Berlin. Der Bundesrat hat überraschend grünes Licht für die umstrittene Infrastrukturabgabe gegeben. Was bedeutet das nun für die Autofahrer?

Die Maut für alle Pkw-Fahrer kommt jetzt also doch. Der Bundesrat winkte das umstrittene Gesetz am Freitag überraschend durch. Obwohl eine Reihe von Bundesländern, vor allem die mit Außengrenzen wie NRW, Brandenburg und Niedersachsen, noch Sonderregelungen für grenznahe Regionen verlangt hatten, kam in der Länderkammer keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande.

Das rot-rot-grün regierte Thüringen hatte am Ende einen Rückzieher gemacht. CSU-Chef Horst Seehofer triumphierte: „Wir Deutsche zahlen in fast allen Ländern der Europäischen Union, und deshalb war es auch notwendig, dass wir auch für die Benutzung unserer Autobahnen eine Maut erheben.“

Wann geht es los?

Frühestens 2019. Mit diesem Termin plant bislang Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), es kann aber auch länger dauern. Dobrindt muss jetzt erst eine europaweite Ausschreibung für den künftigen privaten Betreiber des Maut-Erhebungssystems starten. Geplant ist zur Kontrolle der „Infrastrukturabgabe“ ein System von Automaten und Kameras, das die Nummernschilder jedes Pkw erfasst und mit Daten des Kraftfahrtbundesamtes abgleichen kann. Auftragsvergabe und später das Erteilen der Betriebsgenehmigung werden viele Monate dauern.

Was kostet es die Autofahrer?

Im Schnitt kostet die Maut 67 Euro, maximal 130 Euro.
Im Schnitt kostet die Maut 67 Euro, maximal 130 Euro. © dpa | Stefan Sauer

Inländische Autofahrer zahlen unterm Strich nichts. Sie müssen zwar für die Autobahnen und das Bundesstraßen-Netz eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird – je nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors. Im Schnitt kostet sie 67 Euro, maximal 130 Euro. Doch durch eine geringere Kfz-Steuer sollen alle Inländer wieder komplett entlastet werden. Bei besonders sauberen Autos (Euro 6) soll die Steuer sogar stärker sinken als der Mautbetrag. Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut für die Nutzung von Autobahnen auch zwei Kurzzeittarife für zehn oder 60 Tage je nach Motoreigenschaften: Die Preise reichen von 2,50 bis 50 Euro.

Sind Ausnahmen geplant?

Ja. Für Motorräder, Elektroautos, Autos von Behinderten und Krankenwagen wird keine Abgabe fällig. Mautpflichtig sind Wohnmobile. Besitzer von Oldtimern müssen den Höchstsatz von 130 Euro pro Jahr zahlen. Begründung des Verkehrsministeriums: der hohe Schadstoffausstoß.

Droht Mautsündern eine Strafe?

Ja. Wer keine Maut gezahlt hat und erwischt wird, muss zahlen. Wie viel ist noch unklar. Das Bußgeld soll auch im Ausland eingetrieben werden.

Was soll die Maut einbringen?

Pro Jahr soll die Pkw-Maut dem Staat etwa 500 Millionen Euro netto in die Kassen spülen, so die Rechnung des Verkehrsministeriums. Das Geld soll für den Straßenbau verwendet werden. Es ist allerdings umstritten, ob die Maut tatsächlich Einnahmen bringt. So sagt etwa der ADAC, die Maut sei ein Minusgeschäft: Laut einer vom Automobilclub in Auftrag gegebenen Studie muss der Bund im ersten Jahr 147 Millionen Euro drauflegen. Im Jahr 2023 soll die Belastung für den Bundeshaushalt schon bei 251 Millionen Euro liegen. Die Kosten für Einführung und den laufenden Betrieb des Mautsystems sollen die Einnahmen übersteigen.

Was empört die Nachbarländer?

Sie kritisieren, die Maut diskriminiere ihre Bürger bei Autoreisen nach Deutschland – denn nur Ausländer müssten ja unterm Strich etwas bezahlen. Österreich kündigte am Freitag bereits eine „zeitnahe“ Klage gegen die „Ausländermaut“ vor dem Europäischen Gerichtshof an. Auch die Niederlande drohen bereits mit einer Klage.

Kommt die Maut nicht verspätet?

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Maut durchgeboxt.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Maut durchgeboxt. © dpa | Michael Kappeler

Eindeutig ja. Die Verzögerung hat mehrere Gründe. Weil die CSU-Idee einer Pkw-Maut von Anfang an umstritten war, brauchte Dobrindt nach der Wahl einige Zeit, um überhaupt ein belastbares Modell auf den Weg zu bringen, das in der Koalition auch von CDU und SPD unterstützt wird. Im Mai 2015 war es geschafft, die Maut stand im Gesetzblatt. Aber kurz darauf leitete die EU-Kommission ein Verfahren ein: Sie klagte, die Maut verstoße gegen EU-Recht, weil ausländische Autofahrer diskriminiert würden. Ende 2016 einigte sich Dobrindt mit der Kommission auf Nachbesserungen – mehr Kurzzeit-Preisstufen für Ausländer, höhere Entlastung für besonders schadstoffarme Pkw. Im Vorfeld der Bundesratssitzung gab es zwar noch einmal Debatten unter den Ländern. Aber seit Freitag ist auch das geänderte Gesetz beschlossen.

Was sagt die Opposition?

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte: „Diese Maut ist schlecht für Europa.“ Die Grünen wollen die Abgabe in der nächsten Legislaturperiode stoppen. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hatte zuvor von einem „Schildbürgerstreich“ gesprochen.