Karlsruhe. Banken dürfen Kunden für geduldete Überziehungen des Girokontos keine Mindestpauschale berechnen. Verbraucherschützer hatten geklagt.

Kaum ein Girokonto in Deutschland wirft noch Zinsen ab. Lediglich die Santander Bank zahlt für Guthaben auf dem Gehaltskonto noch 0,1 Prozent Zinsen. Doch wehe, wenn der Kontostand ins Minus rutscht. Dann waren bei manchen Banken schnell deftige Überziehungszinsen fällig. Einige erhoben zusätzlich eine Überziehungsgebühr. Genau diese ist jetzt höchstrichterlich untersagt.

Banken dürfen Kontoinhabern für eine geduldete Überziehung keine Mindestpauschale berechnen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach Klagen von Verbraucherschützern entschieden. Die Karlsruher Richter sehen die Kunden durch derartige Klauseln unangemessen benachteiligt. Banken würden so unabhängig von der Höhe und Laufzeit des Kredits ihren Aufwand auf die Kunden abwälzen, heißt es in dem Urteil vom Dienstag.

Im Extremfall kostet die Überziehung um wenige Cent mehrere Euro

Geduldete Überziehung bedeutet, dass der Kontoinhaber nicht nur ins Minus rutscht, sondern dabei auch noch seinen Dispokredit überschreitet. Das ist in aller Regel teuer. Kassiert die Bank nicht einfach nur Zinsen, sondern grundsätzlich ein Mindestentgelt, kann es für Kunden happig werden. Im Ex­tremfall sind wegen einer Überziehung um wenige Cent an nur einem einzigen Tag mehrere Euro Gebühr fällig.

Konkret ging es um das „Kleingedruckte“ in den Geschäftsbedingungen der Deutschen Bank und der Targobank. So verlangte die Deutsche Bank zum Klagezeitpunkt 6,90 Euro im Quartal, falls das Konto kurzfristig im Soll landet und falls die fälligen Dispozinsen unter diesem Betrag liegen. Die Forderungen der Targobank lagen den Angaben zufolge bei 2,95 Euro.

Aufschlag entspräche einem Jahreszins von 25.000 Prozent

Diese Pauschalen kippte der BGH. Die Richter rechnen vor, dass eine eintägige Kontoüberziehung um zehn Euro den Verbraucher so teuer komme, dass es einem Jahreszinssatz von 25.185 bzw. 10.767,5 Prozent entspreche – das sei unverhältnismäßig. Sie verpflichten die Banken, ihre Kosten künftig komplett in die Zinsen einzupreisen.

Ein Sprecher der Targobank erklärte, sein Haus werde ab sofort auf die Erhebung des Entgelts verzichten. „Berechtigten Ansprüchen unserer Kunden bezüglich bereits gezahlter Entgelte werden wir selbstverständlich umgehend nachkommen.“

In der Verhandlung hatten die BGH-Anwälte der beiden Banken noch von „Peanuts“ gesprochen. Nach ihrer Darstellung entsteht der Bank durch einen kurzfristig gewährten Kleinstkredit, bei dem schon beide Augen zugedrückt werden, ein hoher Aufwand. So müssten Sachbearbeiter in jedem Einzelfall die Bonität des Kunden prüfen. Über Zinsen lasse sich das nicht finanzieren. Selbst bei einem hohen Satz von 16,5 Prozent zahle ein Kunde, der sein Konto eine Woche lang um 1000 Euro überziehe, nur 3,16 Euro. (Az. XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15)

Weitere verbraucherfreundliche Entscheidung

Mit ihrer Entscheidung knüpfen die Richter an zwei Grundsatz-Urteile aus dem Mai 2014 an. Damals hatte der Senat laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühren für Kreditverträge gekippt, weil die Banken damit unzulässigerweise ihre Kosten auf die Kunden abwälzten. Vielen Verbraucherschützern war die Gebühr ein Dorn im Auge, da sich der Zins bei minimalen Überziehungen schnell auf mehrere Hundert Prozent summiert. Verbraucher würden damit „unangemessen“ benachteiligt, hieß es in der Klageschrift. Im Fall der Targobank hatte zuvor das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage der Verbraucherschützer abgewiesen. Die Gebühr sei der „Mindestzins“ für eine Überziehung und damit rechtmäßig. Anders hatte das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden und die Gebühren im Dezember 2014 als eine „exorbitant hohe Gegenleistung“ für geringe Überziehungen bezeichnet. Zudem hänge der Zins für einen Kredit grundsätzlich von der Laufzeit ab.

Ein negativer Kontostand dürfte für Bankkunden auch nach dem BGH-Urteil nicht günstiger werden. Denn Banken und Sparkassen haben die Konditionen für eine Überziehung nur zögerlich an das Niedrigzinsumfeld angepasst. Dabei unterscheiden sie zwischen dem eingeräumten Dispositionsrahmen und der noch geduldeten, über diesem Betrag liegenden Überziehung. Die Höhe der Dispozinsen begründen Geldhäuser mit vermeintlichen Risiken, die sie eingehen. Der durchschnittlich erhobene Dispozins liegt nach Angaben der Finanzberatung Max Herbst aktuell bei 9,44 Prozent. Einige Finanzhäuser bescheiden sich mit einem Zins von 4,2 Prozent, andere Banken verlangen bis zu 12,43 Prozent. Der Überziehungszins liegt bei bis zu 16,25 Prozent. (mit dpa)