Hamburg. Wegen niedriger Zinsen sinkt die Überschussbeteiligung der größten Versicherer 2017 im Schnitt auf 2,51 Prozent. Der große Vergleich.

Die Besitzer von Lebens- und Rentenversicherungen müssen sich auch im laufenden Jahr auf eine sinkende Verzinsung einstellen. Angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt haben fast alle der 40 größten Lebensversicherer ihre Überschussbeteiligung für 2017 gesenkt.

Nur zwei Gesellschaften, die Sparkassenversicherung und die Swiss Life, hielten sie stabil. Im Schnitt werden die bisherigen Einzahlungen und die laufenden Beiträge der Kunden in diesem Jahr mit 2,51 Prozent verzinst.

Beliebteste Altersvorsorge

Das ergab eine Umfrage des „Hamburger Abendblatts“ unter den 40 größten Lebensversicherungen. Im Vorjahr lag die Verzinsung noch bei 2,84 Prozent. Die höchste Überschussbeteiligung zahlen mit mindestens drei Prozent die Deutsche Ärzteversicherung und die Ideal Leben.

Die niedrigste Überschussbeteiligung gibt es von der Gothaer und der Ergo-Tochter Victoria, die kein Neugeschäft mehr betreibt. Lebensversicherungen zählen zur beliebtesten Altersvorsorge. Bundesweit gibt es etwa 86,7 Millionen Verträge. Wichtige Fragen zu den Versicherungen.

Für wen gelten die Werte der Versicherungsgesellschaften?
Sie gelten vor allem für Kunden, die in den letzten zehn Jahren eine Kapitallebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen haben oder das in diesem Jahr tun wollen. Denn diese Kunden haben einen Garantiezins von maximal 2,25 Prozent, und die durchschnittliche Überschussbeteiligung liegt mit 2,51 Prozent (inklusive Garantiezins) noch leicht darüber. Die Werte gelten in der Regel auch für Kunden mit einem staatlich geförderten Riester-Vertrag.

Bekommen manche Kunden eine höhere Verzinsung als in der Tabelle?
Ja, denn in der Branche gibt es inzwischen eine Zweiklassengesellschaft. In jedem Fall bekommen Kunden ihren Garantiezins, dessen Höhe sich nach dem Jahr des Abschlusses richtet. „Der Garantiezins ist den Kunden zugesichert“, sagt Lars Heermann von der Rating-Agentur Assekurata.

Hohe Kosten, sinkende Renditen, lange Laufzeit – Lebensversicherungen sind nicht mehr besonders attraktiv.
Hohe Kosten, sinkende Renditen, lange Laufzeit – Lebensversicherungen sind nicht mehr besonders attraktiv. © dpa | Arno Burgi

Wer einen hohen Garantiezins habe, bekomme diesen, könne dann aber nicht noch mit zusätzlichen Überschüssen rechnen. Beispiel Marktführer Allianz. Die Kunden mit einem Garantiezins von 2,75 Prozent oder niedriger erhalten eine laufende Verzinsung von 2,80 Prozent. Wer einen höheren Garantiezins von 3,25 oder vier Prozent hat, bekommt diesen gutgeschrieben.

Ist die Ungleichbehandlung rechtens?
Bezogen auf den Garantiezins ist das rechtens. Die Kunden mit einem niedrigen Garantiezins werden alle gleich behandelt. „Innerhalb dieser Gruppe werden die Verträge üblicherweise identisch verzinst“, sagt Heermann. So fällt die laufende Verzinsung bei einem Garantiezins von nur 1,25 Prozent nicht höher oder niedriger aus als bei einem Garantiezins von 2,25 Prozent.

Warum fällt die Überschussbeteiligung Jahr für Jahr geringer aus?
Knapp 90 Prozent der Kundengelder legen die Lebensversicherungen in festverzinslichen Wertpapieren an. Doch diese Anlagen bringen seit Jahren nur noch sehr niedrige Zinsen. So lag die durchschnittliche Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe im vergangenen Jahr nur bei 0,13 Prozent.

Auch die Anleihen großer Firmen bringen kaum mehr. Zum Ausgleich investieren Versicherer in Infrastrukturprojekte und regenerative Energien. Aber das kann die festverzinslichen Wertpapiere nicht ersetzen.

Warum profitieren die Versicherer nicht vom Anstieg der Aktienmärkte?
Der Aktienanteil der Lebensversicherer liegt unter fünf Prozent. Außerdem müssten Aktieninvestments zur Absicherung mit einem hohen Anteil an Eigenkapital unterlegt werden. Das können sich nur wenige, finanzstarke Lebensversicherer leisten.

Wie lange können Versicherer das niedrige Zinsniveau überstehen?
Das hängt von der weiteren Zinsentwicklung ab. „Noch können die Versicherer die Garantiezinsen aus den laufenden Erträgen erwirtschaften“, sagt Heermann. Gemessen an dem aktuellen Zinsniveau sei das eine beachtenswerte Leistung. „Für die Erfüllung der Versprechen in der Zukunft müssen die Versicherer schon seit sechs Jahren Zinszusatzreserven bilden.“ Bisher sind das in der Branche 46 Milliarden Euro.

„Selbst bei leicht steigenden Zinsen muss diese Reserve bis zum Jahr 2025 nach unseren Prognosen auf 150 Milliarden Euro aufgestockt werden“, sagt Heermann. Das alles sind Mittel, die jetzt nicht an die Kunden verteilt werden können.

Sind die hohen Garantiezinsen wirklich sicher für die Kunden?
Die Versicherer haben keine Möglichkeit, die einmal zugesagten Garantiezinsen zu kürzen. Aber im Versicherungsaufsichtsgesetz gibt es einen sogenannten Notstandsparagrafen (§314), der es der Versicherungsaufsicht ermöglicht, zur Vermeidung einer Insolvenz bereits gemachte Zusagen einzuschränken oder zu kürzen. Dabei ist auch eine Ungleichbehandlung von Kundengruppen möglich.

Was bedeutet die sinkende Überschussbeteiligung für die Kunden?
Sie müssen sich darauf einstellen, dass die Ablaufleistung oder die monatliche prognostizierte Rente weiter sinkt. Sie wird stets mit der aktuellen Überschussbeteiligung für den Rest der Laufzeit hochgerechnet. Wer mehrere Jahresmitteilungen seiner Versicherung nebeneinanderlegt, kann das leicht nachvollziehen

Welche Lücken können entstehen?
Gefährlich kann es bei Kombiverträgen im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung werden. „Dann steht für die Tilgung weniger Geld zur Verfügung als einst kalkuliert“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch bei der Altersvorsorge drohen empfindliche Lücken.

„Denn verlassen können sich die Kunden nur auf garantierte Auszahlungen und garantierte Renten“, sagt Becker-Eiselen. Um ihre Rente aufzustocken, würden 46 Prozent der Deutschen im Alter auch einen Nebenjob annehmen, geht aus einer aktuellen Umfrage der R+V Versicherung hervor.

Soll ich meine Lebensversicherung jetzt kündigen?
„Das ist meist nicht ratsam und erfordert eine gründliche Beratung“, sagt Becker-Eiselen. Eine vorzeitige Kündigung ist außerdem meist mit Einbußen verbunden. „Das niedrige Zinsniveau führt außerdem dazu, dass es mit dem ausgezahlten Geld schwierig wird, eine höhere oder gleiche Rendite im Vergleich zur Versicherung zu erzielen“, sagt Becker-Eiselen. Verträge mit noch hohem Garantiezins sollten ohnehin nicht gekündigt werden.

Lohnt sich der Abschluss einer Rentenversicherung noch?
Die Verbraucherzentrale Hamburg rät wegen hoher Kosten, sinkender Renditen und langer Laufzeit ab. „Mit Beginn des Jahres ist der Garantiezins von 1,25 Prozent auf 0,90 Prozent gesunken“, sagt Becker-Eiselen. Manche Versicherer bieten deshalb von sich aus keine klassischen Rentenversicherungen mehr an.

Warum ist meine Versicherung nicht dabei?
Sie gehört entweder nicht zu den 40 größten Anbietern, gemessen am Gesamtbestand von Lebensversicherungen, oder hat die Versicherung sich nicht an der Umfrage wie HDI oder Generali beteiligt.