Berlin. Geldabheben mit Pin war gestern. Die modernen Geräte des Marktführers Diebold Nixdorf können eine ganze Bankfiliale ersetzen.

Karte rein, Pin und Geldbetrag eintippen, Karte raus, Geld entnehmen – Geldautomaten müssen vor allem eins: funktionieren. Die große meist graue Kiste ist allerdings oft noch ein Gerät von gestern, zumindest aus Sicht von Andy Mattes. Der Chef des deutsch-amerikanischen Konzerns Diebold Nixdorf arbeitet an der Zukunft: „Wir automatisieren die komplette Bankfiliale.“ Das hat Folgen für die Kunden weltweit.

Der klassische Geldautomat besteht im Prinzip aus drei Teilen: einem vollwertigen Computer, einem elektromechanischen Teil, der das Geld prüft und ausgibt und Geldkassetten in einem Safe. Mehr als drei Millionen sind weltweit installiert, mehr als ein Drittel stammt von Diebold Nixdorf.

Der Bankautomat ersetzt zunehmend das Personal

„Solche Automaten, aus denen ich nur Geld herausholen kann, werden immer seltener“, sagt Mattes, vor allem in Industrieländern. Das hat auch mit den Banken zu tun, die sich angesichts Online-Banking und Digitalisierung neu aufstellen müssen – nicht nur in Deutschland. Computer übernehmen viele Aufgaben, die bisher Personal erforderten. Eine der grundsätzlichen Fragen: Braucht eine Bank so viele Filialen wie bisher und was wird dort angeboten?

Die Deutsche Bank schließt zahlreiche Filialen und baut andere Standorte dafür aus.
Die Deutsche Bank schließt zahlreiche Filialen und baut andere Standorte dafür aus. © dpa | Boris Roessler

Die Deutsche Bank etwa schließt in diesem Jahr 188 der 723 Filialen und stattet die verbliebenen besser aus. Die Commerzbank will keine ihrer mehr als 1000 Filialen schließen, plant aber unterschiedlich umfangreiche Angebote, je nach Standort. Beide Institute probieren in Pilotfilialen Neues aus. Die Deutsche Bank etwa hat ihre gerade in der Berliner Friedrichstraße neu eröffnet – das Q110 ist auch auf den zweiten Blick nur schwer als Bankfiliale zu erkennen.

Filialen wie größere Espressobars

In Italien sind neue Filialkonzepte schon weiter verbreitet: „Einer unserer großen italienischen Kunden hat im ganzen Land nur noch etwa zwei Dutzend Kassenschalter in seinen Filialen“, sagt Mattes. „Und die sehen eigentlich eher aus wie etwas größere Espressobars.“ Das Geld lagere fast ausschließlich in den Automaten.

Die Automaten der Zukunft können Dokumente scannen, biometrische Daten erkennen, etwa Fingerabdrücke, berührungslos Daten erfassen, etwa vom Mobiltelefon. So lassen sich Bankgeschäfte auch ohne Bankkarte machen. Geld abheben läuft dann so: „Der Kunde bereitet die Transaktion auf seinem Smartphone vor, wischt mit dem Gerät über das Empfangsmodul des Automaten, nimmt sein Geld und kann gehen“, sagt Mattes. Kartendaten abzugreifen, wie beim Skimming, wo Ganoven den Magnetstreifen auslesen, ist so unmöglich.

Einfach und schnell soll es bei der Commerzbank sein

Wie schnell sich vollautomatische Filialen in Deutschland durchsetzen werden, ist ungewiss. Die Commerzbank zum Beispiel plant sie derzeit nicht – zu komplex, heißt es: „Uns ist es wichtig, dass die Benutzerführung an den Geräten einfach und schnell ist.“ Zusätzliche Funktionen am Automaten kann sich das Institut aber durchaus vorstellen.

Die Commerzbank will seine Filialen vorerst nicht komplett umbauen.
Die Commerzbank will seine Filialen vorerst nicht komplett umbauen. © REUTERS | RALPH ORLOWSKI

Vor allem in den USA geht der Trend offenbar zu den neuen Bankkiosken, die deutlich mehr können als klassische Automaten: „Bei den großen Banken in New York steigt die Zahl der Automaten, die alles anbieten, stetig. JP Morgan Chase hat in einer Analystenkonferenz kürzlich gesagt, dass sie inzwischen 60 Prozent der Prozesse automatisiert haben“, sagt Mattes.

„Banken können sich auf Beratung konzentrieren“

Für Anleger ist daran vor allem interessant, dass die Bank so Kosten spart: Die Zahl der Schaltermitarbeiter sinkt kräftig. „Im Gegenzug können sich die Banken auf etwas konzentrieren, was dem Kunden wirklich Mehrwert bringt und das die Maschinen nicht können: Beratung“, sagt der Diebold-Nixdorf-Chef.

Und für den Kunden werden auch viele Abläufe schneller. Beispiel Kreditkarte: „Wer heute eine Karte in der Filiale beantragt, bekommt sie meist erst nach ein paar Tagen per Post zugeschickt“, sagt Mattes. „Der Automat kann direkt vor Ort die Kreditwürdigkeit testen und dem Kunden die Karte gleich zur Verfügung stellen.“

Rechnung bezahlen per QR-Code-Scanner

Technisch geht einiges, aber braucht der Kunde die schöne neue Automatenwelt überhaupt? Konten eröffnet man schließlich nicht alle Tage, und auch einen Kleinkredit hat nicht jeder mehrmals pro Monat nötig. Überweisungen gehen praktisch auch Online, dafür muss niemand in eine Filiale. Oder vielleicht doch?

In Österreich ist Diebold Nixdorf gerade dabei, bei der Raiffeisenbank 1200 Automaten aufzustellen, die QR-Codes lesen können. Auf vielen Rechnungen dort sind diese Felder aufgedruckt. „Der Kunde kann den Code einfach am Automaten scannen, das Gerät erkennt die Daten und die Überweisung wird abgewickelt“, sagt der Konzernchef.

Und in der Schweiz suchen nach Aussage von Mattes vermehrt jene Menschen, die besonders viel mit dem Internet zu tun haben, Filialen auf und nutzen dort die Automaten für sichere Geschäftstransaktion. „Kunden wissen um die Gefahren des Hackens und dass die private Firewall nicht so sicher ist wie die der Bank.“

Extralange Schrauben zum Schutz vor Dieben mit Lasso und Pickup

Überhaupt die Sicherheit: Trotz des Trends hin zum Bankkiosk – der Geldautomat enthält auch in Zukunft noch größere Mengen Bares. Und die locken immer wieder Diebe, die die Automaten knacken wollen.

In Neukirchen-Vluyn (Nordrhein-Westfalen) iwurde Anfang Februar ein Geldautomat gesprengt. Wegen dieser Vorkommnisse investiert die Branche in Sicherheit.
In Neukirchen-Vluyn (Nordrhein-Westfalen) iwurde Anfang Februar ein Geldautomat gesprengt. Wegen dieser Vorkommnisse investiert die Branche in Sicherheit. © dpa | Arnulf Stoffel

Deshalb fließt viel Kraft in bessere Sicherheit. Die ist je nach Land unterschiedlich. In Deutschland etwa werden die Geldscheine mit blutroter Tinte eingefärbt, andere Länder arbeiten mit einer Gassicherung, die das Geld beim Aufbrechen zerstört. In Texas etwa sind die Diebold-Automaten zusätzlich noch mit mehr als 30 Zentimeter langen Schrauben verankert, um Lasso und Pickup-Truck standzuhalten.

Ein Automat hält einer Stange Dynamit stand

Für Brasilien wiederum wurde extra ein Automat entwickelt, der eine Stange Dynamit übersteht. „Dort ist es wegen der vielen Minen leicht, an den Sprengstoff zu kommen“, sagt Mattes. Für andere Länder wie etwa Kolumbien gibt es Automaten mit Fingerabdruckscannern, die auch erkennen, ob der Finger durchblutet ist.

„Man muss wirklich anders denken in der Sicherheitsbranche“, sagt der Diebold-Nixdorf-Chef. „Da wir so viel in diesem Bereich investieren, können die Kunden auf ein hohes Sicherheitsniveau an den Geräten bauen.“

Frisch fusioniert

Diebold Nixdorf entstand im August 2016, als das US-Unternehmen Diebold den Konkurrenten Wincor Nixdorf aus Paderborn übernahm. Das Unternehmen mit rund 25.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von umgerechnet rund 4,8 Milliarden Euro stellt Geldautomaten und Kassensysteme für den Handel her, liefert die Software dafür und wartet die Anlagen.

Im Geschäft mit Handelsunternehmen ist das Unternehmen in Europa Marktführer. Bei Geldautomaten ist der Konzern mit knapp einer Million von über drei Millionen aufgestellten Geräten Nummer eins weltweit. Größter Konkurrent ist NCR aus den USA.