erster Staatsanwalt bei den Stuttgarter Strafverfolgern, bestätigte auf Anfrage Strafanzeigen gegen vier Top-Manager aus dem damaligen Porsche-Vorstand. Laut Holzner richten sich die Anzeigen gegen den heutigen VW-Konzernchef Müller, gegen Aufsichtsratschef Pötsch, gegen Ex-Konzernchef Winterkorn sowie gegen den Porsche-Manager Philipp von Hagen. Ob und gegebenenfalls gegen wen aus dem illustren Kreis ermittelt werde, dazu wollte sich Holzner nicht äußern.

„Wir haben bislang keine Kenntnis von den Ermittlungen“, sagte Al­brecht Bamler, Pressesprecher der Porsche Holding, unserer Redaktion. „Den Herren Pötsch und Müller ist bislang nichts zugegangen.“ Die Bafin habe im Jahr 2015 ein Auskunftsersuchen gestellt. „Das haben wir ausführlich beantwortet und seitdem nichts mehr gehört“, so Bamler.

Abgasbetrug beherrschendes Thema bei Hauptversammlung

Die Frage, ob Aktionäre rechtzeitig über den Dieselskandal informiert wurden, kann für die Porsche Holding teuer werden, da Kläger darauf abzielen, von den Managern nicht rechtzeitig gewarnt worden zu sein. Insgesamt sind deshalb Klagen im Umfang von 900 Millionen Euro anhängig. „Wir sind der Auffassung, dass wir unseren kapitalmarktrechtlichen Anforderungen in hohem Maße nachgekommen sind“, betonte Bamler.

Die Nachricht von den laufenden Ermittlungen platzte Mittwochabend wie eine Bombe in die fast beendete VW-Hauptversammlung in Hannover. Dort war der Abgasbetrug erneut das alles beherrschende Thema. Es war das zweite Aktionärstreffen seit Bekanntwerden der Manipulationen im September 2015. Erneut standen Vorstand und Aufsichtsrat in der Kritik, insbesondere Aufsichtsratschef Pötsch wurde hart angegangen.

Umsatz stieg im ersten Quartal auf 56,2 Milliarden Euro

Die Gewinne sprudeln wieder. Im ersten Quartal verdiente der Konzern deutlich mehr, unterm Strich blieben 3,4 Milliarden Euro Gewinn in der Kasse – ein Plus von fast 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg im ersten Quartal um 10,3 Prozent auf 56,2 Milliarden Euro. Das erkannten viele Aktionäre an. Die Redebeiträge zeigten aber auch: Der Abgasbetrug ist längst nicht abgehakt. Ganz im Gegenteil. Vorstand und Aufsichtsrat wurden Unfähigkeit bei der Aufarbeitung des Skandals vorgeworfen.

Aktionär Christian Strenger riet Pötsch zum Rücktritt. Er sei einer der Hauptverantwortlichen für den Abgasbetrug. Hans-Christoph Hirt von der Investmentgesellschaft Hermes bemängelte, dass VW keinen Untersuchungsbericht veröffentlicht hat. Nur so könnten die Anteilseigner sehen, ob der Konzern die richtigen Konsequenzen aus der Abgasmanipulation ziehe. Doch daraus wird nichts. „Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben“, beschied Pötsch die Forderung und nannte rechtliche Gründe: „Alles andere wäre für Volkswagen unvertretbar riskant.“ Deka-Fondsmanager Andreas Thomae sagte dazu: „Dass die Ergebnisse immer noch unter Verschluss sind, lässt vermuten, dass sie VW nicht gefallen.“