Berlin. Der ehemalige Post-Vorstand Roger Crook erhielt trotz schlechter Ergebnisse hohe Vergütungen. Der Fall hat ein Nachspiel im Bundestag.

Wer es in die Spitzenpositionen deutscher Dax-Konzerne schafft, bewegt sich in höchsten Gehaltssphären – und auf dünnem Eis. Hier verdienen Topmanager üblicherweise siebenstellig, doch bei Erfolglosigkeit droht der schnelle, unrühmliche Abgang. Bei der Deutschen Post wird offenbar auch Misserfolg belohnt. Und das in einem Maße, dass sogar der Bundestag sich damit beschäftigen wird.

Es geht um Bonuszahlungen in Millionenhöhe für den früheren Post-Vorstand Roger Crook, die nach Informationen unserer Redaktion ein Fall für den Rechnungsprüfungsausschuss des Parlaments werden. Am 20. Januar befasst sich das Gremium mit den fragwürdigen Zuwendungen an den Manager, der 2015 wegen Erfolglosigkeit gehen musste. Hat er zu viel Geld erhalten?

Ehemaliger Staatskonzern

Auch die Bundesregierung wird sich in der Causa unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, denn die Post ist als ehemaliger Staatskonzern kein Unternehmen wie jedes andere. Sie gehört in Teilen zumindest mittelbar noch dem Bund. Er hält über die KfW-Bank 21 Prozent am Dax-Konzern und ist in dessen Aufsichtsrat vertreten. Es steht der Vorwurf im Raum, dass der Bund nicht nur bei der Post, sondern grundsätzlich seine Kontrollfunktion bei den Beteiligungen nicht ernst genug wahrnimmt.

Aber der Reihe nach: Am 27. April 2015 gab die Deutsche Post bekannt, dass der damals 58-jährige Brite Roger Crook sein Mandat als Chef der kriselnden Frachtsparte des Konzerns niedergelegt habe. Unter seiner Regie war 2014 der operative Gewinn des Geschäftsbereichs um fast 40 Prozent – etwa 185 Millionen Euro – eingebrochen. Zudem funktionierten von Crook verantwortete und über Jahre geplante Systemumstellungen von Geschäftsprozessen und der Datenverarbeitung nicht, sondern verursachten nur hohe Kosten.

Erfolgsprämie nach Entlassung

Trotzdem erhielt Crook 2015 eine „erfolgsabhängige Vergütung“ in Höhe von 2,78 Millionen Euro zusätzlich zum Fixgehalt von 1,12 Millionen Euro. Selbst nach seiner Entlassung wurde Crook für das Geschäftsjahr 2015, in welchem er noch vier Monate dem Konzern angehörte, ein Erfolgsbonus in Höhe von 918.000 Euro ausgezahlt – als Plus zur festen Vergütung von 366.000 Euro. Seine damalige Abfindung (im Konzernjargon: „Abgeltung seiner anstellungsvertraglichen Ansprüche“) wird im aktuellen Geschäftsbericht mit knapp 4,3 Millionen Euro angegeben.

Dass der Fall im Rechnungsprüfungsausschuss, einem Unterausschuss des machtvollen Haushaltsausschusses, zur Sprache kommen soll, ist bemerkenswert. Denn offensichtlich ist die Post nicht das einzige Unternehmen mit Bundesbeteiligung, in dem Bonuszahlungen ohne konsequente Erfolgskontrolle ausgeschüttet wurden. Auch andere Fälle sollen im Bundestag zur Sprache kommen.

Glaubwürdigkeit des Bundes

Die Ausschussvorsitzende Bettina Hagedorn (SPD) ist alarmiert: „Die Aufsicht der zuständigen Beteiligungsverwaltungen hat zu lasch agiert. Es ist geradezu ungeheuerlich, wie sehr die Aufsichtspflicht vernachlässigt wurde“, sagt sie. „Das war mir in dieser Dimension bisher nicht bewusst.“ Es gehe hier um Millionen von Euro und um die Glaubwürdigkeit des Bundes als Beteiligter großer Unternehmen.

Der Bundesrechnungshof hatte zuerst auf den Missstand hingewiesen: Im Herbst 2016 schrieb die Bonner Behörde, dass die Beteiligungsverwaltungen des Bundes nicht ausreichend geprüft hätten, „ob private Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, ihren angestrebten Zweck erreichen“. Auch hätten die Beteiligungsverwaltungen mehrfach Zielvereinbarungen mit den Geschäftsleitungen zugelassen, „die nicht messbar waren oder sich nicht genug am Erfolg der Unternehmen orientierten“.

Millionenzahlungen an Crook

Es sei zugelassen worden, dass „ein Mitglied einer Geschäftsleitung aufgrund des Vergütungssystems eine erfolgsabhängige Vergütung erhielt, obwohl sein Geschäftsbereich hohe Verluste erlitten hatte und das Mitglied kurz darauf entlassen wurde“. Auf Nachfrage erklärt ein Rechnungshof-Sprecher, dass das Vergütungssystem des besagten Unternehmens vorsah, eine durchschnittliche Erfolgsprämie auf alle Mitglieder der Geschäftsleitung zu verteilen.

Recherchen dieser Zeitung belegen: Bei dem von der Bonner Behörde besonders beanstandeten Fall handelt es sich um die Millionenzahlungen an den Post-Manager Crook. Die Post erklärt die Boni für den erfolglosen Vorstand damit, dass variable Vergütungen für die Vorstände grundsätzlich „ganz überwiegend mehrjährig ausgestaltet“ würden. Im Fall Crook sei die Höhe der „Jahreserfolgsvergütung 2015 im Vergleich zum Vorjahr signifikant gesunken“.

Intransparente Vergütungsregeln

Grund hierfür sei die hinter den Erwartungen zurückgebliebene Geschäftsentwicklung, insbesondere in dem von Crook verantworteten Unternehmensbereich „Global Forwarding, Freight“, gewesen, teilt eine Unternehmenssprecherin mit. Diese und andere Vergütungsregeln erscheinen dem Rechnungshof immer noch viel zu großzügig und intransparent.

Der Sprecher der Prüfer wird deutlich: „Die Beteiligungsverwaltungen müssen ihre Kontrollfunktion hinsichtlich des Unternehmenserfolgs und des Erreichens von Zielvereinbarungen künftig konsequenter wahrnehmen und dabei das Interesse des Bundes wahren.“ Wie sinnvoll sind überhaupt die staatlichen Beteiligungen an der Privatwirtschaft? Die Bundeshaushaltsordnung klärt auf: Es müsse ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegen und der Bund den von ihm angestrebten Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen können.

Unzureichende Unternehmensführung

Weil dieses Interesse offensichtlich häufig vorliegt, entwickelte sich über die Jahrzehnte bei den Besitztümern des Bundes ein schwer durchschaubares Geflecht: Ende 2014 war der Bund laut Rechnungshof an 60 Unternehmen unmittelbar und an 566 Unternehmen mittelbar beteiligt – ihr Gesamtwert lag zu dem Zeitpunkt bei rund 29 Milliarden Euro. Mit dabei: die Bahn AG als 100-prozentige Tochter, mehrere Flughäfen, die Deutsche Flugsicherung, die Bundesdruckerei – und Anteile an der Deutschen Telekom und der Deutschen Post.

Jede Beteiligung wird einem Bundesministerium zugeordnet, das eine eigene Beteiligungsverwaltung unterhält. Deren Aufgabe: prüfen, ob das Interesse des Bundes weiter besteht und ob das Unternehmen seinen Beteiligungszweck erreicht – inklusive Erfolgskontrolle. Wie der Bund hier arbeiten muss, hat das Bundesfinanzministerium in den „Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“ festgelegt. Offenbar aber unzureichend. Im Fall der Post ist das Finanzministerium sogar selbst zuständig.

Regeln für die Erfolgskontrollen

Die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses Hagedorn fordert eine Reform der Beteiligungsverwaltung: „Es muss künftig eine bessere Erfolgskontrolle geben. Wir werden aus den kritischen Anmerkungen des Rechnungshofs Konsequenzen ziehen müssen.“ Das Finanzministerium sei in der Pflicht, hier klare Regeln für die Erfolgskontrollen zu erarbeiten.

Sie unterstütze die Kritik des Bundesrechnungshofs an der fehlenden Erfolgskontrolle der Bundesregierung bei ihren Beteiligungen „voll und ganz“, betont die SPD-Politikerin. Und sie gehe davon aus, „dass alle Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses dies auch tun“. Das Finanzministerium nimmt die Kritik ernst – und hat nach eigenen Angaben ein Konzept für ein sogenanntes Standardisiertes Beteiligungsmonitoring erarbeitet.

Frühzeitigere Risikoerfassung

Es solle anhand ausgewählter Unternehmenskennzahlen künftig eine effizientere Erfolgskontrolle und frühzeitigere Risikoerfassung ermöglichen, so eine Ministeriumssprecherin. Auch eine Ergänzung um den vom Rechnungshof empfohlenen, fortwährenden „Soll/Ist-Vergleich von Unternehmensplanung und tatsächlichem Ergebnis“ werde in den anstehenden parlamentarischen Beratungen erörtert, kündigt die Sprecherin an.

So viel scheint heute schon klar: Die Ministerien werden künftig genauer hinsehen, wie erfolgreich die Beteiligungen des Bundes tatsächlich sind – und welche Bonuszahlungen wirklich verdient sind.