Berlin. Der mit dem Netz verbundene Fernseher schwächelt. Die Hersteller sind daran nicht schuldlos. Jetzt haben sie neue Ideen entwickelt.

Mit viel Hoffnung starteten Fernsehgerätehersteller vor etwa sechs Jahren die Ära der internetfähigen Fernsehgeräte („Smart-TV“). Die Aussichten schienen verheißungsvoll: Per Knopfdruck auf der Fernbedienung nur die Bedienoberfläche des Fernsehers anwählen, um dann im Internet zu surfen oder die Lieblingsserien zu sehen. Doch der erhoffte Schub blieb aus. Der Anteil von internetfähigen Fernsehern am TV-Absatz wächst zaghaft. 2013 lag er bei 56 Prozent, 2014 bei 57 Prozent, 2015 bei 60 Prozent. Zum Vergleich: 2010 lag der Anteil bei nur fünf Prozent – das klingt nach Marktsättigung.

„Smart-TV ist noch kein durchschlagender Erfolg“, sagt Medienberater Michael Enzenauer. Die Hersteller und ihre lange Suche nach der richtigen Menüführung seien nicht unschuldig. „Es gab auch viel Mist in den frühen TV-App-Stores, und bei der Entwicklung spannenden Contents herrschte Unsicherheit.“ Marktführer Samsung steuert jetzt dagegen und verpasst seinen Fernsehern eine überholte Bedienoberfläche. Damit sollen Folgen einer TV-Serie aus dem Angebot eines Streamingdienstes dort fortgesetzt werden, wo man ausgestiegen ist – DVD-Nutzer wissen, das dieses „start-over“ nicht immer klappt. Streamingdienste wie Netflix oder Amazon unterstützen längst das Schauen mehrerer Folgen einer Fernsehserie am Stück.

Plötzlich tauchte unerwartete Konkurrenz auf

Dachten die TV-Gerätehersteller vor sechs Jahren noch, mit Smart-TV das Monopol aufs Internet im Wohnzimmer zu bekommen, tauchte mit den Streamingdiensten unerwartet Konkurrenz auf. Zwar lag Smart-TV im Jahr 2015 bei der Ausstattung der TV-Haushalte mit internetfähigen Videogeräten mit 20 Prozent noch vorn. Zusammengenommen bilden aber andere internetfähige Geräte die Mehrheit: Fast zehn Prozent der TV-Haushalte in Deutschland besaßen 2015 eine Spielekonsole, sechs Prozent einen Blu-Ray-Player, 3,5 Prozent eine Hybridbox, 3,3 Prozent eine Streamingbox und drei Prozent einen Streamingstick.

Letztere wachsen stark, seit Amazon sein Angebot von exklusiven Filmen und Serien verstärkt hat und das mit einem Streamingstick anzusteuernde Amazon Video aggressiv promotet. Offenbar mit Erfolg, wie die Ergebnisse einer Statista-Befragung zu den genutzten Video-onDemand (VoD)-Anbietern beim Serienkonsum in Deutschland 2016 zeigen: 60 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 49 Jahren, die Serien per VoD schauen, gaben an, über Amazon zu kommen. An zweiter Stelle lag mit 55 Prozent Netflix, Maxdome und Sky folgten auf jeweils 23 Prozent dahinter.

„Hier ist ein riesiges Wachstumsfeld“

Enzenauer glaubt, dass Amazon und Netflix vorne bleiben werden. „Apple mit Apple TV und Google mit Chromecast sehe ich nicht in einer starken Position, weil sie sich im Content nicht differenzieren können.“ Amazon dagegen sei Meister in der strategischen Planung von eCommerce und Entertainment. „Hier ist ein riesiges Wachstumsfeld, das Samsung und Co. nicht gleichartig organisieren können.“ Netflix und Amazon bremsen Smart-TV einfach aus: Sie nutzen vom Fernseher lediglich den Bildschirm; via App lassen sich von Stick, Box, Smartphone oder Tablet Filme und Serien spielend leicht abspielen – nicht zuletzt der Grund, warum die TV-Hersteller ihre Bedienoberflächen jetzt radikal vereinfachen wollen. Schon mit den vielen Programmen und wechselnden Empfangsstandards sind die meisten TV-Zuschauer überfordert.

„Die Komplexität nimmt für alle Beteiligten zu“, sagt Andre Prahl, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen TV-Plattform. „Nicht zuletzt durch die wachsende Bedeutung von Empfehlungsfunktionen.“ Auch hier haben Netflix und Amazon Standards gesetzt. Die Gerätehersteller haben noch ein Ass im Ärmel. Vernetzte Soundsysteme und verbesserte Lautsprecher sollen im Wohnzimmer echtes Kinogefühl verbreiten. Samsung stellt auf der IFA eine Soundbar mit einem Subwoofer und zwei frei platzierbaren Rücklautsprecher vor, die sich kabellos mit anderen Lautsprechern verbinden lassen.

Gutes Soundsystem wäre attraktiv

Neuigkeiten zeigen auch Bose und Panasonic. „Ein gutes Soundsystem für alle Geräte wäre sicher attraktiv“, sagt Enzenauer. Die Vernetzung mit dem Smart-TV sollte aber direkt und nicht via Bluetooth erfolgen. „Die Verzögerung ist sonst zu hoch, und macht das Zuschauen und versetzte Zuhören unerträglich.“ Der Markt der Smart-Entertainment-Systeme hat Potenzial. Experten rechnen mit einem Absatzsprung von derzeit rund 124 Millionen Euro auf rund 442 Millionen Euro im Jahr 2020.