Berlin. Der oberste Beamte von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags als Zeuge befragt.

Michael Odenwald beginnt mit einer Geschichte. Vor einiger Zeit habe er sich ein neues Auto gekauft, erzählt der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Bald sei ihm aufgefallen, dass das Auto mehr verbrauche als der Hersteller versprochen habe. Vier Liter Unterschied ermittelte der Spitzenbeamte in einem persönlichen Test. Odenwald beschwerte sich beim Händler, doch der zeigte ihm auf einer Probefahrt, dass der angegebene Verbrauch „fast erreichbar“ war – bei vorsichtiger Fahrt und ohne Klimaanlage.

Odenwald ist der bisher ranghöchste Beamte aus dem Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), den der Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestags als Zeuge befragt. Er soll an diesem Montag erklären, wie der VW-Skandal zustande kommen konnte und wie die Regierung ihn aufgeklärt und aufgearbeitet hat. Odenwald ist eine, wenn nicht sogar die Schlüsselfigur auf Seiten der Bundesregierung. Er ist auch der Beamte, der viele Emails zum Abgasskandal über sein privates Email-Konto abgewickelt hat.

Fahrt mit Dreckschleuder

Dieser Zeuge also erzählt zu Beginn seiner Vernehmung im Bundestag eine Geschichte, an deren Ende die warmen Worte eines Autohändlers Zweifel am Verbrauch eines Neuwagens beiseitewischen können. Ist das zu glauben? Wahrscheinlich war die Episode dazu gedacht, sich auf die Seite der Millionen VW-Kunden zu stellen, die saubere Dieselautos kaufen wollten und nun das Gefühl haben, eine Dreckschleuder zu fahren. Und es war ja auch so: Allen war klar, dass die theoretischen Verbrauchswerte von Autos kaum erreichbar sind.

So ähnlich muss es auch bei Stickoxiden und Abgasen insgesamt gewesen sein. Einer der bemerkenswerten Sätze, die Odenwald während seines mehr als eine Stunde dauernden Einführungsvortrags vor dem Ausschuss sagt, ist dieser: „Kein Mensch in dieser Republik hat gewusst oder vermutet, dass es einen Fall VW in dieser Form geben könnte.“ Er kenne jedenfalls keinen. Auch das Kraftfahrtbundesamt (KBA), das Motoren und Autos vor der Zulassung genehmigen und untersuchen muss, habe nichts geahnt, sagt Odenwald.

Manipulationen an Motoren

„Das KBA ist an die Voraussetzungen für seine Messungen gebunden.“ Mit anderen Worten: Die Techniker dort hätten Manipulationen an Motoren oder Vorrichtungen, mit denen die Abgasreinigung abgeschaltet wird, nicht erkennen können, weil sie nicht danach suchen mussten. Hinzu komme, erklärt Odenwald, dass die europäischen Vorschriften zu dem Thema „nicht eindeutig“ und sogar „unklar“ seien.

Tatsächlich verbietet die einschlägige EU-Verordnung sogenannte „Abschalteinrichtungen“, aber sie erlaubt sie auch in Ausnahmefällen. Das alles sei „unscharf“ formuliert, sagt Odenwald. Nicht nur das KBA, sondern keine andere Behörde in Europa habe vor dem VW-Skandal nach Manipulationen an dieser Stelle gesucht. Offenbar hat nicht nur der Privatmann Odenwald, sondern alle zuständigen Beamten in allen EU-Ländern den Herstellern geglaubt, dass versprochene Abgaswerte eingehalten werden.

Untersuchungskommission eingesetzt

Als der Skandal dann da gewesen sei, habe die Bundesregierung vorbildlich gehandelt, lobt Odenwald seine eigene Arbeit und seinen Minister. Dobrindt habe schnell eine Untersuchungskommission eingesetzt. Man habe „vollständig und ohne Einfluss der Autohersteller“ aufgeklärt. Inzwischen habe VW in 1,3 Millionen Autos die Schummelsoftware ausgebaut, berichtet der Staatssekretär.

Im September sei die Umrüstaktion abgeschlossen. Die Kunden hätten „keine Nachteile“. So sei es auch bei anderen Herstellern. Selbst ­Fiat habe sich zur freiwilligen Nachrüstung von Modellen mit manipulierter Abgasreinigung überreden lassen.

„Keine Vertuschung“ bei Emails

Zu den Vorwürfen, er habe Emails an den offiziellen Kanälen vorbei erhalten, sagte Odenwald, er habe seine private Email-Adresse nur aus einem Grund genutzt: „Ich war außer Haus und konnte Inhalte nur über die private Mail empfangen.“ Es habe „keine Vertuschung“ gegeben. Und: „Keine einzige Mail enthielt vertrauliche Inhalte.“

Weil weist Vorwürfe von Piech zurück

weitere Videos

    Spannend wird es am Donnerstag. Dann soll nicht nur Minister Dobrindt aussagen, sondern auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Der sitzt im VW-Aufsichtsrat und liefert sich mit Ex-VW-Chef Ferdinand Piëch einen Schlagabtausch darüber, wer wann von den Manipulationen wusste. Piëch selbst will nicht vor dem Bundestag aussagen. Er muss es als Österreicher auch nicht. Der Ausschuss will ihn nun trotzdem als Zeugen vorladen.