Berlin. Der Rücktritt von Bahnchef Rüdiger Grube ist eine konsequente Reaktion auf einen Wortbruch. Der Umgang mit ihm war durchweg unwürdig.

Mit dieser Wendung hatte niemand gerechnet. Nach langem Gezerre um die Zukunft von Rüdiger Grube als Bahnchef schienen alle Streitigkeiten und Zweifel ausgeräumt. Alle Vertragsdetails waren mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und dem Personalausschuss abgesprochen, drei Jahre Verlängerung vereinbart worden. Die Zusage durch den Aufsichtsrat galt nur noch als Formalie.

Doch es kam überraschend völlig anders. Die Kontrolleure des Staatskonzerns rissen aus nicht nachvollziehbaren Gründen das Ruder herum, verkürzten die weitere Amtszeit plötzlich auf nur noch zwei Jahre. Eine Bedingung, die Rüdiger Grube auf keinen Fall akzeptieren wollte und konnte. Er zog für sich die Notbremse und trat zurück. Eine sehr emotionale Entscheidung, aber zugleich eine konsequente Reaktion auf ein unwürdiges Spiel mit seiner Person.

Suche nach Nachfolger dürfte schwierig werden

Die Entscheidung kommt aber auch für die Bundesregierung als Inhaberin der Deutschen Bahn zur Unzeit. Mitten im Wahlkampfjahr muss nun ein passender Nachfolger für das hochkomplexe Unternehmen gefunden werden. Ein Unterfangen, das nach der jetzigen Brüskierung und dem zu erwartenden Parteiengeschacher schwierig werden dürfte.

Ob in diesem Umfeld die tatsächlich qualifizierteste Führungskraft für die Spitze des Konzerns mit seinen 300.000 Mitarbeitern und Millionen Fahrgästen gefunden wird, ist keine Selbstverständlichkeit – auch wenn mit Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla ein prominenter Kandidat in den Startlöchern steht. Ob der CDU-Mann jedoch nach diesem Eklat den Rückhalt des Koalitionspartners für eine Beförderung zum Chef erhält, bleibt abzuwarten.

Verzicht auf Abfindung

Die Entscheidung von Grube ist jedenfalls nachvollziehbar. Ob bei Geschäften oder unter Freunden: Grube handelt wie viele ehrbare Kaufleute nach dem Motto „Ein Mann ein Wort“. Man muss sich auf Zusagen verlassen können. Als es um den Chef selbst ging, wurde dieses Prinzip mit Füßen getreten. Bei jeder Gelegenheit wies Grube darauf hin, dass er nicht für zwei, sondern nur für drei Jahre zur Verfügung stehen würde.

Er wollte kein Übergangskandidat sein, sondern weiter als Gestalter agieren. Dabei ging es ihm wohl auch um sein Ziel, die Bahn doch wieder aus der Krise zu fahren, zu der auch er mit beigetragen hatte. Er verzichtete, wie zu hören ist, dazu nicht nur auf eine Gehaltserhöhung, sondern auch auf eine mögliche Abfindung bei einem früheren Abgang. Solche Abschläge in eigener Sache sind nicht jedes Managers Sache, schon gar nicht wenn man 65 Jahre alt ist und eine wohl mehr als auskömmliche Rente erhalten könnte. Diesen Deal geht nur einer ein, dem die Sache wichtig ist.

Rücktritt ist auch Versagen der Politik

Aber auch die Vertrauensbasis ist zerrüttet. Wie soll Grube einen Staatskonzern führen, wenn ihm in entscheidenden Situationen der Rückhalt seiner Eigner fehlt? Wenn selbst der zuständige Bundesverkehrsminister zu schwach ist, den Aufsichtsrat des Konzerns davon zu überzeugen, die vereinbarten Vertragsbedingungen umzusetzen? Der Rücktritt ist so auch ein Versagen der Politik, ein Armutszeugnis.

Oder waren die hohen Verluste im Jahr 2015 und die steigenden Milliardenschulden der Deutschen Bahn doch die wahren Gründe für die Entscheidung des Aufsichtsrates? Oder die noch zu geringe Pünktlichkeit der Züge? Oder die zu niedrige Zahl der Reisenden? Es wäre kein Pro­blem gewesen, mit diesen Zweifeln im Gepäck einen Nachfolger zu suchen und Rüdiger Grubes Vertrag zum Jahresende auslaufen zu lassen – dies aber mit Würde und Respekt statt mit einer niederträchtigen Inszenierung. Der gestrige Montag kennt deshalb nur Verlierer.