Berlin. Der Frauenanteil in Vorständen von mittelständischen Unternehmen ist nach einer Studie deutlich höher als in bösennotierten Konzernen.

Die Kleinen machen es den Großen vor. Deutsche Mittelstandsunternehmen können deutlich mehr Frauen in Führungspositionen vorweisen als Konzerne. Rund jede fünfte mittelständische Firma wird derzeit von einer Chefin geführt. Der Frauenanteil in den Führungsetagen liegt im Schnitt bei 18 Prozent. Das entspricht einer Steigerung von zwei Prozentpunkten innerhalb von zwei Jahren. Der deutsche Mittelstand liegt damit vor den Dax-Konzernen, bei denen der Frauenanteil in Führungspositionen im Schnitt nur elf Prozent beträgt.

Dies ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young (EY Deutschland), für das 3000 Unternehmen befragt wurden, die zwischen 30 und 2000 Mitarbeiter beschäftigen. Auch der Anteil der Firmen, die ausschließlich von Männern geführt werden, ist in den vergangenen zwei Jahren von 38 auf 35 Prozent gesunken.

Bundeswirtschaftsministerin Zypries lobt Mittelstand

„Der Mittelstand hat die Qualitäten weiblicher Führungskräfte bereits erkannt“, sagt Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) dieser Zeitung. „Viele starke und kompetente Frauen leisten dort erfolgreiche Arbeit und sichern Arbeitsplätze für andere.“

Kleine und mittelständische Unternehmen bieten große Chancen für Frauen, ist auch Stephanie Bschorr, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen überzeugt. „Die inhabergeführten Unternehmen finden in der Regel flexible Lösungen für Arbeitszeitmodelle und haben ein zentrales Interesse an qualifizierten Frauen angesichts des fortschreitenden Fachkräftemangels“, meint Bschorr, die als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Berliner HTG Wirtschaftsprüfung GmbH rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Auch die Untersuchung bestätigt, dass die meisten Firmen weibliche Führungskräfte hauptsächlich durch flexible Arbeitszeitmodelle fördern. An zweiter Stelle stehen spezielle Trainings und Fortbildungen für Frauen.

Jedes dritte Unternehmen wird von Frauen gegründet

Bei kleineren Firmen mit einem Umsatz von bis zu 30 Millionen Euro ist der Frauenanteil in den Führungsetagen im Schnitt mit 20 Prozent besonders hoch. Dabei setzen Dienstleistungsunternehmen am häufigsten weibliche Führungskräfte ein, gefolgt von den Branchen Transport und Verkehr, Chemie, Ernährung, Handel und Kraftfahrzeugbau.

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    Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, bestätigt, dass die deutsche Wirtschaft „weiblicher“ wird. Sie weiß aber auch, warum davon vornehmlich kleinere Firmen betroffen sind: „Dieser Effekt entsteht hauptsächlich durch Neugründungen. Wir haben in den vergangenen Jahren eine Gründungswelle erlebt, sodass inzwischen jedes dritte neue Unternehmen von einer Frau auf den Weg gebracht wird.“ In Bezug auf Vorstandspositionen sieht Große-Leege jedoch bei großen Unternehmen weiterhin „deutlichen Nachholbedarf“. Während der Anteil der mittelständischen Unternehmen, die mindestens eine Frau zu ihrer Geschäftsführung oder ihrem Vorstand zählen, bei 65 Prozent liegt, sind es bei Dax-Unternehmen nur 57 Prozent.

    Frauenanteil in Ostdeutschland vergleichsweise hoch

    Als vorbildlich unter den großen Unternehmen mit mehreren Zehntausend Mitarbeitern bezeichnet Große-Leege den Software-Hersteller SAP: „SAP als große Firma hat einen hohen Frauenanteil auch unter Führungskräften und setzt sich generell für Diversität ein.“ Unterschiede in Bezug auf die Frauenquote sind nicht nur zwischen mittelständischen und Dax-Unternehmen sichtbar, sondern auch unter den Regionen.

    Vor allem in Ostdeutschland sind Frauen häufiger als im Bundesschnitt in Chefetagen vertreten. Den höchsten Anteil weiblicher Führungskräfte mit 25 Prozent verzeichnet Brandenburg, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 22 Prozent und Sachsen mit 21 Prozent. In Berlin liegt der Anteil bei 18 Prozent. In Bayern beträgt der Führungsanteil von Frauen 20 Prozent.

    Nur wenige beklagen Mangel an Fachkräften

    In diesen Bundesländern geben die Unternehmen auch am häufigsten an, Frauen aktiv zu fördern. Grundsätzlich ist aktive Frauenförderung aber vor allem Sache von größeren Unternehmen mit Umsätzen von mehr als 100 Millionen Euro, so die Studie. Dagegen hat sich nur jeder sechste Mittelständler diese Aufgabe auferlegt. Unterdurchschnittlich sind Frauen wiederum in Hamburg und Nordrhein-Westfalen vertreten. Schlusslicht bildet wiederum der Stadtstaat Bremen, wo lediglich zwölf Prozent der Führungsposten mit Frauen besetzt sind.

    Dass der Frauenanteil in den Chefetagen auch bei den Mittelständlern noch deutlich unter dem der männlichen Führungskräfte liegt, hat der Studie zufolge nichts mit der Qualifikation der infrage kommenden Mitarbeiter zu tun. Mehr als sieben von zehn befragten Unternehmen sagen, sie hätten keine Schwierigkeiten, geeignete weibliche Fachkräfte zu rekrutieren. Vor allem in der Ernährungsindustrie gibt es demzufolge ausreichend weibliche Fachkräfte. Nur in den traditionell männlich dominierten Branchen wie der Bauwirtschaft und im Kraftfahrzeugbau wird der Mangel an weiblichem Fachpersonal häufiger beklagt.