Vorsitzender des U-Ausschusses kritisiert Absage von Piëch
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Von Klaus Brandt
Berlin. Die Vernehmung von VW-Miteigentümer Piëch vor dem Untersuchungsausschuss sollte Klarheit schaffen. Doch Piëch will nicht aussagen.
Der frühere VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch will nicht vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum VW-Skandal aussagen. Er werde auf das „Angebot einer öffentlichen Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages nicht eingehen“, ließ Piëch am Freitagabend über seinen Rechtsanwalt Gerhard Strate mitteilen. Als Österreicher ist der 79-Jährige Piëch nicht zur Aussage vor einem deutschen Parlament verpflichtet.
„Wir haben Herrn Piëch nicht angeboten, im Untersuchungsausschuss auszusagen, sondern das war eine Forderung“, sagte der Ausschussvorsitzender Herbert Behrens (Linke) unserer Redaktion. „Wenn er nichts zu verbergen gehabt hätte, hätte er kommen müssen“, sagte Behrens. „Der Boss der Bosse kneift vor dem deutschen Parlament.“ Es gehe Piëch wohl nicht um eine Aufklärung der Skandals, „sondern ihn treiben offenbar andere Motive“, sagte der Politiker.
Piëch will Inhalte von Vernehmungen nicht öffentlich kommentieren
Piëch soll laut Medienberichten in Befragungen durch Staatsanwälte gravierende Anschuldigungen gegen mehrere VW-Aufsichtsräte und Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn erhoben haben. Sie sollen demnach schon viel früher als bisher bekannt von Hinweisen auf Abgas-Manipulationen in den USA erfahren haben. Winterkorn und die Aufseher bestreiten das vehement und bezichtigen Piëch der Lüge.
Piëch ließ über seinen Anwalt am Freitagabend mitteilen, er habe im April 2016 gegenüber der von VW beauftragten Kanzlei Jones Day Aussagen gemacht und diese gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig im Dezember wiederholt. Zum Inhalt äußerte er sich nicht. „Herr Prof. Dr. Piëch denkt nicht daran, das, was als angebliche Inhalte der Vernehmungen kolportiert wird, seinerseits öffentlich zu kommentieren“, hieß es in der Erklärung seines Anwalts Strate.
VW-Boss fährt ganz eigene Strategie
Der Firmenpatriarch hat alle in Aufregung versetzt, nun schweigt er wieder. Piëch fährt seine ganz eigene Strategie. Der zornige Stratege könnte den Konzern zum Einsturz bringen, wenn er dies wollte, fürchten viele in der Wolfsburger Zentrale. Weltweit rätseln Anwälte über den nächsten Schachzug des Porsche-Enkels. Patriarch Piëch wisse genau, was er tue, sagt Anlegeranwalt Andreas Tilp. „Die von Piëch produzierte Diskussion darüber, ob die VW-Spitzen nicht schon im Februar 2015 über den Abgas-Skandal im Bilde waren, kann auch ein gezieltes Ablenkungsmanöver sein“, sagt Tilp. „Ein Manöver, das eine für VW noch viel größere Problematik verschleiern könnte.“
Tilp vertritt rund 600 institutionelle und 900 private Anleger, die vom skandalbedingten Wertverlust der VW-Aktie betroffen sind. Die Entschädigungsforderungen, die sich in seinen Kanzleien stapeln, summieren sich auf 5,3 Milliarden Euro. Tilp hat nie an die Winterkorn-Version geglaubt, wonach der Abgasbetrug erst im September 2015 entdeckt und dann gleich pflichtgemäß per Ad-hoc-Mitteilung gemeldet worden sein soll. Piëch offenbar auch nicht.
Wusste Winterkorn schon 2014 von den Abgas-Manipulationen?
„Nach unserer festen Überzeugung liegt der Zeitpunkt, an dem sich der Konzern schadensersatzpflichtig gegenüber Anlegern gemacht hat, wesentlich früher“, sagt Tilp. Auch der VW-Patriarch kenne sicher die Geschichte von Winterkorns „Wochenendkoffer“. In der legendären Aktentasche des Ex-Vorstandschefs soll bereits im Mai 2014 ein Hinweis auf die Abgas-Manipulation gelandet sein.
„Wir gehen davon aus, dass der damalige VW-Konzernchef Winterkorn spätestens am 23. Mai 2014 über die Manipulationen Bescheid wusste“, sagt Tilp. Dass Piëch jetzt den Februar 2015 ins Spiel bringe, sei „tatsächlich eine Verharmlosung der Situation, ein geschickter Ablenkungsversuch und eine Verschleierung der Tatsache, dass alles spätestens seit Mai 2014 bekannt war – oder, wie wir sagen, bereits 2008“. Umgekehrt hätte Piëch „ein ernstes Haftungsproblem gegenüber VW“, wenn er im Februar 2015 vom Betrug gewusst und nicht gleich alle Verantwortlichen informiert hätte, sagt Tilp. Für den Anwalt ist es „naheliegend, dass es genau so gelaufen ist, wie Piëch es darstellt“.
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Gezieltes Ablenkungsmanöver
Am Freritag tagte der VW-Aufsichtsrat in Wolfsburg bis in den späten Abend hinein. Offiziell drang nicht viel heraus. Inoffiziell hieß es: Fast alles drehte sich um Piëch – und um die Angst vor seiner Mission. Der Untersuchungsausschussvorsitzende Behrens sieht den Patriarchen in der Mitverantwortung. Schließlich sei er es gewesen, der als VW-Chef „der restlichen Autoindustrie den Krieg erklärt hat, mit der Zielsetzung, VW muss größter Autohersteller der Welt werden“, so Behrens. Diesem Ziel habe der Konzern „alles untergeordnet, auch bestehende Gesetze“.
VW sei in einer „sehr schwierigen Situation“. Einerseits werde „schonungslose, lückenlose Aufklärung versprochen und eine teure externe Kanzlei mit der Aufarbeitung beauftragt“. Zugleich lege man fest: „Den Jones-Day-Untersuchungsbericht veröffentlichen wir nicht, entsorgen aber vorher schon mal unsere Chefaufseherin.“ Das alles deute darauf hin, dass VW die Kontrolle über die Aufarbeitung verloren habe.
Ferdinand Piëch wird im April 80. Er hat viel Geld verloren durch den Abgas-Skandal. Besonders an dem Tag des Bekanntwerdens der Affäre: 17 Milliarden Euro Börsenwert verlor VW am 18. September 2015. Aber da wusste der Boss wohl schon längst Bescheid.
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