Berlin. Onlinehändler Zalando ersetzt den Designer durch künstliche Intelligenz. Kaufen kann man die Ergebnisse allerdings nicht. Noch nicht.

Zwei Minuten und fünf Klicks dauert der Weg zum ganz persönlichen und einzigartigen Kleidungsstück. Einen klassischen Designer gibt es dabei nicht, „Project Muze“ des Modeonlinehändlers Zalando ersetzt den Menschen durch eine Software. Das Programm fragt etwa nach bevorzugtem Musikstil, der liebsten Kunstbewegung und der aktuellen Stimmung. Für die Kombination „Jazz“, „Barock“ und „ungezogen“ schlägt die Maschine ein glockenförmiges Kleid mit einem zeltartigen Poncho vor, in knalligen Farben und mit wildem Muster.

Kaufen kann man die Mode nicht, die sich auf dem Computerbildschirm dreht. Denn „Project Muze“ ist ein Pilotprojekt, das die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz für die Modeindustrie erforschen soll, wie eine Zalando-Sprecherin sagt. Zunächst gehe es nicht darum, tragbare Mode für den Alltag zu entwerfen, sondern auszuprobieren, wie weit eine Maschine den Designprozess übernehmen könne.

Modeblogger, Designer und Einkäufer trainierten den Algorithmus

„Ziel ist, Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln und zu verstehen, was möglich ist und nützlich sein kann“, sagt Eric Bowman, Leiter der Programmierer bei Zalando. Die Software vergleiche hunderte von Datensätzen, um die genauen Vorlieben der Kunden zu erkennen. Eine Leistung, die einzelne Menschen nicht erfüllen könnten.

Zalando arbeitet in diesem Fall mit dem US-Internetkonzern Google zusammen. Auf der Modemesse „Bread & Butter“ in Berlin wurde es Anfang September vorgestellt. Mehr als 600 Fashion-Experten halfen, den Algorithmus hinter „Project Muze“ zu trainieren, darunter Modeblogger, Trendsetter, Einkäufer und Designer. Ergänzt wurden die Ergebnisse mit Daten aus Googles Mode-Trendreport und Zalandos eigener Trendforschung.

Zalando sieht sich inzwischen als Technologiekonzern

Maschinen mit künstlicher Intelligenz würden aus Datensätzen und nicht von Menschen lernen, sagt Roland Vollgraf. Der Wissenschaftler ist eines der Mitglieder des „Research Labs“ bei Zalando. 75 Datenspezialisten beschäftigen sich dort mit „Machine Learning“ und nutzen Mustererkennung sowie Algorithmen, um verschiedenste Produkte weiterzuentwickeln.

Warum beschäftigt sich Zalando mit künstlicher Intelligenz? Der Berliner Konzern ist zwar als Schuh- und Modehändler gestartet, versteht sich aber inzwischen als Technologiekonzern, der Dienstleister für die gesamte Modebranche sein will – mit eigener Software, Anwendungen, Informationen. Deshalb beschäftigt der Konzern inzwischen mehrere tausend Programmierer.

Künstliche Intelligenz kann auch in der Logistik helfen

Künstliche Intelligenz in der Modeindustrie anzuwenden, steht noch ganz am Anfang, hat aber für die Branche viel Potenzial. Einen Ausblick auf mögliche Tätigkeitsfelder bieten Programme wie Asap54. Die App gleicht Fotos von Schuhen und Kleidung mit dem Angebot von Onlineshops ab und sucht ähnliche Modelle heraus.

In einer Weiterentwicklung könnte ein solches Programm den Benutzern Styling-Tipps geben, sagt Reiner Kraft, ebenfalls Mitglied des Zalando „Research Labs“. Künstliche Intelligenz könnte in der Modeindustrie nicht nur als Service für die Verbraucher, sondern auch für die Logistik in den Lagerräumen genutzt werden, erklärt Vollgraf.

„Der ,Faktor Mensch‘ ist auch in der Zukunft unerlässlich“

Eine intelligente Maschine, die den kreativen Designer dauerhaft ersetzt? Eher nicht. „Project Muze“ solle Menschen unterstützen und helfen einen „Datenschatz“ zu verwalten, heißt es bei Zalando. Derzeit würden sie daran arbeiten, Maschinen beizubringen, was Mode und unterschiedliche Stilformen seien, sagt Vollgraf. „Nichtsdestotrotz, mit ihren Fähig- und Fertigkeiten prägen Stylisten und Marken die persönliche Beziehung zum Kunden und sind damit von entscheidender Bedeutung. Der ,Faktor Mensch‘ ist in der Mode auch in der Zukunft unerlässlich“.

Eine intelligente Maschine kann in Zukunft wahrscheinlich auch Emotionen erkennen. Eine Eigenschaft, die den Onlineverkauf von Kleidung verändern kann. So könnte im Internet eine Maschine die Rolle des beratenden Verkäufers übernehmen, glaubt Vollgraf.

Derzeit ist nicht geplant, die Mode auch zu verkaufen

Ob das „Project Muze“ weiterentwickelt wird und die entstandenen Kreationen in den Verkauf gehen sollen, ist ungewiss. Es sei ein Fashion-Experiment, sagt die Zalando-Sprecherin. Derzeit sei nicht geplant, die dabei entstehenden digitalen Designs zu produzieren und zu verkaufen.

Einstweilen können Experimentierfreudige auf projectmuze.com ausprobieren, was der Software zu „Pop-Art“, „Punk“ und „müde“ einfällt und sich überraschen lassen.