Stockholm. Ehemalige Mitarbeiter des finnischen Konzerns Nokia treiben den Neustart voran. Damit könnte eine Traditionsmarke wieder auferstehen.

Es ist lange her – ungefähr zur Jahrtausendwende muss es gewesen sein –, seit Nokia so positiv im Gespräch war wie gerade auf der Mobilfunkmesse in Barcelona. Der finnische Anbieter HMD Global – und mit ihm ehemalige Mitarbeiter des ehemaligen Handygiganten – sorgte dort mit einer aufgefrischten Version des Handyklassikers Nokia 3310 für Furore. Das hat zwar kein Internet, lockt aber mit dem Spiel „Snake“, einer Akkulaufzeit von 30 Tagen – und viel Nostalgie.

Der Werbegag brachte viel Aufmerksamkeit. Aber auch die neuen Nokia-Android-Smartphones N3, N5 und N6 wurden in der Fachpresse wohlwollend als „Preis-Leistungs-Kracher“ gelobt. Bei der Markteinführung in China soll das N6 nach 23 Sekunden ausverkauft gewesen sein. „Jeder scheint unsere Freude über das nächste Nokia-Kapitel zu teilen“, frohlockt Firmenchef und Nokia-Veteran Arto Nummela. Im Juni soll laut jüngsten Gerüchten das Nokia-Flaggschiff N8 vorgestellt werden – und zur Auferstehung des einstigen Handyriesen beitragen.

Nokia war 15 Jahre lang unangefochten Marktführer

Noch heute zerbrechen sich Analysten die Köpfe, wie alles so unglaublich schieflaufen konnte bei Nokia. Der Konzern war fast 15 Jahre unangefochten Marktführer mit enormer Kriegskasse und scheinbar unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten. Der im finnischen Espoo unweit der Hauptstadt Helsinki ansässige Konzern begann 1865 als Papierhersteller. Weil eine Papierzellstofffabrik in der Nähe der Stadt Nokia lag, bekam der Konzern später den Namen. Es folgten viele weitere Produkte: Reifen, Gummistiefel, Fernseher.

Das erste Handy – mit der Nummer 1011 – kam 1992 auf den Markt. Schon 1998 verdrängten die Finnen Handypionier Motorola von der Weltspitze. Es folgte ein rasanter Aufstieg bis zu einem Mobiltelefon-Marktanteil von 41 Prozent im Jahr 2007. In jenem Jahr stellte Apple sein erstes, damals noch belächeltes iPhone vor. Mit dem Siegeszug der Smartphones brach der Markt für gewöhnliche Handys zunehmend weg. Davon erholte sich Nokias Mobiltelefon-Geschäft nicht. 2013 zogen die Finnen die Reißleine und verkauften die Sparte für 5,44 Milliarden Euro an Microsoft.

Für Finnland war es ein Trauma. Nokia selbst ist seitdem fast nur noch im Netzwerkgeschäft tätig und nutzte das frische Geld für Zukäufe in diesem Bereich.

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    Absturz auf einen Wert von 350 Millionen Dollar

    2016 verkaufte Microsoft die Sparte der einfachen Nokia-Handys und das Nutzungsrecht für den Markennamen für nur noch 350 Millionen Dollar. Käufer waren die finnische Firma HMD Global und der taiwanesische Auftragshersteller Foxconn. HMD Global darf zehn Jahre lang Smartphones und Tablets unter der Marke Nokia vertreiben und will in den kommenden drei Jahren 500 Millionen Dollar in das Geschäft investieren. Foxconn wiederum hat Nokia-Handyfabriken von Microsoft übernommen und steht unter anderem hinter der Fertigung der neuen Handys.

    Die Verbindungen zum Nokia-Konzern sind dabei immer noch eng: HMD Global wird von einigen seiner ehemalige Manager geführt. „Die sind noch immer sauer über den Fall von Nokia und wollen es nun besser machen“, sagt Elias Nordling vom schwedischen Fachmagazin „Mobil“. Seinen Hauptsitz hat HMD Global direkt gegenüber dem Netzwerkbetreiber Nokia. Der investiert nach eigenen Angaben nicht in die neue Firma, vergibt jedoch notwendige Patent-Lizenzen. Zudem ist der Netzwerkbetreiber im HMD-Global-Aufsichtsrat vertreten.

    Foxconn ist der Riese in dem Zusammenschluss

    Welche Investoren hinter dem gemeinsamen Projekt von HMD Global und Foxconn stehen, ist bisher nicht bekannt. Foxconn ist mit weltweit über 1,3 Millionen Angestellten und Aufraggebern wie Apple allerdings das Schwergewicht in der Allianz. Die ungewöhnlich lose Unternehmensstruktur zwischen den Partnern soll zudem flexibel machen. Über Unbeweglichkeit ist der Koloss Nokia schließlich einst gefallen.

    Derzeit besteht das Kerngeschäft für HMD Global bei einfachen 2G-Handys in Entwicklungsländern. Obwohl die Verkaufszahlen stetig sinken, werden noch immer gewaltige Mengen davon verkauft. Die neuen Nokia-Handy-Hersteller hoffen nun darauf, mitzumischen, wenn preiswerte Smartphones auch in Entwicklungsländern die einfachen Mobiltelefone ablösen. Der gute Name des einstigen Schwergewichts soll dabei helfen. HMD Global gibt sich siegesgewiss. Man werde vor allem im Preis und der Batterieleistung konkurrieren können, sagt das Unternehmen.

    Auch Experte Nordling hält den Nokia-Relaunch für durchdacht: „Es ist ein ernsthafter Versuch mit guten, aber preiswerten Telefonen.“ Dass Nokia wieder die gewaltigen Marktanteile von einst zurückgewinnt und es bis auf Augenhöhe mit Samsung oder Apple schafft, hält derzeit jedoch kein Experte für wahrscheinlich.