Brüssel/Berlin. Die Verhandlungen zum Handelsabkommen Ceta stocken und es bleibt nicht mehr viel Zeit. Aber wer ist für die Verzögerung verantwortlich?

Sieben Jahre intensive Verhandlungen – und dann das: Die belgische Provinz Wallonien blockiert das Freihandelsabkommen Ceta der Europäischen Union mit Kanada und bringt die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland zu der resignierten Aussage, die EU sei wohl derzeit nicht in der Lage, internationale Verträge zu schließen.

Ohne grünes Licht der Region kann die Föderalregierung Belgiens Ceta nicht zustimmen. Die EU braucht zur Unterzeichnung des Abkommens die Zustimmung aller 28 Mitgliedstaaten. Am Sonnabend konnte ein komplettes Scheitern gerade noch verhindert werden. Die Krisendiplomatie setzt sich fort.

Doch nachdem das Kind fast in den Brunnen gefallen ist, überziehen sich die Beteiligten auf europäischer Seite gegenseitig mit Vorwürfen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) weist die Kritik des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger (CDU) an seinem Vorgehen in den Ceta-Verhandlungen zurück. „Dass der von mir ansonsten durchaus geschätzte EU-Kommissar Günther Oettinger auch zu denen gehört, die das technokratische Durchpauken von Handelsverträgen für richtig halten, bedauere ich sehr“, sagte Gabriel dieser Zeitung. „Dieses antiquierte Verständnis von EU-Technokratentum ist es, was Europa zerstört“, sagte Gabriel weiter.

Oettinger: „Schuld sind die Mitgliedstaaten“

Oettinger hatte zuvor Gabriel für die Schwierigkeiten beim Freihandelsabkommen mitverantwortlich gemacht. „Schuld sind die Mitgliedstaaten, die das Thema an sich ziehen wollen. Dass Minister einzelner Mitgliedstaaten zu Verhandlungen nach Kanada reisen, ist absurd.“ Oettinger bekräftigt, dass er damit Gabriel meine.

Gabriel wiederum wirft der EU-Kommission Unvermögen vor. „Es ist die Ignoranz mancher Vertreter der Europäischen Kommission gegenüber den Fragen und Sorgen in der Bevölkerung, die den Abschluss von Abkommen wie Ceta so schwierig gemacht haben und weiterhin schwierig machen“, so der SPD-Vorsitzende.

Deutschland habe mit seinen Gesprächen mit Kanada und vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten wie zum Beispiel Österreich und den Niederlanden überhaupt erst dafür gesorgt, dass Ceta einigungsfähig werde, erklärt er. „Am wenigsten dafür getan hat die EU-Kommission selbst. Während die neue sozial-liberale Regierung in Kanada zum Beispiel die deutschen Vorschläge alle selbst richtig fand, musste die EU-Kommission immer wieder zum ‚Jagen getragen werden‘“, kritisiert der Wirtschaftsminister.

EU-Parlamentspräsident vermittelt

Doch es gibt noch Hoffnung. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine Lösung finden“, meint EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) am Samstag nach einem kurzfristig angesetzten Treffen mit dem wallonischen Regierungschef Paul Magnette in Brüssel. Und Magnette sagt nach dem Gespräch mit Schulz, es gehe jetzt nicht mehr um Verhandlungen mit den Kanadiern, sondern auf europäischer Seite.

„Wir haben noch einige kleine Probleme unter uns Europäern, und deswegen muss man jetzt noch weiterarbeiten und darüber sprechen.“ Eine Lösung werde noch etwas Zeit brauchen, erklärt der wallonische Regierungschef. „Aber unsere Unterredungen waren sehr nützlich und haben schon zu einer erheblichen Verbesserung des Textes geführt.“

Zuvor hatte Schulz mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland gesprochen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums hat Gabriel sie dazu bewegen können, nicht abzureisen und das Gespräch mit Schulz vermittelt. Es sei eine interne Angelegenheit der EU, die verbliebenen Fragen zu klären, meint auch Schulz nach diesem Treffen in Brüssel. „Wir hoffen, dass wir am kommenden Donnerstag die Unterschrift leisten können.“ Dann ist ein EU-Kanada-Gipfel geplant.

Kritiker fürchten negative Folgen für Verbraucher

Auch Kanada ist nach den Worten Freelands nach wie vor zur Unterzeichnung von Ceta bereit. „Wir haben unseren Job gemacht, jetzt ist es an der EU, ihren zu machen“, sagt sie nach dem Treffen mit Schulz. „Ich hoffe, dass ich in einigen Tagen mit meinem Premierminister zurückkehren kann, um das Abkommen wie geplant am 27. Oktober zu unterzeichnen.“

Die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller fordert eine Änderung der gesamten EU-Handelspolitik. Nicht nur in Wallonien, sondern in vielen Teilen Europas gebe es Widerstand gegen Ceta, sagt Keller im Deutschlandfunk. „Das Chaos, das wir jetzt haben, muss dazu führen, dass endlich eine Änderung in die gesamte Handelspolitik kommt.“

Abkommen verspricht Wirtschaftswachstum für beide Seiten

Mit dem Ceta-Abkommen sollen Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen den beiden großen Wirtschaftsräumen beseitigt werden, um Wirtschaftswachstum und Jobs zu schaffen. Kritiker in Europa fürchten aber unter anderem negative Folgen für Verbraucher. Die EU hatte Ceta zuletzt noch mit Zusatzerklärungen ergänzt. So wurden deutsche Bedenken so weit ausgeräumt, dass die Bundesregierung unterschreiben könnte. Während des Gipfels am Donnerstag und Freitag hatten sich die EU-Kommission und mehrere Staaten als Vermittler eingebracht, damit auch Belgien das Abkommen mittragen kann.