Berlin. Die Fahrer von Foodora und Deliveroo klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Noch stellen sich die Lieferdienste allerdings taub.

Zunächst ging für Martin Hoffmann* alles ganz einfach: Er suchte einen Job, bei Foodora wurde er schnell fündig. Seit über einem Jahr liefert er nun für das Berliner Start-up Mahlzeiten aus. Mittlerweile hat sich die Situation jedoch geändert. Die einst so willkommene Arbeit ist gar nicht mehr so attraktiv. Hoffmann ist jetzt in der Gewerkschaft. Und kämpft für bessere Arbeitsbedingungen. Die Fahrer bemängeln, dass sie nicht mehr genügend Schichten bekommen, um auch davon leben zu können.

Aus dem Straßenbild der Großstädte sind die Fahrer von Foodora und dem Konkurrenten Deliveroo kaum noch wegzudenken. Mit pinken oder türkisfarbenen Boxen auf dem Rücken jagen sie auf dem Rad durch die Stadt und liefern Essen aus. Die beiden Start-ups wachsen kräftig: Foodora rechnet damit, dieses Jahr Speisen im Wert von 150 Millionen auszuliefern. Deliveroo verzeichnet ein monatliches Bestellwachstum von 20 Prozent.

Trotz der guten Zahlen: Die Kuriere sehen hingegen keinen Grund zur Freude. Sie kritisieren ihre Arbeitsbedingungen. Unter dem Kampagnennamen „Deliverunion“ haben sich einige von ihnen gewerkschaftlich organisiert und stellen Forderungen an die Lieferdienste.

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Ein Fahrrad und ein Smartphone reichen

Auf seiner Internetseite verspricht Foodora Jobanwärtern als Fahrradkurier eine „Festanstellung mit flexiblen Arbeitszeiten und sozialer Absicherung“. Zudem bestehe die Möglichkeit, sich bei der Arbeit fit zu halten und die eigene Stadt zu entdecken. Als möglicher Stundenlohn werden inklusive Trinkgeld „bis zu zwölf Euro“ in Aussicht gestellt.

Die Bewerbung ist schnell gemacht: Zunächst muss nur ein Fragebogen ausgefüllt werden. Wer in Deutschland arbeitsberechtigt ist, über Fahrrad und Smartphone verfügt, kann praktisch sofort anfangen.

„Große Konkurrenz“ zwischen Fahrern

Auch Kurierfahrer Hoffmann mag den Job – eigentlich. Er schätzt die flexiblen Arbeitszeiten und fährt gerne Rad. „So kann man die Stadt noch besser kennenlernen“, sagt er. Gerade die Flexibilität habe zuletzt aber gelitten. Foodora vergebe einfach nicht mehr genügend Schichten.

Im Winter habe Hoffmann noch 50 Stunden pro Woche Essen ausgeliefert. Aktuell sei er froh, wenn er auf 20 Stunden komme. „Es ist ein riesiges Problem, dass wir Fahrer keine Schichten mehr kriegen“, sagt er. „Dadurch herrscht große Konkurrenz zwischen uns.“

Clemens Melzer, Pressesekretär der Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU), stützt Hoffmanns Kritik. „Die Fahrer sind ständig im Wettbewerb um Schichten“, sagt er. „Sie verdienen nur etwas, wenn sie welche bekommen.“ Der Gewerkschaftsvertreter vermutet dahinter Methode: „Der Druck auf die Fahrer ist gewollt, damit sie Schichten annehmen, die nicht so beliebt sind.“ Ihn erinnert das an einen „digitalen Arbeitsstrich“.

Foodora lehnt Gehaltserhöhungen ab

Vergangene Woche hat die FAU in Berlin die aus England stammende Kampagne „Deliverunion“ vorgestellt. In einer Berliner Bar versammelten sich mehr als hundert Fahrer von Foodora und Deliveroo. Am Folgetag verschickte die FAU, die die Fahrer gewerkschaftlich vor den Unternehmen vertritt, einen Brief an die Lieferdienste. Die Forderungen: Genügend Arbeitsschichten für jeden Fahrer, eine Gehaltserhöhung von einem Euro pro Stunde oder Lieferung für freiberufliche Fahrer, die es noch bei Deliveroo gibt.

Für die Lieferanten wird auch der Verschleiß an ihren Rädern zum Kostenfaktor.
Für die Lieferanten wird auch der Verschleiß an ihren Rädern zum Kostenfaktor. © REUTERS | GONZALO FUENTES

Foodora reagiert reserviert auf die Forderungen. „Unsere Fahrer sind überwiegend zufrieden“, teilte ein Sprecher mit. Grundsätzlich gebe es auch genügend Schichten für alle Fahrer. Es liege jedoch in der Verantwortung der Kuriere, sich diese so zu organisieren, dass sie auf die vertraglich vereinbarte Stundenzahl kommen.

Auch eine Gehaltserhöhung für seine Fahrer lehnt das Start-up ab. „Derzeit zahlen wir bereits über dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn“, heißt es. „Sie verdienen mindestens neun Euro die Stunde, mit der Chance auf mehr in sogenannten Captain- oder Senior-Positionen.“

Auch Reparaturkosten steigen

Dennoch ist für einige Fahrer nicht gewährleistet, dass das Geld am Monatsende reicht. Es scheint gerade für Minijobber und Studenten zunehmend schwierig, genügend Schichten zur Sicherung des Lebensstandards zu bekommen.

Hinzu kommt, dass die Fahrer für Kosten wie Reparaturen am Rad selbst aufkommen müssen. „Wenn man ständig mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat man einen enormen Verschleiß am Rad“, sagt Hoffmann. Die monatlichen Reparaturkosten würden 50 Euro schnell übersteigen. Von den Liefer-Start-ups fordern die Fahrer daher, entweder Räder und Smartphones zur Verfügung zu stellen, oder die Kosten der Reparaturen zu übernehmen.

Großteil der Mitarbeiter sind laut Unternehmen zufrieden

Auch auf diese Forderungen will Foodora nicht eingehen. Ähnlich äußerte sich Konkurrent Deliveroo: „In einer neuen Umfrage bestätigten uns fast 90 Prozent der Kuriere, dass sie mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden sind und uns weiterempfehlen würden“, teilte ein Sprecher mit. Grund für verbesserte Arbeitsbedingungen gebe es also nicht.

Die Fahrer wollen sich damit aber nicht zufrieden geben. Am Dienstagabend hat das nächste Treffen der Deliverunion stattgefunden. „Ständig kommen neue Fahrer dazu“, berichtet Gewerkschaftsvertreter Melzer. Die Auseinandersetzung mit den Kurieren dürfte die Lieferdienste noch länger beschäftigen.

*Name von der Redaktion geändert