Berlin. Die Gewerkschaften fordern von der Bahn mehr Lohn und weniger Überstunden. Mögliche Streiks könnten für Bahnchef Grube Folgen haben.

Auf die Spitze der Deutschen Bahn kommen aufregende Wochen zu. Ende September laufen die Tarifverträge zu Lohn und Arbeitszeit aus. Die Gewerkschaften geben sich kämpferisch. Und kommende Woche beschäftigt sich der Aufsichtsrat des Konzerns mit Stuttgart 21. Es geht um die Kosten des umstrittenen Bahnhofprojekts. Tarifrunde und Stuttgart 21 entscheiden mit, wie es mit Bahnchef Rüdiger Grube weitergeht. Über die Verlängerung seines Vertrags müsste spätestens zum Jahresende entschieden werden.

Streit um die Arbeitszeit möglich

In der Tarifrunde werden die Gewerkschaften EVG und GdL wieder getrennt verhandeln und eigene Tarifverträge anpeilen. Das kann knifflig werden, denn die Bahn pocht auf gleiche Abschlüsse in den zentralen Fragen. So soll verhindert werden, dass etwa Zugbegleiter im gleichen Zug unterschiedlich lange arbeiten oder unterschiedlich bezahlt werden. Vier Prozent mehr Lohn fordert die GdL. Die EVG befragt derzeit ihre Mitglieder zu den Forderungen.

Rüdiger Grube ist Anfang August 65 geworden – und steht vor der Frage, ob sein Vertrag verlängert wird.
Rüdiger Grube ist Anfang August 65 geworden – und steht vor der Frage, ob sein Vertrag verlängert wird. © dpa | Marcel Mettelsiefen

Während die Lohnrunde relativ konfliktfrei verlaufen dürfte, kann es bei der Arbeitszeit schnell zum Streit kommen. Vor allem die kleinere GdL will deutliche Verbesserungen durchsetzen. Sie verlangt zwei zusammenhängende Ruhetage und 14-tägig dienstfreie Wochenenden. Insgesamt schieben die Lokführer 6,2 Millionen Überstunden vor sich her. Dies sei Mehrarbeit aus früheren Jahren, wiegelt die Bahn ab und verweist auf die aktuelle Situation. 2015 hätten die Mitarbeiter durchschnittlich 15,7 Überstunden geleistet. Der Durchschnitt in Deutschland liege bei 47 Stunden Mehrarbeit.

Neue Kostenprognose für Stuttgart 21

Gibt es in den zentralen Fragen keine Einigung, drohen womöglich Streiks. Eine Vereinbarung zwischen der Lokführergewerkschaft GdL und der Bahn macht dies aber wenig wahrscheinlich. Danach wird ein Schlichter schon dann tätig, wenn nur eine Seite dies beantragt. Bislang mussten beide Parteien die Schlichtung wollen.

Ein anderes Thema beschäftigt den Bahn-Aufsichtsrat bereits nächste Woche. Es geht um die Kosten für Stuttgart 21, wieder einmal. Der Plan sah nach mehrmaliger Aufstockung insgesamt 6,5 Milliarden Euro für den unterirdischen Bahnhof vor. Ein neues Gutachten soll diese Prognose überprüfen. Vereinzelt war zuletzt von bis zu zehn Milliarden Euro Kosten die Rede.

Für Grube läuft die Bewährungsfrist

Streit ist bei einer Kostensteigerung sicher. Das Land Baden-Württemberg will nicht mehr Geld bereitstellen. Eine festgelegte Verteilung von Mehraufwendungen gibt es nicht. Eine Vertragsklausel bestimmt nur, dass die Beteiligten darüber sprechen müssen. Der bei der Bahn zuständige Technikvorstand Volker Kefer hat schon kapituliert. Er will seinen noch ein Jahr laufenden Vertrag nicht verlängern. So bleibt der mögliche Ärger mit Stuttgart 21 bei Bahnchef Grube hängen.

Für ihn könnten Bahnhof und Tarifrunde zur Hypothek werden. Denn spätestens zum Jahresende müsste der Aufsichtsrat seinen Vertrag verlängern. Derzeit läuft er bis 2017. Die Bedingungen hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schon genannt: Die Bahn darf nicht erneut ins Minus rutschen, die Züge müssen pünktlicher sein, und die Digitalisierung soll Internet per W-Lan für alle Reisenden bringen. Kommende Woche wird die Vertragsverlängerung wohl noch keine Rolle im Aufsichtsrat spielen, sagt ein Mitglied des Gremiums. Dieses Thema stehe vermutlich erst im Dezember an.