Berlin. Die Internationale Energieagentur warnt vor einem Engpass beim Öl – und fordert Investitionen in die Förderung der fossilen Ressource.

Energie ist die Lebensader der industrialisierten Welt. Doch wenn diese von Energie spricht, dann meint sie zumeist fossile Ressourcen wie Öl. Doch wie viel Rohöl ist noch da? Tun die Konzerne und Ölförderstaaten genug, um das schwarze Gold aus dem Boden zu fördern? Die Internationale Energieagentur (IEA) hegt daran derzeit Zweifel. In ihrer Fünf-Jahres-Prognose mahnt die IEA weltweite Investitionen in die Ölförderung an, damit die Nachfrage auch nach 2022 erfüllt werden kann und kein Angebotsengpass droht.

Für die kommenden drei Jahre sieht die Lage zwar noch komfortabel aus, heißt es in dem neuen Bericht „Oil 2017“. Doch wenn weltweit nicht wieder mehr in die Förderung investiert werde, drohe eine Ära schwankender und sprunghaft steigender Preise. „Dies ist keine Zeit für Selbstzufriedenheit“, warnt IEA-Chef Fatih Birol.

Ölnachfrage dürfte bis 2022 weiter steigen

Die Mahnung wird unter Ölexperten als Reaktion auf die Ankündigungen mehrerer Ölkonzerne gewertet, die ihre Investitionen deutlich zurückgeschraubt haben. Angesichts der aktuell vergleichsweise niedrigen Rohölpreise am Weltmarkt sind bei fast allen Energiekonzernen die Gewinne deutlich gesunken, manche mussten sogar Verluste ausweisen. Entsprechend drosselten die Konzernchefs reihenweise ihre Ausgaben für die nächsten Jahre, bauten Personal ab, um Kosten zu sparen. Diese fehlenden Investitionen könnten mittelfristig zu Preiskapriolen führen.

Aus Sicht der IEA wird die Ölnachfrage bis 2022 weiter auf 104 Millionen Barrel pro Tag steigen, nach 100 Millionen Barrel im Jahr 2019. Die größte Nachfrage komme aus Entwicklungsländern und Asien – wobei Indien an China vorbeiziehen dürfte. Alternative Energien und Elektroautos würden den Ölbedarf zwar senken, allerdings schätzt die IEA diese Reduzierung bis 2022 als noch sehr begrenzt ein.

Wie viel Öl gibt es noch?

Die Rohölvorkommen sind gigantisch. Aktuell lagern unter der Erdoberfläche etwa 2,6 Billionen Barrel Öl. Diese Menge reicht, um den Ölbedarf der Welt bis zum Jahr 2050 zweimal zu stillen, wie der Ölkonzern BP in seinem „Energy Outlook“ berechnet hat. Allerdings ist auch dies nur eine Momentaufnahme.

Möglicherweise schlummern unter der Erdkruste noch viel mehr unentdeckte Vorkommen, die gefördert werden könnten. So stiegen die Schätzungen der Reserven deutlich, als die Förderung von Öl in Schiefergestein durch sogenanntes Fracking möglich wurde. Dem technischen Fortschritt ist es zu verdanken, dass immer mehr Ölreserven erschlossen werden können.

„Das Öl geht uns nicht aus. Die Förderung ist nur eine Frage des Preises“, sagt der Energieexperte des Energieinformationsdienstes (EID), Rainer Wiek, dieser Redaktion. Auch der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands, Christian Küchen, hält nach den aktuellen Prognosen die Erdölversorgung in diesem Jahrhundert für gesichert: „Der Ölbedarf bis 2050 liegt bei voraussichtlich rund 1,2 Billionen Barrel. Hinzu kommen hohe Ölreserven im Boden, deren Produktion zwar aktuell nicht lohnt, die aber bei höheren Ölpreisen auch förderbar sind.“

Warum ist der Ölpreis so niedrig?

Ein deutliches Zeichen der derzeit guten Ölversorgung ist der Preis. Nach den Höchstständen zwischen 2012 und 2014 haben sich die Preise fast halbiert. Wurden damals in der Spitze 109 Dollar je Barrel (159 Liter) fällig, sind es aktuell rund 55 Dollar. Auch Autofahrer spüren die Entlastung: Zahlten sie 2012 für den Liter Super 1,64 Euro sind es jetzt noch im Schnitt 1,38 Euro. Diesel kostete damals sogar im Schnitt 40 Cent mehr.

Ein Grund für die gefallenen Rohölpreise ist unter anderem die starke Schieferölförderung in den USA. Mittlerweile hat die Opec ihre Fördermenge gedrosselt. Dies hat den Abwärtstrend gestoppt, aber nicht zu einem deutlichen Preisanstieg geführt.

Wer profitiert von niedrigen Ölpreisen?

Die deutsche Wirtschaft und damit auch die Verbraucher mussten 2016 deutlich weniger für Rohölimporte ausgeben. Die Kosten verringerten sich gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Milliarden Euro auf 26,1 Milliarden Euro, so das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Der Grund: Der Importpreis für Rohöl sank 2016 gegenüber dem Vorjahr um 19,4 Prozent auf 286,50 Euro je Tonne.

Wie werden sich die Preise entwickeln?

Der Chef des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV) Küchen ist zuversichtlich: „Die langfristigen Perspektiven für bezahlbare Benzin-, Diesel- und auch Heizölpreise sind sehr gut.“ Zudem müsse jeder wissen, dass sich nur rund ein Drittel des Benzin- und Dieselpreises hierzulande frei am Markt bildet.

„Der größte Teil in Deutschland sind Steuern“, so Küchen. „Daher schwankt der Kraftstoffpreis prozentual deutlich weniger als der Rohölpreis.“ Auch der EID-Energieexperte Wiek erwartet für 2017 angesichts gut gefüllter Öllager „stabile Preise“.

Woher bezieht Deutschland Öl?

Insgesamt führt Deutschland sein Rohöl aus mehr als 30 verschiedenen Ländern ein. Die größte Menge importierte die Bundesrepublik 2016 aus Russland (39,6 Prozent). Norwegen und Großbritannien folgen mit zusammen 22,2 Prozent auf den Plätzen zwei und drei. Weitere bedeutende Lieferländer sind Kasachstan (9,2 Prozent) und Aserbaidschan (5,6 Prozent). Diese fünf Länder liefern damit mehr als drei Viertel der deutschen Importe.

Wem nutzen höhere Ölpreise?

Hohe Preise nutzen vor allem den Erdölproduzenten. Viele Länder leiden unter den stark gesunkenen Einnahmen. Betroffen sind unter anderem Venezuela, Saudi-Arabien, der Iran und Irak. Der niedrige Ölpreis kann auch eine Gefahr für die Stabilität sein. So droht Venezuela – nicht zuletzt wegen der fehlenden Öleinnahmen – in Armut und politischem Chaos zu versinken.