Berlin. Die Deutsche Bank beginnt, Filialen zu schließen. Privatkundenvorstand Christian Sewing glaubt, dass der Service dennoch besser wird.

Jetzt hat die Deutsche Bank auch noch die Boni der Topmanager gestrichen. Nicht nur die Angestellten und Investoren müssen zur Sanierung des größten deutschen Kredithauses beitragen, sondern auch die obere Ebene. Und in diesem Jahr wird auch der Privatkunde der Bank deutlich merken, dass umgebaut wird: Fast 200 Filialen werden geschlossen. Doch es gibt auch einige gute Nachrichten für die Kunden.

Die Mannschaft von Konzernchef John Cryan hat sich in den vergangenen gut eineinhalb Jahren von Altlasten getrennt, Rechtsstreitigkeiten beigelegt und sich daran gemacht, die Bank auf Profitabilität zu trimmen. Die Aktionäre müssen auf Dividende verzichten, und vor allem das Management und außertarifliche bezahlte Angestellte auf weite Teile der Boni.

Filialschließung bis Ende Juni

„2016 war ein Jahr des Übergangs“, sagt Christian Sewing, im Vorstand zuständig für Privat- und Firmenkunden sowie die sehr vermögende Kundschaft. 2017 werde der Umbau sich in den Zahlen niederschlagen, 2018 werde der Erfolg richtig sichtbar werden.

In diesem Jahr wird der Umbau erst einmal in den Städten sichtbar. Nach langer Vorbereitung schließt die Bank 188 der 723 Filialen. „Es gibt zwei Wellen, Ende des ersten und Ende des zweiten Quartals“, sagt Sewing. „Dann sind wir weitgehend durch.“ Eine Art Filiale light mit sehr reduziertem Angebot wie sie die Commerzbank plant, ist nicht vorgesehen. „Aus einer Umfrage vom Sommer wissen wir: 43 Prozent der Kunden kommen nur noch einmal im Jahr in die Filiale.“

Anlage für Kinder

Dann wollten sie aber das volle Angebot: von der komplexen Baufinanzierung über Erbfolge bis zur Anlage für die Kinder. Deshalb soll es in den verbleibenden Filialen das gesamte Angebot für Privat- und Firmenkunden geben. „Wir haben dann in jeder Filiale auch das komplette Private-Banking-Angebot, das war bisher nicht so.“

Wahrscheinlich werden wegen des Umbaus Kunden der Bank den Rücken kehren. Sewing sieht das anders und bleibt eher gelassen. „Wir haben in den vergangenen fünf bis zehn Jahren bereits einige Erfahrungen damit gesammelt, wir hatten schließlich mal mehr als 1000 Filialen.“ Kommunikation sei wichtig, deshalb habe man auch bereits im Juli 2016 alle betroffenen Filialen ins Netz gestellt. Bisher sei die Verlustquote sehr, sehr gering. „Ziel muss sein, im Geschäft mit den anspruchsvollen Privatkunden null Prozent zu verlieren, sogar eher dazuzugewinnen.“

Erweiterte Öffnungszeiten

Gleichzeitig mit dem Stellenabbau bei den Filialen eröffnet die Deutsche Bank acht Beratungszentren in ganz Deutschland. Dort werden insgesamt mehr als 360 Bankberater alle Fragen der Kunden beantworten und sie beraten – per Telefon, Chat und Video. „Und zu deutlich erweiterten Öffnungszeiten im Vergleich zu den Filialen, auch samstags“, sagt Sewing. Standorte sind unter anderem in Berlin, Essen, Hamburg, Leipzig und Wuppertal vorgesehen. Getestet hat die Bank das Konzept in Berlin.

Auch ein anderes Thema, das viele Kunden ärgert, wird sich wohl bald erledigen: In manchen Regionen Deutschlands gibt es keine Geldautomaten, an denen Kunden der Deutschen Bank rund um die Uhr kostenlos Geld abheben können. Auf der beliebten Urlaubsinsel Usedom etwa, oder in bestimmten Gebieten an der Nordsee.

Kostenlos Geld abheben

Mehr Geldautomaten wird die Bank nicht aufstellen. „Zu aufwändig“, sagt Sewing. Bleibt eigentlich nur das Modell, das Direktbanken wie ING Diba und DKB nutzen: Kostenloses Abheben mit der Kreditkarte an allen europäischen Geldautomaten. „Wir machen uns intensiv Gedanken darüber, wie wir unseren Kunden hier bis zu einem gewissen Grad entgegenkommen können“, sagt Sewing. „Wir wollen Ende Januar entscheiden.“

Strafzinsen für Privatkunden schließt Sewing aus. Ebenso höhere Gebühren für die Kontoführung. Die Bank gehört allerdings schon zu den teureren in Deutschland. Zahlreiche Konkurrenten hatten im vergangenen Jahr angesichts der Niedrigzinsphase die Gebühren teils deutlich erhöht. Mehr Service verspricht sich Sewing auch von der Digitalisierung. Lange hat die Deutsche Bank eher beobachtet, was die Konkurrenz und Fintech genannte Neugründungen so machen, als selbst etwas umgesetzt. Es wirkte fast so, als stehe die große Deutsche Bank über dem Thema. Jetzt hat der Konzern umgedacht.

Millionenausgaben für IT

Der damals neue Chef Cryan bezeichnete die IT kurz nach seinem Amtsantritt Mitte 2015 als lausig. Entsprechend nimmt die Bank Geld in die Hand. 2015 investierte das Haus knapp 100 Millionen Euro in neue IT, im vergangenen Jahr waren es Sewing zufolge 160 Millionen Euro. „Bis 2020 investieren wir allein in meinem Unternehmensbereich 750 Millionen Euro“, sagt Sewing.

Das Geld fließt nicht nur in smarte Produkte, Dienstleistungen und eine schicke Oberfläche, wie er sagt, sondern soll auch die Abläufe verbessern. „Bisher gibt es Mitarbeiter, die die Daten etwa für eine Baufinanzierung von einem System auf das andere übertragen.“ Das soll anders werden, die Daten nur einmal erfasst werden. Das spart wiederum Geld, weil weniger Personal benötigt wird. Noch gibt die Bank mehr als 80 Cent aus, um einen Euro zu verdienen. 2020 sollen es 65 Cent sein. „Dann sind wir mindestens so effizient wie viele Konkurrenten in Europa.“

Kontoeröffnung in sieben Minuten

Insgesamt 9000 der rund 100.000 Stellen wird die Bank streichen, 4000 davon in Deutschland. „Knapp drei Viertel davon – 2500 – fallen in meinen Unternehmensbereich und hier sind wir bereits deutlich vorangekommen“, sagt Sewing. Gestrichen wird nicht nur in den Filialen, sondern auch in der Zentrale. Ende des Jahres will er weitgehend durch sein. Konkurrent Commerzbank geht noch radikaler zur Sache und will sich von 7300 der gut 45.000 Vollzeitstellen streichen.

Stolz ist Sewing darauf, dass die Kontoeröffnung online von dieser Woche an binnen sieben Minuten möglich ist. Andere Banken etwa die Direktbank DKB und die Commerzbank haben da bereits vorgelegt. Auch die neue Multi-Bank-App der Bank begeistert ihn: „Sie können da auch alle Ihre laufenden Konten, Depots und Kredite bei anderen Banken abrufen, das kann keine andere Bank.“

Risikoreiches Geschäft

Die aktuelle Lage der Bank schätzt Sewing für einen Banker geradezu euphorisch ein, zumindest was die Qualität des Geschäfts angeht: „Ich bin seit 1989 dabei, war 15 Jahre in der Kreditabteilung und zwei Jahre deren Leiter. Wir stehen so stabil da, wie selten zuvor in der Geschichte der Bank. Das kann man unter anderem auch an den sehr niedrigen Wertberichtigungsquoten sehen.“ Darin spiegelt sich, wie viele der Kredite ausfallen. Die Lage war nicht immer so: Die Deutsche Bank hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren von teils sehr risikoreichem Geschäft im Wert von mehr als 600 Milliarden Euro getrennt.

Ein wichtiger Punkt bei einer Bank: Wie „flüssig“ sie ist. Auch hier sieht Sewing den Konzern sehr gut aufgestellt. Ende des dritten und Anfang des vierten Quartals hätten einige Anleger aufgrund der Schlagzeilen Geld abgezogen, sagt er. „Die Spekulationen waren übertrieben.“ Inzwischen ist viel Geld zurückgeflossen. Die Bank habe die Liquiditätsreserve ja ohnehin auf mehr als 200 Milliarden Euro erhöht gehabt, es habe immer genug Polster gegeben.

Im Banne der Börsenspekulanten

Angesichts einer hohen Milliardenstrafe in den USA hatte es im November Gerüchte gegeben, die Deutsche Bank brauche frisches Geld, um das zu stemmen. Der deutsche Staat müsse sie retten. Der Kurs stürzte auf knapp unter zehn Euro ab. Beobachter schätzten, dass Hedgefonds damals gegen die Deutsche Bank spekulierten – ein bislang einmaliger Vorgang, schließlich ist die Bank das größte deutsche Kreditinstitut und mischt international mit. Die Tage Anfang Oktober zeigen aber auch, für wie angeschlagen die Deutsche Bank gehalten wird.

Dass die Geschäfte im dritten Quartal dann für Außenstehende überraschend gut gelaufen seien, habe sicher geholfen, sagt Sewing. Seither habe sich die Situation deutlich entspannt. Der Streit um risikoreiche Hypothekenpapiere in den USA ist seit kurz vor Weihnachten beigelegt. Die Bank zahlt 4,1 Milliarden Dollar Erleichterungen für Verbraucher und 3,1 Milliarden Dollar Strafe. Das wird sich zu einem kleineren in den Jahreszahlen des Konzerns niederschlagen. Zurückgestellt hat die Bank insgesamt bisher 5,5 Milliarden Euro. Als weiterer großer Fall ist noch die Devisenaffäre in Russland offen.

850 Millionen Euro Verlust

In den ersten neun Monaten gab es einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr sind die Marktbeobachter unschlüssig, im Schnitt rechnen sie mit 850 Millionen Euro Verlust. 2015 war ein Rekordverlust von 6,5 Milliarden Euro angefallen. Recht sicher ist, dass die Bank keine Dividende zahlt. Das hatte Konzernchef Cryan bereits für 2015 und 2016 angekündigt. Sewing kann zu den Zahlen so kurz vor der Bilanzvorlage nichts sagen. Beunruhigt wirkt er nicht. Die genauen Zahlen legt die Bank am 2. Februar vor.

Sewing, Jahrgang 1970, begann 1989 bei der Deutschen Bank in Bielefeld mit einer Ausbildung. Bis auf zwei Jahre im Vorstand der Deutschen Genossenschaftshypothekenbank, verbrachte er sein Berufsleben beim größten deutschen privaten Kreditinstitut, unter anderem in Singapur, Toronto und London. Seit Anfang 2015 ist er im Vorstand – verantwortlich für Privat- und Firmenkunden sowie das Geschäft mit der sehr vermögenden Kundschaft. Allein in Deutschland hat die Bank insgesamt acht Millionen Kunden, davon rund 900.000 Firmenkunden. Sewing ist verheiratet und hat vier Kinder.