Berlin. Nach den USA beklagt nun auch der IWF die hohen deutschen Exportüberschüsse. Die Bundesregierung verweist auf die Regeln des Marktes.

Wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble am heutigen Mittwoch zum Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Washington reist, weiß er, welches Thema dort oben auf der Agenda der jährlichen Frühjahrstagung steht: die hohen deutschen Exporte in alle Welt.

Seit Jahren schickt Deutschland mehr Waren in die Welt als es aus anderen Ländern importiert. Die Kritik an diesem Bilanzüberschuss gibt es schon lange, vor allem die Amerikaner regen sich darüber auf. Bisher konnte Schäuble (CDU) das Thema freundlich weglächeln.

Doch seit der US-Präsident Donald Trump heißt und den Handel blockieren will, ist die Lage ernst. Trump meint, deutsche Exporte würden amerikanische Jobs bedrohen. Und: Auch aus Europa kommt nun scharfe Kritik. Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron etwa hat im Interview mit dieser Redaktion Deutschlands wirtschaftliche Stärke als „nicht tragbar“ kritisiert. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde meint: Deutschlands Exportüberschuss ist zu hoch.

Die Deutschen geben Nachhilfe in Wirtschaftspolitik

Der US-Finanzminister Steven Mnuchin.
Der US-Finanzminister Steven Mnuchin. © dpa | Franziska Kraufmann

Schäuble hat sich deshalb intensiver als bisher auf seine Gespräche zum Dauerthema Exportüberschuss vorbereitet. Seine Beamten haben mit ihren Kollegen aus dem Bundeswirtschaftsministerium ein Arbeitspapier geschrieben, in dem sie Ursachen und Wirkungen der hohen Exporte beschreiben – und wie sich der Zustand ändern ließe. Das Papier liegt dieser Redaktion vor. Es soll Schäubles US-Kollegen Steven Mnuchin überzeugen, dass die Lage nicht so schlecht ist, wie Trump denkt. Man kann den Text als Nachhilfestunde in Wirtschaftspolitik lesen.

Die wichtigste Botschaft: Deutschland ist zwar einer der wichtigsten Handelspartner der USA, betreibt aber selbst „keine eigenständige Handelspolitik“, denn das ist Sache der EU. Auch auf den niedrigen Euro-Kurs, der Exporte begünstigt, habe man keinen Einfluss, denn der werde durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflusst.

Ändern könne sich die Lage nur, wenn die EZB die Zinsen erhöhe: Wenn die Wirtschaft im Euro-Raum besser laufe, würde „eine geldpolitische Straffung“ den Euro-Kurs verändern und „zum Abbau des Leistungsbilanzsaldos beitragen“, schreiben die deutschen Beamten. Ein stärkerer Euro würde „automatisch den Handelsüberschuss verkleinern“.

Regierung verweist auf den Erfolg deutscher Produkte

Den eigentlichen Grund für die hohen Exporte sieht die Bundesregierung im Erfolg deutscher Produkte: Die große Nachfrage danach sei „das Ergebnis von Entscheidungen von privaten Verbrauchern und Unternehmen auf den Weltmärkten.“ Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik könne wenig daran ändern. Umgekehrt sei es Sache der Länder, deren Wirtschaft mit hohen Importen kämpfe, „die notwendigen Anpassungen zu unterstützen“.

Das soll Trump und seine Regierung – aber auch Euro-Länder – darauf hinweisen, die Schuld für eine schlecht laufende Wirtschaft nicht nur bei anderen zu suchen. Tatsächlich übt der Franzose

Der Chefvolkswirt des IWF, Maurice Obstfeld, übte deutliche Kritik an den USA.
Der Chefvolkswirt des IWF, Maurice Obstfeld, übte deutliche Kritik an den USA. © dpa | Shawn Thew

Macron nicht nur Kritik an Deutschland, sondern räumt selbstkritisch Reformbedarf im eigenen Land ein. Und auch in Deutschland ist längst nicht alles gut: Die deutschen Wirtschaftsverbände, die reflexartig jede Kritik an ihren Exporten zurückweisen, forderten gestern mehr Investitionen, dadurch würden Importe gestärkt. Mehr Investitionen lautet auch die Empfehlung von IWF-Chefin Lagarde: Deutschland sei ja schon dabei, mehr zu investieren, sagt sie, „aber das ist ein langsamer Prozess“ und die Bundesregierung könne und müsse mehr tun.

IWF sieht Risiken für die Weltwirtschaft

Der Chefvolkswirt des IWF, Maurice Obstfeld, übte am Dienstag bei der Vorlage der neuen weltweiten Konjunkturprognose deutliche Kritik an den USA. Gerade Trumps Pläne, den Handel zu beschränken, könnten weltweiten Schaden anrichten. Trotz der Risiken werde die globale Wirtschaftsleistung dieses Jahr aber um 3,5 Prozent wachsen – etwas mehr als bisher erwartet. Auch für Deutschland sagt der IWF ein leicht höheres Plus von 1,6 Prozent voraus.