Berlin/Brüssel. Beschlossen ist sie nun, aber die Pkw-Maut wird auf sich warten lassen. Es formiert sich Widerstand. Österreich will notfalls klagen.

Trotz Widerstands aus einigen Bundesländern und den Regierungsfraktionen hat das Kabinett die Pkw-Maut auf den Weg gebracht. Ob das Lieblingsprojekt der CSU allerdings tatsächlich umgesetzt wird, ist aber offen: Elf EU-Länder arbeiten daran, das Gesetz zu verhindern. Vor allem Österreich ist verärgert und will notfalls im Alleingang gegen Deutschland klagen. Auch in der Unionsfraktion im Bundestag halten einige Politiker wenig von der Pkw-Maut in ihrer jetzt geplanten Form. Das Mautgesetz muss noch durch den Bundestag.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) heizte die Stimmung noch an. „Ich rechne sehr damit, dass auch in Österreich Vernunft einkehrt und die Maut-Maulerei ein Ende hat“, sagte er in Berlin. Etwas mehr Gelassenheit im Nachbarland wäre angebracht, das seit 20 Jahren ein funktionierendes Mautsystem habe. Eine Debatte nach dem Motto alle, die nach Österreich kommen, sollten die Finanzierung der Straßen mitbezahlen, aber Österreicher in Deutschland nichts, sei „kein europäischer Ansatz“.

Digitale Vignetten über das Internet

An der Maut bastelt das Bundesverkehrsministerium seit 2013, die erste Version kippte die EU. Ende 2016 einigte sich die Bundesregierung dann mit den Brüsseler Behörden. Entsprechend wurde der erste Gesetzentwurf jetzt nachgebessert.

Grundsätzlich muss danach jeder, der in Deutschland mit einem Auto fährt, künftig die Maut entrichten. In Deutschland angemeldete Fahrzeuge sollen allerdings weniger Kfz-Steuer bezahlen – und zwar mindestens in Höhe der Maut. Wer besonders saubere Autos (Euro-6-Norm) fährt, bekommt mehr Steuer erstattet, als er Maut zahlt. Die Verrechnung läuft automatisch.

Ausländer können über das Internet digitale Vignetten kaufen. Vorgesehen sind sechs unterschiedliche Preisstufen, bei der Zehn-Tages-Vignette etwa zwischen 2,5 und 25 Euro, die sich am Schadstoffausstoß und am Hubraum bemessen. Auch eine Jahresvignette gibt es. Kontrolliert werden soll elektronisch.

Angeblich 524 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen

Dobrindt verspricht sich nach Abzug der Kosten jährlich gut 524 Millionen Euro zusätzlich, die in den Straßenausbau fließen sollen. 2016 wollte der Bund rund 6,2 Milliarden Euro ins Straßennetz stecken, 2015 waren es 5,3 Milliarden Euro.

Die Maut oder Infrastrukturabgabe, wie sie offiziell heißt, soll in der nächsten Legislatur starten. Dobrindt rechnet derzeit mit 2019. Vorher muss das Gesetz allerdings Bundestag und Bundesrat passieren. Dort bildet sich Widerstand, vor allem in der CDU/CSU.

Gefahren für regionale Wirtschaft in Grenzregionen

In einem gemeinsamen Brief fordern die Landesgruppen-Chefs von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland Ausnahmen von der Maut für Grenzregionen. Die Einführung hätte negative Folgen, heißt es. In den Grenzregionen würde die europäische Integration aktiv gelebt, von Leuttürmen der europäischen Idee ist die Rede. Und davon, dass die Maut die Mobilität „unserer niederländischen, belgischen, luxemburgischen oder französischen Nachbarn“, einschränken, was Folgen für Tourismus, Einzelhandel und Gastgewerbe habe.

Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Vorsitzende und Chefin der Partei in Rheinland-Pfalz, forderte ebenfalls: „Entlang der Grenzen müssen Autofahrer mautfrei unterwegs sein können.“ Volker Wissing (FDP), Verkehrsminister in der rot-gelb-grünen rheinland-pfälzischen Landesregierung, lehnt die Abgabe ab.

Linke: „Bestenfalls ein Nullsummenspiel“

Die Opposition im Bundestag ist ohnehin dagegen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: „Alle berechtigten Einwände wurden ausgeblendet, damit die CSU ihr teures Prestigeprojekt bekommt.“ Die europäische Zusammenarbeit dürfe nicht für „so einen Quatsch“ belastet werden. Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens bemängelte: „Alle seriösen Berechnungen gehen davon aus, dass die Ausländermaut bestenfalls ein Nullsummenspiel wird.“

In Brüssel trafen sich derweil auf Initiative Österreichs trafen sich Regierungsvertreter aus den Benelux-Staaten und mitteleuropäischen Ländern, um Widerstand gegen das deutsche Gesetz zu organisieren. „Die Frage ist, ob hier die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren ersetzt werden soll“, sagte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried, Wortführer der kritischen Länder. Notfalls sei Österreich auch bereit, im Alleingang gegen die Bundesrepublik zu klagen. Widerstand formiert sich auch im Europäischen Parlament.

Kritiker sehen ein dubioses Manöver

Die Kommission hatte im November überraschend ihr Einverständnis mit Dobrindts Plänen signalisiert, nachdem dieser zwei Änderungen am Gesetz angekündigt hatte. Transportkommissarin Violeta Bulc legte daraufhin das bereits laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik auf Eis. Endgültig darauf verzichten will sie erst, wenn das geänderte Gesetz vom Bundestag verabschiedet ist. „Dann werden wir die Vereinbarkeit mit EU-Recht prüfen“, ließ Bulc erklären.

Aus Sicht der Kritiker ist das Ganze ein dubioses Manöver. „Bis auf Kleinigkeiten ist das Modell dasselbe wie vorher“, sagte Leichtfried. Der Kurswechsel der Kommission sei daher unverständlich. „Wie konnte das geschehen?“ Zu Berichten, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe durch Intervention bei Kommissionschef Jean-Claude Juncker für den Meinungsumschwung in Brüssel gesorgt, sagte Leichtfried lediglich: „Man hört das.“ Beim Expertentreffen mit den anderen Ländern solle nun ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt werden.

Österreicherin: „Fühle mich diskriminiert!“

Im Februar soll Bulc vor dem EU-Parlament in der Sache Rede und Antwort stehen. Dort wollen die Sozialdemokraten (S+D-Fraktion) und Liberalen (ALDE) zusätzlich Druck machen und vor allem Auskunft über die rechtliche Grundlage für den Deal mit Dobrindt verlangen. „Wir in Österreich haben auch eine Maut“, sagte die S+D-Abgeordnete Claudia Schmidt. „Aber die ist für alle gleich hoch … Ich fühle mich diskriminiert!“ Die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner sagte, die deutsche Maut sei „ein Bürokratiemonster und sorgt für Unruhe in Europa“.