Bochum. BP-Europachef Wolfgang Langhoff will keine Ladesäulen für E-Autos an Tankstellen einrichten. Es sollen 600 Jobs gestrichen werden.

Mit 2500 Standorten ist Aral die größte Tankstellenkette in Deutschland. Gesteuert wird das Unternehmen aus Bochum, wo sich die Zentrale des Mutterkonzerns BP Europa befindet. Seit Jahresbeginn führt Wolfgang Langhoff als Vorstandschef die Geschäfte.

Es scheint, als verleihe der VW-Diesel-Skandal der Elektromobilität einen Schub. Sind damit langfristig auch Arbeitsplätze bei Deutschlands größter Tankstellenkette Aral in Gefahr?

Wolfgang Langhoff: Darum mache ich mir keine Sorgen. Natürlich ist der Ruf des Diesels durch die Vorgänge bei VW in Mitleidenschaft gezogen worden. Aber es ist noch nicht absehbar, dass sich die Elektromobilität in naher Zukunft durchsetzen wird.

Warum?

Langhoff: Eine entscheidende Frage lautet: Woher kommt der Strom? Wenn er aus einem Kohlekraftwerk stammt, fällt die Klimabilanz nicht gerade gut aus. Und können sich die Verbraucher die Elektromobilität überhaupt leisten? Bei einem Tesla kostet die Batterie noch mehrere 10.000 Euro. Außerdem fehlen Ladestationen. Ich rechne also in Sachen Elektromobilität nicht mit einer Revolution, sondern mit einer Evolution.

Wann stattet Aral seine Tankstellen mit E-Ladesäulen aus?

Langhoff: Wir sehen derzeit kein wirtschaftliches Konzept, das für uns trägt. Von den 45 Millionen Kraftfahrzeugen in Deutschland sind 36.000 reine Elektroautos, knapp 200.000 haben einen Hybridantrieb. Das ist noch extrem wenig. Hinzu kommt: Strom ist nicht unser Geschäft. Und Tankstellen haben meist wenig Platz zum Aufladen.

Wollen Sie vor allem Ihr altes Geschäftsmodell verteidigen?

Langhoff: Darum geht es nicht. Aber ein neues Konzept muss mindestens so gut sein wie das bestehende – oder besser. Soweit ist es noch nicht.

Wie wird sich das Tankstellennetz von Aral in Deutschland entwickeln?

Langhoff: Wir sind mit unseren bundesweit rund 2500 Tankstellen Marktführer. Das wollen wir auch bleiben. Ich gehe davon aus, dass unser Netz relativ stabil bleibt. Mit unserem Marktanteil von knapp 22 Prozent haben wir aber noch etwas Luft nach oben.

Zuletzt sind die Benzin- und Dieselpreise wieder gestiegen. Worauf müssen sich die Verbraucher einstellen?

Langhoff: Von den Höchstständen, wie wir sie vor vier, fünf Jahren gesehen haben, sind wir weit entfernt. Wir gehen von mittelfristig niedrigen Ölpreisen aus. Unter der Voraussetzung, dass es keine großen globalen Veränderungen gibt, rechne ich für die nächsten zwölf bis 18 Monate mit Preisen an der Tankstelle zwischen 1,30 Euro und 1,60 Euro.

Der Rohölpreis lag vor ein paar Jahren bei mehr als 100 Dollar, mittlerweile hat er sich annähernd halbiert. Warum zahlen die Kunden an der Tankstelle nicht ebenfalls die Hälfte?

Langhoff: Der Rohölpreis ist ja nur eine Komponente. Hinzu kommen vor allem Steuern, Verarbeitungskosten in der Raffinerie, der Dollar-Euro-Wechselkurs und natürlich Angebot und Nachfrage.

Rechnen Sie mit einem weiteren Rückgang des Rohölpreises?

Langhoff: Wenn sich die USA stärker mit heimischen Vorkommen versorgen sollten, hieße das: weniger Importe in die Vereinigten Staaten, mehr Überkapazitäten in den Förderländern. Die Folge wäre ein weiterer Ölpreisverfall.

Wie wirken sich die Benzinpreise auf das Verhalten der Autofahrer aus?

Langhoff: 2016 haben wir festgestellt, dass die Menschen mehr Auto fahren. Neben den niedrigen Preisen spielt eine Rolle, dass die Menschen wieder mehr Urlaub in Deutschland machen – unter anderem aufgrund der Unsicherheit in Ländern wie der Türkei und Tunesien.

Machen eigentlich immer noch viele Autofahrer einen Bogen um E10?

Langhoff: Der Anteil von Super E10 liegt an unseren Zapfsäulen zwischen 14 und 15 Prozent. Das Produkt Super E5 ist weiterhin führend. E10 wird übrigens von den meisten Kunden nicht als Biosprit wahrgenommen. Ursprünglich war in der Gesetzgebung vorgesehen, die Quote für die Beimischung von Bioethanol sogar noch über zehn Prozent hinaus zu steigern – auf E15 und E30. Davon ist überhaupt nicht mehr die Rede.

Wann ist eigentlich die günstigste Tageszeit, um zu tanken?

Langhoff: Das kann man nicht sagen. Die Preise wechseln täglich mehrfach. Generelle Trends gibt es mit Blick auf die Tageszeit nicht. Das hat auch mit der Marktpreistransparenzstelle zu tun, die es Kunden ermöglicht, jederzeit die Preise zu sehen.

Sind die Preise durch die gestiegene Transparenz gefallen?

Langhoff: Einen gewissen Effekt gibt es. Denn einige Autofahrer tanken gezielt, wenn die Preise niedrig sind.

Vor einigen Monaten haben Sie den Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen in Deutschland beschlossen. Worauf müssen sich die Mitarbeiter einstellen?

Langhoff: Wir haben uns mit den Arbeitnehmervertretern und der Gewerkschaft IG BCE auf einen Sozialplan geeinigt, und es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Von 2016 bis 2019 werden wir rund 600 Arbeitsplätze abbauen. Damit pendeln wir uns bundesweit bei etwa 4500 Stellen ein. Als BP Europa SE zählen wir rund 10.700 Mitarbeiter.

Das Shop-Geschäft ist für viele Tankstellenpächter enorm wichtig. Seit Kurzem läuft eine Kooperation von Aral mit Rewe. Sollen weitere Tankstellen mit Rewe-Sortimenten ausgestattet werden?

Langhoff: Wir wollen unsere Zusammenarbeit mit Rewe weiter ausbauen. Derzeit zählen wir 60 Standorte, im Laufe des Jahres wollen wir die Zahl auf rund 200 erhöhen. Bislang haben wir uns auf NRW konzentriert. Das ändert sich jetzt. Wir erschließen uns zunehmend neue Ballungsräume, darunter Hamburg, Frankfurt und Städte in Süddeutschland.

Als Tochter eines britischen Konzerns dürfte Sie der geplante Austritt von Großbritannien aus der EU besonders interessieren. Wie verändert der Brexit Ihr Geschäft?

Langhoff: Die genauen Auswirkungen sind ja noch nicht absehbar, aber bislang haben wir in Europa von einer freien Arbeitsplatzwahl profitiert, was den Austausch zwischen unserer Zentrale in London und unseren Standorten in Europa erleichtert hat. Jetzt rechnen wir mit mehr Bürokratie. Auch der Verwaltungsaufwand bei unserer Import-Export-Bilanz dürfte steigen. Generell verfolgen wir mit Sorge, dass der Handel weltweit durch Strafzölle erschwert werden könnte.

Wirkt die BP-Ölkatastrophe am Golf von Mexiko aus dem Jahr 2010 noch nach?

Langhoff: BP hatte 64 Milliarden Dollar für die Wiedergutmachung, Schadensersatz und Strafzahlungen zu stemmen. Das ist auch für ein Unternehmen von globaler Größenordnung nur schwer zu verkraften. Aber wir haben die Hürde überwunden und blicken nun nach vorne.