Hamburg/Berlin. Die einen baden in Lebensmitteln, andere filmen sich bei illegalen Streifzügen durchs Kino oder Ikea. Wie auf YouTube das Niveau sinkt.

Vor der Polizei davon laufen und dann ein Video von sich bei der Straftat bei YouTube hochladen? Das klingt doof, bringt aber zwei YouTubern in Hamburg siebenstellige Klickzahlen für Videos. Mit einem Trend „24 Stunden in...“ hat YouTube vielleicht einen neuen Tiefpunkt erreicht: Straftaten für Aufmerksamkeit. Erfolgreicher Trash-Content ist ein Problem für das Netzwerk, sagen Insider.

Ikea findet es so wenig lustig wie die Kinokette Cinemaxx und McDonald’s: Anzeigen sind raus gegen ApoRed und Leon Machère, YouTuber mit jeweils mehr als einer Million Abonnenten. Die beiden haben sich einschließen lassen in Filialen der Ketten, um dann dort aufgeregte Bilder zu drehen, wie sie sich vor der Entdeckung fürchten und Chips essen. In den Titeln: „Polizei Einsatz“ (Kino), „Eskalation“ (McDonald’s), „Alarm geht an“ (Ikea). Sie sind nicht die einzigen, die mit solchen 24-Stunden-Videos einen Trend aus den USA nachahmen. Ikea hatte auch im Norden von München nächtlichen Besuch, berichtet die Zentrale. Und auf YouTube finden sich viele Filme von Besuchen an anderen Orten.

Unge: „Wer wäre denn so blöd?“

Zunächst wurde vermutet, die Bilder könnten mit den Filialen abgesprochen sein. Das schrieb etwa Simon Unge, eine YouTube-Größe und immer auch mal für kritische Worte gut. „Wer wäre denn so blöd und riskiert eine Anzeige, Geld- oder Freiheitsstrafe für n Video“, twitterte er. Allerdings: Die Bilder sind nicht gestellt oder abgesprochen. Ein Ikea-Sprecher erklärte unserer Redaktion: „Das war und ist auch zu keinem Zeitpunkt vorstellbar, unter anderem wegen des Nachahmereffekts.“

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Bereits zuvor hatte auch YouTuber Tomasz Niemiec diese Information erhalten und darüber berichtet. Nachdem Unge davon erfuhr, kommentierte er nun: „Also doch dümmer als erwartet.“ Und schob nach: „Vor allem kann ich mir vorstellen, dass Kids durch diese Videos auf sehr dumme Gedanken kommen.“ Was die großen YouTuber machen, nehmen sich viele Nutzer zum Vorbild.

Es gibt auch abgesprochene Videos

Es gibt aber auch die abgesprochenen Videos: „FaxxenTV“ bedanken sich bei dem Betreiber der Dortmunder Trampolinhalle Superfly und warnen: „GANZ WICHTIG: NICHT NACHMACHEN LEUTE! Ihr macht euch damit STRAFBAR!“ Eine Million Abrufe hat ihr Filmchen, in dem sie sich vor den angeblich nicht eingeweihten Mitarbeitern fürchten und im Text für die Trampolinhalle werben.

Auch Leon Machére warnt vor dem Nachmachen: „Eins darf man nicht vergessen, wir bauen Scheiße, wir wissen, was wir in Kauf nehmen.“ Bei den Videos der illegalen Aktionen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie zum Verlustgeschäft werden. Fünf Millionen Klicks ihrer Videos könnten bei den beiden über die Werbung zwischen 5000 und 10.000 Euro einspielen, von denen sie aber nicht einmal die Hälfte selbst bekommen dürften. Zumindest eine Geldstrafe dürfte ihnen sicher sein. Wegen Volksverhetzung in einem Video („Es war witzig gemeint“) hat ein anderer YouTuber 15.000 Euro zahlen müssen – zwei Monatsverdienste, wie das Gericht geschätzt hatte. Dazu kamen acht Monate auf Bewährung.

Klicks allein bringen nicht viel Geld

Auch negative Aufmerksamkeit werde zwar leider im Webvideo-Geschäft mit Geld für viele Klicks belohnt, sagt Markus Hündgen, Geschäftsführer der European Web Video Academy und Gründer des Webvideopreises. Richtig Geld werde aber nicht alleine über die Reichweite gemacht, sondern über Kampagnen von Marken mit Influencern.

Und da gibt es inzwischen große Stars, die als nicht mehr vermarktbar gelten. „Werbetreibende Marken – so erfahren wir aus Gesprächen – schauen dort zunehmend bewusster hin und überdenken ihre Strategien, mit derartigen Social Influencern für Markenkampagnen zusammen zu arbeiten“, sagt Hündgen.

Wunsch an ApoRed: „24 Stunden in Schwefelsäure baden“

Solche Aktionen seien schädlich für die deutsche YouTube-Szene insgesamt, in der es auch viele gute Videos gebe, sagt der Webvideo-Experte Moritz Meyer, früherer Sprecher des großen Netzwerks Mediakraft. So etwas könne dazu führen, dass Werbedeals platzen, Unternehmen nähmen Abstand von Werbung mit YouTubern.

Unter den illegalen Trips von ApoRed und Leno Machère gibt es von Fans auch viel Zuspruch. Einige Zuschauer haben aber auch bissige Vorschläge, was nächste Stationen sein könnten: „24 Stunden in die Schule, schadet Euch nicht.“ Oder auch „24 Stunden in Schwefelsäure“.

Badewannen voll Chicken Wings oder Nutella

Mit dem Bad in der Chemikalie würden sie richtig in einem anderen Trend aufgehen: „Baden in...“ So etwas gibt’s von ihnen aber natürlich schon: „Baden in Brennnesseln“, begleitet von Fake-Vorwürfen. Immerhin waren das keine Lebensmittel – „Baden in Nutella“, „Baden in Chicken Wings“, „Baden in Wackelpudding“ gibt es auch.

Auch Bibi vom Kanal „BibisBeautyPalace“, immerhin von der Telekom als Werbeträger für ein „BibiPhone“ geadelt, war das nicht zu blöd: Vier Millionen Menschen sahen „Ich bade in 100 Liter pinkem Glitzer-Schleim“. In den Kommentaren kann sie lesen: „Du bist Mitte 20, und sitzt kreischend in einem Eimer pinkem Schleim. Welch ein würdevoller und intelligenter Content. Davon wirst Du Deinen Enkeln noch mit Stolz erzählen....“

„Es muss immer krasser sein“

Die Erfolge solcher Videos nähren den Frust anderer YouTuber, die anspruchsvollere Videos machen und dann sehen müssen, dass diese Szenen dann noch in den Trends ganz vorne liegen.

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Moritz Meyer beobachtet einen Trend: „Es muss immer krasser sein, um noch Aufmerksamkeit zu erzielen. Was vor ein, zwei Jahren heftig war, ist jetzt normaler Standard.“ Er sagt aber auch: „Es kann sich nicht rechnen, Videos zu machen, mit denen man im Knast landen kann.“