Berlin. Tausende Stromsäulen sollen bis 2020 entstehen. Viele Fahrer von Elektroautos werden von den neuen Angeboten jedoch nichts haben.

Eigentlich sollten bis zum Jahr 2020 rund eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. Doch dieses Ziel der Bundesregierung kann man wohl als gescheitert betrachten. Trotz der Kaufprämie gingen die Neuzulassungen für E-Fahrzeuge zuletzt sogar zurück, zu Jahresbeginn waren nur etwa 25.000 Stromer regis­triert. Als eine der Hauptursachen für das Zögern der Kunden gilt die Sorge, mitten auf der Straße stehen zu bleiben, weil man es nicht rechtzeitig zur nächsten Stromstation geschafft hat.

Die deutschen Autobauer wollen das nun ändern: Sie haben nicht nur reihenweise neue Elektrofahrzeuge mit höheren Reichweiten angekündigt. Jetzt wollen sie auch mit vereinten Kräften das Ladenetz ausbauen.

Ladesäulen zunächst in europäischen Großstädten

400 ultraschnelle Stromsäulen mit einer Leistung von bis zu 350 Kilowatt wollen BMW, Daimler, die VW-Marken Audi und Porsche sowie Ford in einem ersten Schwung in Europa errichten. In diesem Jahr soll es losgehen. Bis 2020 sollen den Besitzern von Elektroautos dann schon Tausende Ladepunkte zur Verfügung stehen.

Dazu haben die vier Hersteller eine Absichtserklärung unterzeichnet. „Wir rechnen damit, dass wir im ersten Quartal alle notwendigen Genehmigungen haben, damit das Joint Venture offiziell gegründet und sein Betrieb aufgenommen werden kann“, sagte ein Sprecher von BMW dieser Zeitung.

Bund gibt 300 Millionen Euro

Die Ladestationen der deutschen Hersteller sollen zunächst in den europäischen Metropolen sowie entlang ihrer Verbindungsachsen errichtet werden. Alle 120 Kilometer sei eine Ladestation geplant, kündigt der BMW-Sprecher an. Wie viele der ersten 400 Säulen für Deutschland vorgesehen sind, ist noch unklar. Ebenfalls offen ist, inwieweit ihr Bau mit Steuergeld unterstützt werden könnte.

Die Bundesregierung stellt 300 Millionen Euro zur Förderung von 15.000 Ladesäulen bis 2020 bereit. Bei BMW heißt es jedoch, das angekündigte Projekt sei unabhängig von staatlicher Förderung, wenngleich diese nicht ausgeschlossen sei. „Wir gehen in Vorleistung, um den Stein ins Rollen zu bringen“, sagte der Sprecher. Die Autohersteller sehen sich allerdings nur in der Rolle der Initiatoren – den Betrieb der Säulen wollen sie anderen überlassen. Infrage kämen dafür Energieversorger, Betreiber von Rasthöfen und eventuell auch Tankstellen.

Streit um den richtigen Standard

Mit der Ankündigung des Projektes geht auch das Rennen darüber, welcher Steckerstandard sich bei der Elektromobilität durchsetzen wird, in die heiße Phase. Das von den deutschen Herstellern angekündigte Projekt soll auf dem Standard des Combined Charging System (CCS) basieren. Momentan herrscht noch großes Durcheinander: Beim Gleichstrom (DC) setzen die deutschen Hersteller schon jetzt auf CCS, derzeit aber nur mit einer Leistung von 50 Kilowatt. Beim Laden mit dem langsameren Wechselstrom (AC) findet man an öffentlichen Ladesäulen häufig den Mennekes-Stecker Typ 2.

Die japanischen Hersteller Honda, Mitsubishi und Nissan sowie die französischen Autobauer Peugeot und ­Citroen nutzen aber den in Japan entwickelten Standard mit dem Namen CHAdeMO – und sind damit bei der geplanten Initiative außen vor. Und der US-Autobauer Tesla, der mit seinen „Superchargern“ mit 125 Kilowatt derzeit das schnellste Laden ermöglicht, wird die CCS-Stationen nach derzeitigem Stand ebenfalls nicht nutzen können. Tesla hat sich allerdings der Charging Interface Initiative angeschlossen, die CCS als Standard für batteriebetriebene Fahrzeuge etablieren will. Offenbar will man sich keine Option verbauen.

Autoexperte lobt deutsche Konzerne

Auto-Experte Stefan Bratzel begrüßt die Initiative der deutschen Konzerne. „Es war höchste Zeit, dass die Autobauer sich einigen“, sagt der Professor für Automobilwirtschaft und Leiter des Center of Automotive Management. Tesla habe als erster Hersteller erkannt, dass man das Thema Ladeinfrastruktur mit vorantreiben müsse, weil dies derzeit für keinen anderen ein Geschäftsmodell sei.

Die deutschen Autobauer wollten nun Boden wiedergutmachen, indem sie die Führung übernähmen, sagt Bratzel. Denn: „Mit dem Betrieb und den Steckern ist auch die Definitionsmacht verbunden.“ Ähnlich wie in den 1980ern bei der Einführung des VHS-Systems für Videokassetten würden einige Hersteller einbezogen und andere ausgeschlossen. Das hält der Auto-Experte für „misslich“.

Nissan-Fahrer profitieren nicht von dem Projekt

In der Konzernzentrale von BMW kann man derlei Einwände nicht nachvollziehen. „Die Entscheidung ist auf CCS gefallen, weil der Standard das größere Potenzial für die Zukunft hat und sich zu einer Leistung von 350 Kilowatt hinentwickeln lässt“, sagte der Sprecher.

Außerdem hätten sich bereits viele europäische Hersteller für zu CCS verpflichtet. Andere Autohersteller seien willkommen, sich dem Joint Venture anzuschließen. „Wir bekommen jeden Tag neue Anfragen“, sagt er. Auch bei Herstellern, die bisher auf den CHAdeMO-Standard setzten, gebe es immer mehr Bewegung in Richtung CCS.

Beim Autobauer Nissan, der mit dem Modell Leaf das bisher weltweit meistverkaufte Elektroauto herstellt, hieß es dazu: „Das Joint Venture fokussiert sich speziell auf einen Ladestandard. Nissan-E-Fahrzeuge sind mit dem CHAdeMO-Schnellladestandard ausgestattet, der in Europa mit mehr als 4000 Ladesäulen bereits gut eta­bliert ist.“