Stockholm. Eine Studie hat untersucht, inwiefern das Geschlecht die Führungsqualitäten bestimmt. Frauen schnitten in bestimmten Punkten besser ab.

Bestimmt das Geschlecht, wie gut oder schlecht jemand als Führungskraft ist? Die Forscher der norwegischen Handelshochschule BI in Oslo beantworten das anhand einer umfangreichen Studie mit einem Ja, wenn auch mit Einschränkungen.

2900 norwegische Führungskräfte wurden mit Fragebögen auf ihre persönlichen Eigenschaften untersucht, darunter 900 Frauen. 900 Führungskräfte kamen aus dem staatlichen Sektor und 900 aus Topführungsetagen. Der Fokus auf menschliche Eigenschaften statt Fachwissen hatte seinen Grund.

Persönlichkeit vor Intelligenz

Persönlichkeit ist laut dem Team um Öyvind Martinsen, Professor und Chef am Institut für Führung und Organisation, fast so wichtig wie Intelligenz, wenn es darum geht, einen Beruf wirksam auszuüben. „Für Chefs spielt die Persönlichkeit sogar eine größere Rolle“, sagt Martinsen unserer Redaktion.

Bei der Untersuchung wurden fünf Persönlichkeitseigenschaften abgefragt, die laut früheren internationalen Forschungsergebnissen zentral für gute Chefs sind. Weibliche Chefs haben bei vier dieser fünf Kriterien deutlich besser abgeschnitten als männliche.

Die weiblichen Chefs waren im Durchschnitt extrovertierter, konnten besser Initiativen durchsetzen und deutlicher kommunizieren. Sie waren neugieriger und offener für neue Ideen und Erfahrungen, um Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und zeigten sich dabei als die besseren Visionäre der Führungsetagen.

Männer ertragen mehr Stress

Frauen als Chefs sind einer Studie zufolge oft selbstkritischer als ihre männlichen Kollegen.
Frauen als Chefs sind einer Studie zufolge oft selbstkritischer als ihre männlichen Kollegen. © dpa | Sebastian Gollnow

Auch erreichten sie bei ihrer sozialen Orientierung eine höhere Punktzahl. Frauen sind demnach als Chefs besser darin, auf ihre Mitarbeiter zuzugehen sie zu unterstützen und einzubinden, auch bei Konflikten. Und sie sind besser darin, Ziele zu setzen, sie durchzusetzen und das Erreichte zu kontrollieren. Sie gehen dabei methodischer und genauer vor.

Nur bei einer der fünf wichtigsten Eigenschaften für Führungskräfte waren männliche Chefs laut der Studie besser. Sie sind demnach emotional stabiler und können Stress und Druck besser wegstecken als weibliche Chefs, die eher selbstkritischer sind und sich mehr Sorgen machen.

Andere Studien mit ähnlichen Ergebnissen

„Heute ist die Wissenschaft der Ansicht, dass rund die Hälfte der Charaktereigenschaften angeboren sind, die andere Hälfte wird durch die Sozialisation bis zum 25. Lebensjahr geprägt“, sagt Martinsen. Mädchen wachsen noch immer sehr unterschiedlich auf und werden anders sozialisiert als Jungen. Martinsen betont, dass sich die Ergebnisse der Studie nicht pauschalisieren lassen. „Es gibt natürlich auch viele Männer, die viele der abgefragten Qualitätsmerkmale erfüllen und ausgezeichnete Chefs sind“, sagt er.

Immer wieder kommen Studien zu ähnlichen Ergebnissen, so erst kürzlich eine US-Studie vom privaten Rekrutierungsbüro Korn Ferry mit 55.000 Berufstätigen in 90 Ländern. Frauen hatten auch darin deutlich häufiger die Eigenschaften, die laut jüngeren Forschungsergebnissen einen guten Chef ausmachen, als Männer.

Mehr Frauen, mehr Produktivität

„Wenn Arbeitgeber diese Tatsachen ignorieren, könnte das die Produktivität beeinträchtigen“, schließt Studienleiter Martinsen. 2016 hat eine Studie des Peterson Institutes für Internationale Wirtschaft in Washington gar anhand der Daten von knapp 22.000 Unternehmen aus 91 Ländern ergeben, dass ein 30 Prozent höherer Frauenanteil in unteren bis höheren Chefetagen mit einem um 15 Prozent höheren Nettoumsatz einhergeht.

Norwegen hat dank seiner schon seit 2006 existierenden Frauenquote einen hohen Anteil von Frauen in der Führungsetage. Das Land kommt immerhin auf rund ein Drittel insgesamt.