Berlin. Die Bundesregierung hat versprochen, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Viel dafür getan hat sie bisher nicht. Das hat Folgen.

Es ist noch früh am Morgen, und der Verkehrsfunk gibt schon die erste Warnmeldung heraus: kilometerlanger Stau auf der Autobahn. Die Straßen der Republik vor allem rund um Ballungszentren sind verstopft. Jeden Tag sind bis zu 800.000 Lkw unterwegs, und dabei sind nur die ab 7,5 Tonnen mitgezählt. Die Bundesregierung versprach, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Doch die Deutsche Bahn ist abgehängt. Warum? Und wem gehört die Zukunft?

Für die Bahn spricht einiges: Sie gilt als umweltschonender, sicherer. Doch werden nur 18 Prozent der Güter auf der Schiene transportiert. Daran ändert sich seit Jahren nichts. In diesen Tagen reden alle vor allem über Rüdiger Grube. Dass er als Bahnchef hingeschmissen, die Bahn nicht vorangebracht habe. Aber der Vorrang der Lkw ist nicht einem Manager anzulasten.

„Der Lkw-Fahrer holt die Waren bei Ihnen ab und bringt sie direkt dahin, wo sie hin sollen“, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. „Bei der Bahn müssen Sie erst den Zug finden, die Produkte zum Bahnhof fahren. Das ist kompliziert.“ Bulheller vertritt jene, die die Waren auf der Straße transportieren – und wirbt natürlich für seine Leute.

Der Handelsverband sieht die Lastwagen derzeit ohne echte Konkurrenz

Ulrich Binnebößel, Logistikexperte beim Handelsverband Deutschland, HDE, meint: „Für Lebensmittelketten, Warenhäuser, Discounter gibt es kaum eine Alternative zum Lkw.“ Ihre zen­tralen Lager, meist draußen vor der Stadt, hätten keinen direkten Bahnanschluss. Umladen vom Lkw auf die Bahn, von der Bahn wieder auf den Lkw koste Zeit, sei auch nicht gut für die Ware. Das gelte nicht bei Erz, Zement, Getreide, die lose an Fabriken geliefert würden. Doch für einen Supermarkt sei schon eine verbeulte Verpackung ein Problem, sie verkaufe sich schlecht.

Vor allem, sagt Binnebößel, sei die Bahn „nicht verlässlich“. Der Lkw-Fahrer komme zur verabredeten Zeit, kalkuliere Staus ein. Die Milch sei morgens um sechs da, wenn sie im Supermarkt ins Kühlregal geräumt werden müsse.

Es fehlen moderne, gut ausgebaute Bahnstrecken und: der politische Wille. Das erklärt einem kaum einer klarer als Martin Roggermann, der die Verkehrspolitik für die Allianz pro Schiene verfolgt, ein Lobbyverband aller Bahnunternehmen, von Gewerkschaften und Umweltverbänden. „Die Regierung erklärt zwar verbal, den Zugverkehr stärken zu wollen“, sagt er, „doch lenkt sie genau in die Gegenrichtung.“ Die Maut für Lkw: zuletzt gesunken. Der Preis für Diesel: steuerlich bedingt niedrig. Die Trassenpreise für die Bahn: erhöht. Die Ökostromumlage: auch.

Die Gigaliner verstärken die Dominanz der Lkw – zulasten der Schiene

So müsse ein Spediteur heute im Vergleich zu 2010 für den Zug 13 Prozent mehr kalkulieren, für den Lkw nur sechs Prozent, sagt Roggermann. Zudem investiere Schwarz-Rot derzeit 500 Millionen Euro in den Bau von 6000 neuen Lkw-Parkplätzen an Autobahnen, habe erst Anfang des Jahres Gigaliner zugelassen. Diese Lang-Lkw, argumentierte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), machten den Straßenverkehr so effizient wie nie, zwei Fahrten ersetzten drei Fahrten mit herkömmlichen Lastwagen.

„Am Ende rollen doch nur mehr Gigaliner, kommen noch mehr Güter auf die Straße“, widerspricht Roggermann. Indes würden die längeren, die „740-Meter-Züge ausgebremst“. Die gibt es in anderen Ländern schon. In Deutschland müsste dafür das Schienennetz angepasst werden. Das kostet, sagt Roggermann, „knappe 300 Millionen Euro“. Die Regierung sagt die bislang nicht zu.

Mit dem Lastwagen in die Zukunft

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    Zugleich steht der Bund aber unter Druck. Er hat der internationalen Staatengemeinschaft zugesagt, die Repu­blik bis 2050 klimaneutral umzubauen. Im Verkehr tue sich da bislang aber „null“, sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. 2016 entstanden durch den Verkehr genauso viele Treibhausgase wie 1990 – es muss sich also etwas bewegen.

    So will das Bundesumweltministerium nun Autobahnen unter Ökostrom setzen und Oberleitungs-Lkw losschicken, die dann klimaneutral Milch und andere Waren von A nach B transportieren. Erst vor wenigen Tagen hat man angefangen, zwei Teststrecken mit Strommasten auszustatten und über der rechten Fahrspur Oberleitungen zu ziehen: Auf der A1 bei Lübeck und auf der A5 am Frankfurter Flughafen. Spätestens Anfang 2019 werden vier Speditionen zehn E-Laster dort fahren lassen.

    Deutschland zu verkabeln klingt verrückt. Flasbarth aber sagt: „An der Elektrifizierung auf der Straße führt kein Weg vorbei.“ Denn selbst wenn Schienen und Rangierbahnhöfe ausgebaut werden, werden 2050 immer noch 70 Prozent der Waren auf der Straße transportiert, wie das Umweltbundesamt errechnet hat. Die Bahn hat da Grenzen.