Essen. Vorstandschef Harald Krüger treibt bei BMW die E-Mobilität voran. Trotz selbstfahrender Systeme werde ein Lenkrad aber niemals fehlen.

Als Trainee kam der Maschinenbauingenieur Harald Krüger 1992 zu BMW. Es folgte eine Traumkarriere. Seit Mai 2015 führt der 51-Jährige das – gemessen am Jahresumsatz – fünftgrößte deutsche Unternehmen. Ein Gespräch über die Zukunft des Automobils auch in schwierigen politischen Zeiten.

Falls US-Präsident Trump Ernst macht, werden Dreier-BMW, die 2019 aus dem neuen Werk in Mexiko kommen sollen, in den USA mit einem 35-prozentigen Strafzoll belegt. Wären die Wagen dann in den USA überhaupt noch zu verkaufen?

Harald Krüger: Die 3er-Limousinen, die ab 2019 in San Luis Potosi produziert werden, sind für den Weltmarkt bestimmt. Somit wird das Werk in Mexiko die bisherigen 3er-Produktionsstätten in Deutschland und China ergänzen. Unser weltweites Produktionsnetz ist flexibel. Die BMW-Group-Strategie – Produktion folgt dem Markt – zahlt sich in den USA aus. In den Vereinigten Staaten produzieren wir unsere X-Modelle. Diese Modelle sind sehr gefragt – insbesondere in den USA.

Sie haben bereits angekündigt, die Produktion im US-Werk Spartanburg um über zehn Prozent auf 450.000 Stück im Jahr zu erhöhen. Werden Sie die Stückzahl in den USA jetzt weiter erhöhen?

Krüger: Für diesen Ausbau investieren wir weitere 1,0 Milliarden US-Dollar in den Standort. Die Produktion des neuen BMW X7 wird im Jahr 2018 starten. Das Werk Spartanburg ist bereits das größte BMW-Werk weltweit. Dass wir am Standort weiter investieren, um den Wachstumskurs der letzten 22 Jahre auch in Zukunft fortzusetzen, ist nur konsequent.

Fürchtet BMW als global agierendes Unternehmen eine Renaissance des Protektionismus, ausgelöst nicht nur von Donald Trump, sondern auch durch die absehbaren Folgen eines harten Brexit?

BMW-Fabrik in Spartanburg, USA.
BMW-Fabrik in Spartanburg, USA. © BMW/Fred Rollinson | BMW/Fred Rollinson

Krüger: Die Automobilindustrie ist stark globalisiert. Ich bin ein Verfechter des freien Welthandels. Er hat unsere Erfolgsgeschichte in den USA erst möglich gemacht. Wir exportieren heute 70 Prozent unserer Produktion in Spartanburg und sind somit eines der führenden Exportunternehmen des Landes. Unsere starke Präsenz als Arbeitgeber in den USA, China, Europa und auch in Großbritannien ist unser größtes politisches Kapital.

In Folge des Abgasskandals werden die Prüfverfahren insbesondere für Diesel-Motoren verschärft, die Abgasreinigung für die sparsamen Motoren wird teurer werden. Gleichzeitig wird das Mehrwertsteuerprivileg für Diesel-Kraftstoff infrage gestellt. Erleben wir gerade den Anfang vom Ende dieser Technologie im Pkw-Bau?

Krüger: Die CO2-Vorgaben ab 2021 in Europa sind nur durch den großflächigen Einsatz effizienter Verbrennungsmotoren und weiterer Elektrifizierung zu erreichen. Daher wird der saubere Diesel-Motor uns in Zukunft weiterhin begleiten. Aber mit einem zunehmend anspruchsvoller werdenden Umfeld auch bei der Diesel-Regulierung wird irgendwann der Punkt kommen, an dem es schlichtweg unwirtschaftlich sein wird, den Diesel-Antrieb immer weiter an die Anforderungen einer zunehmend ambitionierten Gesetzgebung anzupassen. Wenn gleichzeitig bei Batteriekapazität und Preisen weitere Fortschritte erzielt werden, dann wird Elektromobilität die entscheidende Rolle spielen.

Trotz Einführung der auch von Ihnen geforderten Elektroauto-Prämie im vergangenen Mai, wurden 2016 in Deutschland sogar noch weniger Elektroautos zugelassen als 2015, insgesamt nur 12.000 Stück. Warum kommt die Elektromobilität in Deutschland besonders schlecht in Fahrt?

Ein elektrisch angetriebener BMW i3 lädt an einer Ladesäule in der Innenstadt von Leipzig.
Ein elektrisch angetriebener BMW i3 lädt an einer Ladesäule in der Innenstadt von Leipzig. © dpa | Jan Woitas

Krüger: E-Mobilität ist ein Marathon und kein Sprint. In Märkten, in denen der Dreiklang zwischen attraktiven Produkten, Förderung und Ladeinfrastruktur stimmt, nimmt der Anteil an Elektrofahrzeugen schnell zu. Dies wird in Deutschland auch der Fall sein. Und wir können uns in Deutschland bei der Entwicklung der E-Mobilität nicht beklagen. Ein Beispiel: Mit fast 2900 Zulassungen, mehr als ein Viertel mehr als im Vorjahr, ist der voll elektrische BMW i3 in 2016 das erfolgreichste Elektrofahrzeug in Deutschland. Jedes fünfte neu zugelassene E-Fahrzeug in Deutschland ist ein BMW. Zum Vergleich: Im gesamten deutschen Automobilmarkt war 2016 rund jedes zwölfte neu zugelassene Fahrzeug von der Premiummarke BMW.

Halten Sie an ihrem Ziel fest, in diesem Jahr erstmals 100.000 Elektroautos absetzen zu wollen?

Krüger: Wir sind von der E-Mobilität überzeugt. Nur deswegen kündigen wir so ambitionierte und klare Ziele an – in diesem Jahr werden wir weltweit 100.000 elektrifizierte Fahrzeuge verkaufen. Nach der Einführung der BMW-i-Submarke in 2013 zünden wir jetzt die zweite Phase unserer Elektrifizierungsstrategie mit Plug-in-Modellen in den klassischen Baureihen und auch weiteren rein elek­trischen Antrieben beim Mini und BMW X3. Kein Premiumwettbewerber bietet diese Vielfalt an elektrischen Modellen bereits heute an.

Neben der Elektromobilität ist das automatisierte Fahren ein großer Trend der Branche. Wann sehen wir den ersten BMW ohne Lenkrad auf der Straße?

Die Konzeptstudie BMW i Inside Future auf der Technikmesse CES in Las Vegas.
Die Konzeptstudie BMW i Inside Future auf der Technikmesse CES in Las Vegas. © dpa | Gene Blevins

Krüger: Ein BMW wird immer ein Lenkrad haben, denn der Fahrer soll selbst entscheiden, ob er gefahren wird oder selber steuert. Im Jahr 2021 bringen wir mit dem BMW iNext das hoch automatisierte Fahren auf die Straße, um unseren Kunden ganz neue Formen der Freude am Fahren zu ermöglichen. Die Technologie dazu entwickeln wir zusammen mit unseren Partnern Intel und Mobileye. Auf der CES in Las Vegas haben wir gerade gezeigt, wie unsere Kunden ihre Zeit in einem automatisiert fahrenden und vernetzten Auto ganz anders nutzen können.

Die Bundesregierung arbeitet an einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, die den Einsatz automatisierter Autos ermöglicht. Angeblich soll dem Gesetz nach die letzte Verantwortung auch beim automatisierten Fahren immer beim Fahrer liegen. Nimmt dies die Hersteller nicht zu stark aus der Verantwortung für Unfälle, die zweifellos auch beim automatisierten Fahren passieren werden?

Krüger: Wir haben von Anfang an betont: Die Sicherheit unserer Kunden steht für uns immer an erster Stelle. Deswegen sind wir im Zweifel auch zurückhaltend mit der Freigabe neuer Funktionen – auch wenn wir die Technologie schon in hohem Maße beherrschen. Selbstverständlich stehen wir als Hersteller zu unserer Verantwortung und haften entsprechend der gesetzlichen Vorgaben für Produktfehler – wie es auch heute schon der Fall ist.