Berlin. Die Bundesnetzagentur entscheidet nach vierjähriger Pause über Zinsen für Stromnetze. Es geht um zwei Milliarden Euro für die Kunden.

Für Kleinsparer wie Großanleger ist es längst unangenehme Realität: Sie bekommen kaum noch Zinsen, wenn sie Geld auf die Bank tragen. Ganz anders ist das bei einem Strom- oder Gasnetz: Die Betreiber dieser Anlagen, meist Stadtwerke, aber auch die Energieriesen wie Eon, RWE oder Vattenfall erhalten nach wie vor satte Zinsen auf das ins Unternehmen gesteckte Geld.

Bis zu 9,05 Prozent kassieren sie auf das selbst eingesetzte Kapital pro Jahr, wenn sie in das Strom- und Gasnetz investieren und neue Trassen, Verteilerhäuschen und Rechenzentren bauen. Für Altanlagen gibt es 7,14 Prozent. Das Geschäft ist weitgehend risikolos: Die Netze sind Monopole, Konkurrenz muss man nicht fürchten. Gegen große Schäden gibt es Versicherungen.

Bezahlt wird die Rechnung von Strom- und Gaskunden, denn dort dürfen sich die Netzbetreiber das Geld wiederholen. Die Entgelte für das Stromnetz zum Beispiel machen rund ein Viertel des Haushaltspreises aus, insgesamt sind es für alle Kundengruppen zusammen 17 Milliarden Euro. Wenn der Zinssatz, den die Stromnetzbetreiber in Rechnung stellen dürfen, ein Stückchen höher oder niedriger ausfällt, geht es also gleich um Milliarden.

Schuld sind die billigen Zinsen

Wer legt ihn fest? Das ist die Bundesnetzagentur, die Aufsichtsbehörde für Netzmonopole mit Sitz in Bonn. Sie wird derzeit von Lobbyisten in die Zange genommen. Denn Ende September, wie alle vier Jahre, entscheidet die Aufsichtsbehörde neu über den Zinssatz und schlägt bislang vor, ihn immerhin um gut zwei Prozentpunkte abzusenken. Grund: Der allgemeine, als „risikolos“ bezeichnete Zinssatz liegt nahe null – was auch Sparer leidvoll erfahren.

Doch gegen die Senkung laufen die Netzbetreiber Sturm, die ihre hohen Renditen verteidigen wollen. Sie verlangen einen Prozentpunkt mehr an Rendite. Anders ausgedrückt: Sie wollen die Einschnitte halbieren. Ihre Argumente: Nur wenige Unternehmen erhielten tatsächlich die Höchstrendite. Vor allem aber sei die von der Bundesnetzagentur verwendete Methode gleich in mehrerlei Hinsicht falsch.

So werde zum Beispiel das Risiko der Netzbetreiber „systematisch unterschätzt“, heißt es in einem Bittbrief an den Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Ein Vergleich mit dem Ausland zeige zudem, dass die Zinsprämie systematisch zu niedrig ausfalle. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat sich dem Appell des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) angeschlossen.

Lobbyisten schließen sich zusammen

Auf der anderen Seite hat sich allerdings ebenfalls eine schlagkräftige Truppe zusammengefunden. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) kämpft für seine Mitglieder, die ohne eigenes Netz im Energiemarkt Geld verdienen müssen, zum Beispiel der Ökostromanbieter Lichtblick. Und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat die Interessen der kleinen Konsumenten im Blick. Die Verbände kontern die Monopolistenforderung scharf: Nur 5,04 Prozent Zins seien angemessen. Selbst die Berechnungen der Bundesnetzagentur halten sie für viel zu hoch.

Der zentrale Vorwurf: Der Zeitraum, aus dem sich der zugrunde gelegte Zinssatz berechnet, auf den dann noch eine Risikoprämie aufgeschlagen wird, ist viel zu früh gewählt, er reicht nämlich deutlich vor die Finanzkrise zurück, bis nach 2006. Es spreche aber nichts dagegen, den Zeitraum der Zinsberechnung weiter nach hinten zu legen, schließlich geht es um die Netzentgelte, die erst ab 2019 gelten.

Die Auswirkungen sind groß, in die eine wie in die andere Richtung. Um insgesamt 2,2 Milliarden Euro würden die Netzkosten und damit letztlich die Stromrechnungen der Verbraucher insgesamt sinken, wenn der Vorschlag von BNE und Verbraucherzentralen umgesetzt würde. Andersherum steht für die Unternehmen viel auf dem Spiel. Stadtwerke und die Energieriesen sind bereits gebeutelt, weil sie mit ihren Kraftwerken kaum noch Geld verdienen. Das Geschäft mit den Strom- und Gasnetzen ist die letzte sichere Bank.

Die Bundesnetzagentur steckt in einem Dilemma

Johannes Teyssen, Chef des größten deutschen Energiekonzerns Eon, veranschlagt allein die auf sein Unternehmen zukommenden Einbußen auf 100 bis 200 Millionen Euro pro Jahr. Bei der Nummer zwei, RWE, ist die Lage ähnlich.

Ein Sprecher sagte auf Anfrage, die zuständige Beschlusskammer werde zunächst die Stellungnahmen auswerten und dann zu einer ausgewogenen Festlegung kommen. Weisungsgebunden sei die Kammer nicht. Andererseits, so heißt es etwas vieldeutig weiter, arbeite man aber nicht in einem „politisch freien Raum“.

In Regierungskreisen ist jedenfalls zu hören, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), dem letztlich die Behörde unterstellt ist, doch noch etwas nachgeben wolle. Von 7,3 Prozent Verzinsung für Neuanlagen ist die Rede, das wäre versöhnlich für die Netzbetreiber und die Gewerkschaften. Und beim Verbraucher kommt die Rechnung erst später an.