Berlin. Online-Dienste wie Spotify haben Streaming groß gemacht. Jetzt wollen die Konzerne Apple, Amazon und Google die Pioniere verdrängen.

Auch wenn es vielleicht in deutschen Elektronikfachmärkten noch nicht so aussieht: Die Tage der CD als wichtigstem Musikmedium sind wahrscheinlich gezählt. Nicht nur, weil sich Musik überall, wo es Internetzugang gibt, herunterladen lässt, sondern vor allem wegen Menschen wie Daniel Ek. Der Gründer von Spotify arbeitet seit zehn Jahren daran, Musikstreaming zu etablieren – inzwischen mit Erfolg für die Branche. Ob sein Unternehmen allerdings überlebt, ist offen. Denn große Konzerne wie Amazon, Apple und Google drängen in den Markt.

Sie heißen Deezer, Napster und Tidal, Soundcloud und Spotify: Anbieter von Musik, die der Nutzer über das Internet jederzeit und überall über Computer, Tablet oder Smartphone hören kann, ohne sie tatsächlich auf einem eigenen Gerät zu speichern. Was vor etwa zehn Jahren noch belächelt wurde, ist inzwischen ein echter Markt.

Zahl der Streaming-Nutzer in zwei Jahren verdoppelt

Jahrelang ging es mit dem Umsatz der deutschen Musikindustrie abwärts, 2013 allerdings hat sich der Trend umgekehrt. 2016 etwa setzte die Branche nach ersten Hochrechnungen des Bundesverbands Musikindustrie im Vergleich zum Vorjahr 1,58 Milliarden Euro um, 2,4 Prozent mehr als 2015. Getrieben wurde das Ergebnis vor allem vom enormen Wachstum der Streamingangebote. Das Plus betrug dort demnach 73 Prozent und macht nun fast ein Viertel des Gesamtgeschäfts aus.

Nach Angaben des Musikweltverbands IFPI brachten Streamingdienste 2015 weltweit 2,9 Milliarden Dollar (2,73 Milliarden Euro) Umsatz. Ende 2016 zahlten rund um den Globus etwa 100 Millionen Nutzer für ein Streamingangebot– fast doppelt so viele wie 2014.

Der Marktführer hat 100 Millionen Nutzer weltweit

Marktpionier, Branchenprimus und nach wie vor für viele Leute der Inbegriff von Musikstreaming ist Spotify. Das schwedische Unternehmen hat weltweit 100 Millionen Nutzer, davon 43 Millionen zahlende Abonnenten. 57 Millionen User hören Musik über die eingeschränkte kostenlose Version, die Werbung zwischen den Songs schaltet. Zweitgrößter reiner Streamingdienst ist Deezer aus Frankreich mit 16 Millionen Nutzern, von denen 6,9 Millionen für einen monatlichen Premiumzugang zahlen. Napster mit 4,5 Millionen Kunden und das von US-Rapper Jay Z gegründete Unternehmen Tidal mit einer Million zahlenden Nutzern folgen abgeschlagen.

Seit 2015 mischt aber auch Techkonzern Apple im Musikstreamingmarkt mit. Für sein Angebot „Apple Music“ zahlen weltweit bereits 20,9 Millionen Kunden. Im November startete zudem Onlinehändler Amazon seinen Dienst „Amazon Music Unlimited“. Mit „Google Play Music“ ist auch der Suchmaschinenriese dabei.

Google will angeblich Soundcloud kaufen

Sie wollen den Pionieren im Streamingmarkt das Geschäft streitig machen. Schon bald könnten dem die ersten Angebote zum Opfer fallen. „2017 wird es zu einem harten Verdrängungskampf kommen“, sagt Peter Tschmuck, Professor für Musikwirtschaft an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Derzeit kursieren Gerüchten, Google plane den Kauf des angeschlagenen Berliner Streaming-Start-ups Soundcloud für 500 Millionen Dollar. Spotify hatte bereits im vergangenen Jahr Interesse, aber dann doch Abstand genommen.

Welcher Anbieter auch dahinter steht, grundsätzlich sind sich alle Dienste ähnlich. Sie umfassen eine Datenbank von etwa 40 Millionen Musikstücken und kosten monatlich in der Regeln 9,99 Euro. Und noch eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind nicht profitabel. Zum einen müssen die Anbieter große Teile ihrer Einnahmen an Rechteinhaber wie Musiklabels und Verlage abführen. Bei Spotify etwa sind es mehr als 70 Prozent.

Umsatz binnen eines Jahres fast verdoppelt

Zum anderen versuchen alle, möglichst viele neue Kunden zu gewinnen, denn nur die größten Anbieter werden überleben. Spotify etwa setzte 2015 einem nicht öffentlichen Geschäftsbericht zufolge rund 1,95 Milliarden Euro um, nach 1,08 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Das Wachstum kostet Geld. Der operative Verlust von Spotify stieg 2015 um 11,7 Prozent auf 184,5 Millionen Euro. „Spotify kommt nicht in die Gewinnzone“, sagt Tschmuck. Dem Unternehmen gehe das Geld aus.

Dabei müssten der Marktführer 2017 einen großen Kredit bedienen. Eine Idee ist, ihn mit den Einnahmen eines Börsengangs zu tilgen. Weil der Streamingdienst auch zehn Jahre nach der Gründung noch in den roten Zahlen steckt, scheint der Weg an die Börse jedoch ungewiss. „Sollte der Börsengang nicht gelingen, wird es schwierig“, glaubt Tschmuck. „Spotify hat dann ein ernstes Problem.“

„Für die kleinen Anbieter wird es sehr schwer“

Ähnlich ist die Situation bei den anderen Anbietern. Besonders für Tidal und Napster, die deutlich weniger zahlende Nutzer haben, sieht Tschmuck eher schwarz: „Für die kleinen Anbieter wird es sehr schwer.“

Auch Apple, Amazon und Google schreiben mit Musikstreaming Verluste, können aber damit leben. Ihr Geld verdienen die Konzerne in anderen Bereichen. Mit ihren Musikdiensten wollen sie vor allem Kunden an sich zu binden. „Mit Apple und Amazon sind Player im Markt, die nicht auf Einnahmen aus dem Streaminggeschäft angewiesen sind“, sagt Tschmuck. Entsprechend entspannt können sie zuschauen, während die Konkurrenz ums finanzielle Überleben kämpft.

„Am Ende werden zwei oder drei Anbieter den Markt unter sich aufteilen“, schätzt Martin Lücke, Professor für Musikmanagement in Berlin. In der Musikbranche gilt Streaming als das Geschäft der Zukunft. Welcher Anbieter diese noch erleben wird, scheint unsicherer denn je.