Shenzhen. Bei Netzwerktechnik ist Huawei weltweit Spitze. Bei Smartphones greifen die Chinesen jetzt die beiden Marktführer richtig an.

Dutzende zumeist junge Männer und Frauen in schäbigen Overalls stehen vor dem Eingangstor einer Fabrikhalle. Ein Straßenhändler verkauft ihnen von seinem Karren aus Bratreis in Styroporschachteln. Die Halle gehört zu Foxconn, der Firma, die im Auftrag unter anderem von Apple iPhones zusammenschraubt.

Einige Kilometer entfernt ein völlig anderes Bild: Eine mehrspurige Straße führt zu einem gigantischen Firmengelände. Zwischen Palmen und geschnittenen Sträuchern stehen gläserne Bauten mit Büros und Labore. An einem Bürohochhaus prangt das Logo von Huawei.

Huawai-Gelände ist moderner Campus

Während die Hallen von Foxconn noch immer an die schäbigen Fabriken von vor zehn Jahren erinnern, als in der südchinesischen Stadt Shenzhen Hunderttausende Wanderarbeiter Plastikspielzeug und Sportschuhe produzierten, sieht das Gelände von Huawei aus wie ein moderner Campus. „Das sind wir auch“, sagt Roland Sladek, stellvertretender Kommunikationschef für den chinesischen Konzern. Über 80.000 der weltweit insgesamt 180.000 Mitarbeiter seien in der Forschung und Entwicklung tätig.

Huawei wird in China als Vorzeigeunternehmen gefeiert. 1987 gegründet, produziert es heute ein Drittel der weltweiten Netzwerktechnik. Quasi überall da, wo neue Leitungen verlegt werden, ist Huawei dabei. Auch in Deutschland, etwa beim Ausbau des schnellen LTE-Funknetzes.

Diese Sparte macht weiter den größten Teil des Geschäfts aus. Doch seit einigen Jahren ist Huawei auch mit Smartphones erfolgreich. Beim Mobile World Congress in Barcelona, der führenden Leitmesse für Mobilgeräte, hat Huawei gerade sein neues Oberklasse-Smartphone der Öffentlichkeit vorgestellt: das P10. Ausgestattet mit einem neuen hauseigenen Prozessor, wird es wohl schneller sein als jedes bisherige iPhone. In Technikforen wird das P10 als „Highlight“ gefeiert. Mit diesem Gerät dürfte Huawei seinen dritten Platz hinter Samsung (Südkorea) und Apple (USA) mindestens behaupten.

Gründer war Techniker der Volksbefreiungsarmee

Der Mobile World Congress ist die größte Mobilfunk-Messe in Europa.
Der Mobile World Congress ist die größte Mobilfunk-Messe in Europa. © REUTERS | PAUL HANNA

Für manche deutschen Konsumenten mag es noch ungewöhnlich erscheinen, dass ausgerechnet eine chinesische Marke unter den Topsmartphones rangiert – zumal Huawei-Geräte bis vor Kurzem unter fremden Namen verkauft wurden. Mobilfunkanbieter wie T-Mobile oder Vodafone hatten ihre Logos auf den Huawei-Geräten platziert. Doch seit einigen Jahren reicht es Huawei nicht mehr, nur Smartphones für Fremdanbieter herzustellen.

Um sich einen eigenen Namen zu machen, seien Premiummodelle nötig, sagte sich 2010 Richard Yu, Chefstratege des Konzerns. Seitdem kommt alle halbe Jahre ein neues Modell im Topsegment heraus. Zudem schmückt sich Huawei auch mit anderen Marken. Die 9er Reihe kommt mit Kameralinse, die das deutsche Unternehmen Leica mitentwickelt hat. Das Mate 9 gibt es auch in der Porsche-Design-Ausführung.

Gründer war Techniker der Volksbefreiungsarmee

Doch tolles Design reicht nicht aus, um sich als großer Technikkonzern auf dem Weltmarkt zu behaupten. Die Spitzentechnik muss sich fortlaufend mitentwickeln. Schon als Ren Zhengfei, ein ehemaliger Techniker der Volksbefreiungsarmee, vor 30 Jahren Huawei gründete, hatte er auf Forschung gesetzt.

Damals war das in China eher unüblich, hatten die Chinesen doch gerade begonnen, Billigelektronik nachzuahmen. Huawei beschäftigt bis heute vor allem Ingenieure, Informatiker und Vermarktungsexperten. Die Herstellung übernehmen wie bei Apple Auftragsfirmen.

Der Konzern gehört den Mitarbeitern

Zugute kommt Huawei auch die besondere Eigentümerstruktur: Während sich die Mehrzahl der chinesischen Großkonzerne in staatlicher Hand befindet und sie häufig politischen Entscheidungen ausgeliefert sind, ist der Telekommunikationsausrüster ein reines Privatunternehmen. Zugleich ist die Firma nicht börsennotiert, sondern gehört den Mitarbeitern.

Der Vorteil an diesem Geschäftsmodell: Anders als ein börsennotiertes Unternehmen steht die Firmenleitung nicht unter dem Druck, alle drei Monate exzellente Zahlen vorzulegen. Bei Huawei tüfteln die Ingenieure auch mal über mehrere Jahre hinweg, ohne eine Gewinnbilanz vorlegen zu müssen. Auch Grundlagenforschung leistet sich das Unternehmen.

USA fürchten den Einbau von Spionagetechnik

Die Militärvergangenheit des Firmengründers ist allerdings ein Problem. Als ehemaliger Ingenieur der chinesischen Volksbefreiungsarmee gilt Ren vor allem in den USA als verdächtig, Spionagetechnik in seine Geräte einbauen zu lassen, die sich der chinesische Staat zunutze machen könnte, so lautet zumindest der Vorwurf. Der Nachweis konnte nie erbracht werden. Dennoch hat sich Huawei vom US-Markt weitgehend zurückgezogen.

Im Rest der Welt ist Huawei erfolgreich: Bei Netzwerktechnik hat das Unternehmen die Konkurrenten Cisco und Ericsson abgehängt. 2016 konnte Huawei mit 74,8 Milliarden Dollar (71 Milliarden Euro) fast ein Drittel mehr umsetzen als 2015, davon mehr als zwei Drittel außerhalb Chinas. Noch vor einigen Jahren lächelte Konkurrent Samsung über die Geräte der Chinesen. „Mittlerweile ist den Mitbewerbern das Lachen im Halse stecken geblieben“, sagt Kommunikationschef Sladek.