Berlin. Überraschend gute Zahlen: Laut Michael Mandel, Privatkundenvorstand der Commerzbank, profitiert sein Institut sogar von der Konkurrenz.

Michael Mandel wirkt entspannt. Sehr entspannt für einen Topmanager in einer Branche, die gerade voll im Strukturwandel steckt: die Banken. Mandel leitet das Privatkundengeschäft der Commerzbank, die wie ihre Konkurrenten mit niedrigen Zinsen, strengen Regularien, dem angeschlagenen Image der Institute und den kreativen neuen Finanztechs zu tun hat. Alle kämpfen um Kunden, von denen es nur eine begrenzte Zahl gibt, und so, wie Mandel aussieht, schlägt sich die Bank, die 2008 mit staatlicher Hilfe vor der Pleite gerettet wurde, recht gut. Was auch die Zahlen fürs erste Quartal 2017 zeigen. Doch der Erfolg hinterlässt tiefe Spuren in der Belegschaft und auch für die Kunden ändert sich einiges.

Michael Mandel ist im Commerzbank-Vorstand seit gut einem Jahr für das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden verantwortlich. Vorher leitete er die Tochter Comdirect.
Michael Mandel ist im Commerzbank-Vorstand seit gut einem Jahr für das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden verantwortlich. Vorher leitete er die Tochter Comdirect. © Amin Akhtar | Amin Akhtar

Seit 2011 baut das Institut radikal um, weg vom Verkauf von Produkten hin zu Lösungen für die Probleme der Kunden. Dabei kann solch eine Lösung auch ein Produkt der Konkurrenz sein. Unter dem neuen Chef Martin Zielke, Mandels Vorgänger als Privatkundenvorstand, werden jetzt noch einmal 9600 der rund 35.000 Stellen gestrichen, gleichzeitig im Zuge der Digitalisierung neue Arbeitsplätze geschaffen. „Netto sollen 7300 Stellen wegfallen“, sagt Mandel. „In den nächsten Jahren wollen wir 80 Prozent unserer relevanten Prozesse digitalisieren.“

Stellenabbau vor allem in der Verwaltung der Bank

Es trifft also mutmaßlich vor allem jene Teile der Bank, von denen der Kunde meist nichts sieht: Belegbearbeitung, Auftragsabwicklung, Risikomanagement, Anlagenverwaltung. Und ein Teil der bisher in der Mittelstandsbank bedienten Unternehmerkunden werden künftig im neuen Geschäftsbereich Privat- und Unternehmerkunden betreut. Einzelheiten zum Stellenabbau nennt Mandel nicht, die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern liefen.

Das Ziel: In den kommenden vier Jahren zwei Millionen zusätzliche Kunden gewinnen und rund 60 Milliarden Euro an Einlagen, Wertpapiervermögen und Kreditvolumen. Derzeit betreut die Bank über zwölf Millionen Kunden, die Summe der verwalteten Kundenkredite und -vermögen liegt bei 348 Milliarden Euro.

Die meisten neuen Kunden kommen über Filialen

„Dafür brauchen wir die Filialen“, sagt Mandel. „Über die bekommen wir die meisten neuen Kunden.“ In den vergangenen Jahren haben alle Kreditinstitute schon Filialen geschlossen. Was bisher vereinzelt geschah, ist inzwischen für Sparkassen und Banken strategisch wichtig. Es geht um weniger Ausgaben, ohne allzu viele Kunden zu verschrecken. Und darum, wie das Geschäft in den nächsten fünf bis zehn Jahren aussehen soll.

Die Deutsche Bank versucht es mit weniger, dafür besser ausgestatteten Filialen, 535 statt 723 sollen es sein. Die Commerzbank setzt auf ein größeres Netz von 1000 Filialen. Beide bauen ihr digitales Angebot deutlich aus. Eigene Entwicklungsabteilungen, aufgestellt wie Start-ups sollen die IT komplett erneuern.

Die Filiale schrumpft kräftig

So sieht die neue City-Filiale der Commerzbank in Frankfurt am Main aus. Vergleichbare Standorte eröffnet die Bank in ganz Deutschland.
So sieht die neue City-Filiale der Commerzbank in Frankfurt am Main aus. Vergleichbare Standorte eröffnet die Bank in ganz Deutschland. © Commerzbank AG | Commerzbank AG

Während die Deutsche Bank in ihren verbliebenen Filialen das komplette Programm anbieten will, setzt die Commerzbank auf unterschiedliche Filialtypen. An etwa 100 Standorten sind sogenannte Flagship-Filialen geplant. „Da gibt es auch Finanzierungs- und Anlageexperten, Berater für Unternehmer, Ärzte, Rechtsanwälte sowie Vermögensverwaltung“, sagt Mandel.

Die meisten Filialen werden allerdings zu sogenannten Cityfilialen: 60 bis 80 Quadratmeter groß, zwei bis drei Mitarbeiter. Hier sollen Mandel zufolge 97 Prozent aller Kundenanliegen bearbeitet werden können. Vorgesehen sind zudem einige größere City-Plus-Filialen mit breiterem Angebot. Die Standorte müssen nicht unbedingt alte Commerzbank-Standorte sein. Die erste City-Filiale eröffnete in Frankfurt/Main in einer Gegend, in der die Bank bisher nicht vertreten war.

Gebühren fürs Geldabheben? „Völlig widersinnig“

Mandel sieht das Unternehmen auf gutem Weg. „Die Kunden kommen.“ Im vergangenen Jahr seien es im Schnitt über 5000 pro Woche gewesen. Im ersten Quartal verzeichnete die Bank mehr als 150.000 zusätzliche Kunden, allein 16.000 in der letzten März-Woche, als einige Sparkassen ankündigten, dass ihre Kunden künftig fürs Geldabheben am sparkasseneigenen Automaten zahlen müssten.

„Ich finde das völlig widersinnig. Das werden wir auf keinen Fall machen“, sagt Mandel. „Viele unserer Neukunden zeigen ihrem alten Kreditinstitut jetzt die rote Karte.“ Einige seien schon dabei, „es ihren Kunden schwieriger zu machen.“

Kostenloses Girokonto wird aufgehübscht

Die Commerzbank selbst wirbt vor allem mit einem kostenlosen Girokonto und Startguthaben, den April über galten sogar noch zusätzliche Sonderkonditionen. „Das ist ein tolles Produkt, bei dem wir enorme Kundenzuwächse haben. Wir werden uns hier nicht vom Wachstum verabschieden.“ Die Bank überlege gerade, „wie wir das kostenlose Girokonto für den Kunden hier oder da noch etwas attraktiver machen können.“

Aber rechnet sich das überhaupt in Zeiten, in denen andere Kreditinstitute sich reihenweise von solchen Angeboten als zu teuer verabschieden? „Es rechnet sich jedes Produkt. Man muss das nur richtig kalkulieren“, sagt Mandel. Er kündigt weitere Sonderaktionen an: „Wir sind in den vergangenen Jahren kampagnenfähig geworden. Aktionen werden wir weiterhin machen, auch bei Baufinanzierung, Ratenkrediten und im Wertpapiergeschäft.“ Mit neuen Kunden verdiene die Bank im Schnitt bereits im zweiten Jahr Geld.“

„Alle Filialen verdienen Geld“

Für das geplante Wachstum muss das Institut zunächst investieren. „Das hilft aber, langfristig die Profitabilität zu erhöhen“, sagt Mandel. Und dann klingt er wie ein Topmanager aus der Start-up-Szene, spricht von Plattformgeschäft. Die Plattform meint nötige Infrastruktur, etwa Filialnetz und IT. „5000 Kunden in einer Filiale sind gut, 9000 sind besser, 15.000 noch besser. Die Kosten für die Plattform sind immer gleich“, sagt Mandel. Der Ertrag aber steigt. Derzeit verdienten alle Filialen Geld, sagt der Privatkundenvorstand – es soll aber mehr werden.

Zur Commerzbank gehört auch die Direktbank Comdirect, die Mandel drei Jahre lang geleitet hat. „Die Bank kann wegen ihrer Größe schneller und innovativer sein, eine Art Versuchslabor für uns“, sagt der Privatkundenvorstand. Erstmals wolle die Bank auch ein von der Comdirect entwickeltes Produkt in den Filialen verkaufen: digitales Assetmanagement. Ein Roboter, der nach den Vorgaben der Kunden deren Anlagen verwaltet.

Commerzbank hält weitere Zukäufe möglich

Pläne, Commerzbank und Comdirect zu verschmelzen, gibt es derzeit nicht. „Solange beide Marken so stark wachsen und so profitabel sind, gibt es keinen betriebswirtschaftlichen Grund, das funktionierende Modell nicht weiterzuführen.“ Zuletzt hatte Comdirect, Nummer drei der deutschen Finanzportale die Nummer eins, Onvista, übernommen. Sind weitere Zukäufe geplant? „Wenn wir etwas Spannendes finden, werden wir das machen. Das muss vom Geschäftsmodell, Risiko und Kaufpreis her stimmen.“ Was bisher nicht der Fall war.

2017 hat für die Commerzbank überraschend gut begonnen. Im ersten Vierteljahr erzielte die Commerzbank einen Gewinn von 217 (Vorjahreszeitraum: 169) Millionen Euro. Der Betriebsgewinn stieg von 282 auf 314 Millionen Euro.