Hannover. Die Krankheitswelle bei Tuifly-Piloten im Jahr 2016 war kein wilder Streik. Darum werden Kunden nach einem Gerichtsurteil entschädigt.

Erste Erfolge für geschädigte Fluggäste: Nach dem Chaos um ausgefallene und verspätete Flüge im vergangenen Herbst muss die Fluggesellschaft Tuifly zwei Klägern Entschädigungen zahlen, wie Richterin Catharina Erps am Mittwoch im Amtsgericht Hannover entschied.

Es sind die ersten von rund 700 Verfahren, die allein beim Amtsgericht gegen Tuifly und Tui als Veranstalter laufen. Beim größten Reisekonzern der Welt, zu dem Tuifly gehört, liegen bisher rund 800 Verfahren vor. Die Zahl steigt aber noch. In zwei Verfahren vor anderen Gerichten hatte jeweils der Konzern gewonnen.

Ausfälle kosteten Konzern bisher 22 Millionen Euro

Im Oktober vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass Tui seine Flugtochter Tuifly mit der österreichischen Niki, einem Unternehmen von Air Berlin, zu einem neuen Ferienflieger mit Sitz in Wien zusammenlegen wollte. Kurz darauf meldeten sich zahlreiche Piloten und Flugbegleiter in einer bisher beispiellosen Welle krank – an mehreren Tagen fielen Flüge aus. ­

Wegen vieler Krankmeldungen herrschte bei Tuifly im Oktober 2016 viel Stillstand.
Wegen vieler Krankmeldungen herrschte bei Tuifly im Oktober 2016 viel Stillstand. © dpa | Peter Steffen

Tui­fly versuchte, die Passagiere auf Maschinen der Konkurrenz umzubuchen, was nicht immer gelang. Tui musste rund 3000 Verträge für Reisen kündigen. Meist waren mehrere Reisende betroffen. Insgesamt kosteten die Ausfälle den Konzern bisher 22 Millionen Euro. Dazu kommen noch die Ausgaben für die Rechtsstreitigkeiten und die Entschädigungen. In Hannover wurden jetzt zunächst zwei Fälle verhandelt: Ein Rentnerpaar aus Bergisch Gladbach hat demnach Anspruch auf 800 Euro Entschädigung, weil ihr Rückflug von Kos nach Deutschland fast vier Stunden Verspätung hatte. Das Gericht bezog sich auf die Fluggastrechteverordnung der EU. Neben Zinsen muss Tuifly auch die Kosten des Rechtsstreits übernehmen.

Entscheidung mit „gewisser Signalwirkung“

Eine fünfköpfige Familie aus Celle bekommt statt der geforderten 4000 Euro von Tuifly allerdings nur 2000 Euro, weil ihre Reise ganz abgesagt wurde und sie sich damit nur eingeschränkt auf die EU-Fluggastrechteverordnung berufen konnte. Sie hat zudem gegen den Reiseveranstalter Tui geklagt und somit Chancen, auch den Restbetrag noch vor Gericht einzuklagen. Einer der Kläger-Anwälte der am Mittwoch entschiedenen Fälle, Paul Degott aus Hannover, betonte: „Die Entscheidungen haben eine gewisse Signalwirkung.“

Bisher wollte Tuifly die betroffenen Urlauber nicht auf Basis der Fluggastrechteverordnung entschädigen, weil es die Krankmeldungen von Crews im Oktober 2016 als wilden Streik wertete.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind Fluglinien bei einem Streik von Entschädigungszahlungen befreit. Richterin Erps dagegen sagte, es sei nicht hinlänglich bewiesen, dass es sich um einen wilden Streik gehandelt habe. Auch Reiserechtler wie Ronald Schmid vom Fluggastportal Fairplane sahen schon im Oktober Tuifly in der Pflicht. Eine Krankheitswelle sei deren Sache – außer, sie könne den wilden Streik nachweisen.

Entschädigung von bis zu 600 Euro

Bei einer mehr als dreistündigen Flugverspätung haben Reisende in der EU je nach Flugstrecke Anspruch auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Fluggesellschaft die Verzögerung zu verantworten hat. Wer gar nicht fliegen kann, obwohl er pünktlich am Abfertigungsschalter war, hat Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro.

Ein Sprecher von Tui Deutschland sagte, bei den beiden Entscheidungen des Amtsgerichtes in Hannover prüfe das Unternehmen, ob es in Berufung gehe. (dpa/art)