Berlin . Amazon wird in Deutschland zum Lebensmittelsupermarkt. Amazon Fresh startet heute in Berlin. Doch weitere Städte sollen folgen.

Amazon macht ernst und wird zum großen Supermarkt mit Großauslieferung. Von diesem Donnerstag an verkauft der US-Internethändler auch frische Lebensmittel sowie Tiefkühlware in Deutschland – zunächst in Berlin und Potsdam. Ausliefern wird die Produkte DHL. Das Angebot könnte den Markt für Lieferdienste nachhaltig verändern. Bisher liefern vor allem Rewe und Bringmeister (Edeka) in Ballungsräumen Lebensmittel. Die Amerikaner werden sich nicht auf die Hauptstadt beschränken. „Wir wollen Amazon Fresh in Zukunft auch Kunden in anderen Regionen Deutschlands zur Verfügung stellen“, sagt Florian Baumgartner, für den Aufbau von Amazon Fresh in Deutschland verantwortlich.

Im Angebot sind mehr als 85.000 Produkte des täglichen Bedarfs, darunter Obst, Fisch, Brot und Tiefkühlwaren. Baumgartner ist wichtig, dass ebenfalls mehr als 6000 Biowaren dabei sind. Auch Kosmetik, Drogerieartikel und Tierbedarf will der Konzern verkaufen. Amazon betreibt dafür ein eigenes neues Logistikzentrum in Berlin-Tegel, für das Mitarbeiter eingestellt wurden, die sich mit frischen Lebensmitteln auskennen.

„Kernthema ist der komplette Wocheneinkauf“

Zudem lassen sich Waren von mehr als 25 Berliner Spezialgeschäften – darunter die Feinkostkette Lindner Esskultur und der Schokoladenspezialist Rausch Schokoladenhaus – bestellen. „Kernthema ist der komplette Wocheneinkauf“, sagt Baumgartner. Wobei die Kunden natürlich so viel bestellen können, wie sie wollen, schließlich will das Unternehmen damit Geld verdienen.

Der Online-Markt gilt im umkämpften Lebensmittelhandel mit seinen niedrigen Gewinnen als sehr interessant. Und er wächst. Die Marktforscher der GfK erwarten, dass er 2015 mehr als sieben Milliarden Euro betragen wird. 2014 waren es rund 1,1 Milliarden Euro. Deutschlandweit gibt es bisher nur einen Lieferdienst von Rewe, nach Edeka die Nummer zwei im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Rewe liefert in eigenen Kühlfahrzeugen in mehr als 70 deutschen Städten aus. Da muten die anderen Angebote eher übersichtlich an: Kaufland beschränkt sich auf die Hauptstadt, Real liefert in Berlin, Bonn, Hannover und Köln, Bringmeister in Berlin und München.

Lange hat Amazon gezögert

Auch Amazon startet klein in bestimmten Postleitzahlengebieten in Berlin und Potsdam. Allerdings testet der Konzern üblicherweise sein Angebot in bestimmten Märkten und rollt es dann in weiteren Großstädten aus. Lebensmittel verkauft Amazon bereits seit 2010, allerdings vor allem haltbare Ware wie Nudeln oder Kaffee. In Berlin und München gibt es zudem das Angebot Prime Now, bei dem unter anderem Obst, Gemüse und Kochboxen mit Zutaten für bestimmte Gerichte noch am selben Tag geliefert werden. Das neue Angebot ist allerdings deutlich größer.

Lange hatte Amazon gezögert, groß auf dem deutschen Lebensmittelmarkt einzusteigen. Fresh gibt es bereits seit 1997 in den USA, der Markt dort funktioniert allerdings deutlich anders als in Deutschland. Erst seit 2016 ist das Angebot auch in Großbritannien verfügbar.

DHL übernimmt die Zustellung

Eine der Schwierigkeiten ist die Zustellung. Mit der Deutsche-Post-Tochter DHL hat der Konzern einen Partner gefunden, der sich nicht nur mit schneller Zustellung, sondern auch mit der Lieferung kritischer Lebensmittel auskennt. DHL betreibt den Lieferdienst Allyouneedfresh. Die Kühl- und tiefgefrorenen Waren würden in speziell entwickelten Tragetaschen geliefert, sagt Amazon-Direktor Baumgartner.

Die geplanten Lieferfristen sind eng: Was bis mittags bestellt ist, soll Montag bis Freitag bis zum Abend geliefert werden. Bis 23 Uhr bestellte Ware wird am nächsten Tag in einem Zwei-Stunden-Fenster zwischen 8 und 22 Uhr gebracht oder an einem vorher festgelegten geschützten Ort abgestellt, sodass die Ware auch schon vor 7 Uhr da sein kann. Bestellen lässt sich nach Angaben Baumgartners bis zu 28 Tage im Voraus – „damit Sie nach dem Urlaub einen gefüllten Vorratsschrank haben“.

Kostenlose Lieferung bei Mindestbestellwert

Sowohl Now als auch Fresh stehen nur Kunden von Amazon Prime zur Verfügung – hier bietet der US-Internethändler gegen eine Jahresgebühr kostenlosen Internetzugriff auf mehr als 20.000 Serien und Filme, zwei Millionen Musiktitel zum streamen und kostenlosen schnellen Paketversand. Das neue Lebensmittelangebot kostet zusätzlich 9,99 Euro im Monat. Ab einem Bestellwert von 40 Euro ist jede Lieferung dann frei – darunter kostet es 5,99 Euro, sich den Wocheneinkauf liefern zu lassen. In den ersten 30 Tagen soll das Angebot kostenlos sein.

Wie geht es nach Berlin und Potsdam weiter? „Wir investieren bei Amazon Fresh weiter und wollen den Service ausbauen“, sagt Baumgartner. „Wir werden uns die Rückmeldungen der Kunden genau anschauen, bevor wir entscheiden, wo und wann wir ausbauen.“

Keine Aussage zu Einzelheiten

Zu Einzelheiten schweigt sich Amazon aus: Wie hoch die Startinvestitionen sind, wie groß das Team ist, wie viele Prime-Kunden Amazon in Deutschland hat – keine Aussagen. Sicher ist, dass Amazon zusätzliche Logistikzentren jeweils in Innenstadtnähe braucht, weil leicht verderbliche Ware nicht über große Entfernungen geliefert werden kann.

Einen Hinweis auf die Pläne des Konzerns in Deutschland geben die Mitarbeiterzahlen. Derzeit beschäftigt Amazon etwa 14.500 in Deutschland. In diesem Jahr sollen 2000 hinzukommen – in allen Bereichen, auch bei Fresh.