Berlin. Die Computerspiel-Branche erwirtschaftet in Deutschland Milliarden, hiesige Hersteller kämpfen aber gegen den internationalen Abstieg.

Wenn die Deutschen am Computer spielen, dann zieht es sie ins Fußballstadion oder in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Die Fußball-Simulation „Fifa 2017“ und das Kriegsspiel „Battlefield 1“ waren 2016 die meistverkauften Spiele. „Fifa 2017“ ging allein in Deutschland über eine Million Mal über die Ladentheke. Das zweitplatzierte „Battlefield 1“ verkaufte sich mehr als 500.000-mal.

Das Problem für die deutsche Games-Wirtschaft: Beide Spiele stammen aus den Studios von Electronic Arts (EA), dem Weltmarktführer bei Computerspielen aus den USA. Während dort die Spielebranche floriert, ging hierzulande die Anzahl der Beschäftigten in der Computer- und Videospiel-Branche in den vergangenen zwölf Monaten um 13 Prozent zurück.

Als Beitrag zur Förderung innovativer Computer- und Videospiele „Made in Germany“ versteht sich daher auch der am Mittwoch in Berlin verliehene Deutsche Computerspielpreis, der vom Bundesverkehrsministerium unterstützt wird. Den mit 110.000 Euro dotierten Preis für das beste deutsche Spiel heimste das Action-Rollenspiel „Portal Knights“ von Keen Games in Frankfurt am Main ein.

Branche beschäftigt nur noch 11.140 Mitarbeiter

Solche Erfolge braucht die deutsche Branche dringend. Denn waren 2016 noch 12.839 Menschen mit der Entwicklung und dem Verlegen von Games in Deutschland beschäftigt, beträgt ihre Anzahl 2017 bis dato nur noch 11.140. Als Zeichen des Niedergangs versteht die Branche dies allerdings nicht. „Das Bedürfnis in Deutschland, Spiele zu entwickeln, ist trotz der aktuell schwierigen Lage ungebrochen“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU).

„Die Rahmenbedingungen in Deutschland zur Entwicklung von Games sind im internationalen Vergleich sehr schwierig. Daher mussten einige der größten Games-Entwickler hierzulande in den vergangenen Monaten Arbeitsplätze abbauen.“

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    Andere Länder erkannten Relevanz von Spielen früher

    Deutschland habe als Entwicklungsstandort in den vergangenen Jahren zusehends Marktanteile eingebüßt. „Nur sechs Prozent des Umsatzes hierzulande werden mit Spielentwicklungen aus Deutschland gemacht. Auf dem internationalen Markt ist unser Anteil sogar noch geringer. Damit liegen wir deutlich unter unserem Potenzial.“

    Für 2016 aber spricht der BIU von einem „herausfordernden Jahr“: „Deutschland droht als Entwicklungsstandort für Computer- und Videospiele international zusehends abgehängt zu werden“, sagt Falk. „Wir müssen dringend die Rahmenbedingungen verbessern, wenn wir international nicht nur als Absatzmarkt eine Rolle spielen wollen.“ In anderen Ländern wie Kanada, Frankreich und Polen sei die wirtschaftliche Relevanz von Computer- und Videospielen deutlich früher erkannt und die Branche systematisch unterstützt worden. In diesen Ländern hätten sich zahlreiche Spiele-Unternehmen angesiedelt, viele neue Arbeitsplätze für Games-Fachkräfte seien entstanden.

    Deutsche Entwickler haben die Spiele-Industrie mitgeprägt

    In der Vergangenheit haben deutsche Entwickler mit kreativen Spielen die Spiele-Industrie mitgeprägt. Da war etwa 1991 das legendäre Strategiespiel „Battle Isle“ des mittlerweile vom französischen Ubisoft-Konzern übernommenen Mülheimer Herstellers Blue Byte, der zwei Jahre später mit der wuseligen Aufbausimulation „Die Siedler“ ein wegweisendes Warensystem in einem Spiel erfand.

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      Mit dem Start der „Anno“-Reihe gelang Related Designs/Blue Byte ab 1998 eine bis heute erfolgreiche Wirtschaftssimulation, bei der es um den Aufbau einer wohlhabenden Stadt in inselreichen Regionen geht. Der letzte Ableger, „Anno 2205“, entführt die Spieler gar ins Weltall. Als weltweiter Erfolg aus Deutschland gilt zudem die ab 2004 von den Yerli-Brüdern entwickelte Ego-Shooter-Reihe „Far Cry“, die besonders durch grafische Effekte heraussticht.

      Wie die Übernahme von Blue Byte durch Ubisoft zeigt, sind deutsche Entwickler für die Großen der Branche durchaus interessant. Dass Spielehersteller wie Sony, Ubisoft und EA seit Jahren hierzulande Niederlassungen unterhalten und auch mit deutschen Entwicklungsfirmen zusammenarbeiten, hängt aber vorrangig mit der Attraktivität von Deutschland als Absatzmarkt zusammen.

      Mehr Umsatz durch den Verkauf virtueller Güter

      Dass es unter den Großen der Branche keinen deutschen Spielehersteller gibt, kann am Markt selbst nicht liegen. Denn der brummt. Browser-, Konsolen- und PC-Spiele erzielten laut PricewaterhouseCoopers (PwC) 2016 einen weltweiten Umsatz von knapp 72 Milliarden Dollar. Im Jahr 2020 soll sich dieser Umsatz auf rund 85 Milliarden Dollar belaufen. Seit 2011 wachsen die Umsätze im Games-Segment stetig an, auch befeuert durch neue Apps, Abonnements und dem Wachstum bei „virtuellen Gütern“.

      Die Hersteller gehen hier trickreich vor: Wer gegenüber seinen Mitspielern ins Hintertreffen gerät, dem scheint die Aussicht auf bessere „Zauberkraft“ oder „Waffen“ verlockend – doch diese kostet nicht virtuelles, sondern zunehmend echtes Geld. Dieses Geschäftsmodell funktioniert auch im deutschen Markt. Nach Berechnungen des GfK Consumer Panels lag er 2015 wie 2016 bei rund 2,9 Milliarden Euro.