Philadelphia/Berlin. Der letzte große deutsche Solarkonzern Solarworld schreibt rote Zahlen und ist zu einer existenzbedrohenden Strafe verurteilt worden.

Frank Asbecks Unternehmen steht mit dem Rücken zur Wand. Der Chef des letzten großen deutschen Solarkonzerns Solarworld muss um das Überleben seines Unternehmens bangen. Seit 2010 schreibt der Konzern mit wenigen Ausnahmen Verluste. Auch dieses Jahr könnte es wieder rote Zahlen geben, musste der Vorstandschef am Freitag einräumen. Die Konkurrenz bei der Modulproduktion vor allem aus China ist enorm, der Preisverfall der Solarmodule entsprechend groß. Gerettet haben den „Sonnenkönig“, wie Asbeck immer wieder tituliert wird, bislang Handelsschranken für die chinesische Ware – und die Verlagerung des Geschäfts von Deutschland in die USA, wo es besser läuft als in Europa.

Doch ausgerechnet dort holt den Konzern die Vergangenheit ein. Anders als Asbeck muss Joe Rinaldi in geschäftlichen Dingen derzeit ausgesprochen wohl ums Herz sein. Der mächtige Gegenspieler von Solarworld-Chef Frank Asbeck hat eine Klage auf 720 Millionen Euro Schadenersatz gegen den Bonner Konzern in erster Instanz durchgebracht. US-Richter Thomas Ludington sah es als erwiesen an, dass die Deutschen 2005 abgeschlossene Verträge mit Rinaldis Unternehmen Hemlock Semiconductor, einem Siliziumhersteller, nicht eingehalten haben.

Asbeck will nicht zahlen

Eine derartige Strafzahlung könnte Solarworld in die Pleite treiben. Die flüssigen Mittel sind auf 148 Millionen Dollar geschrumpft. Schon 2013 waren ein riesiger Schuldenschnitt und das Nachschießen von Kapital nötig, um Solarworld zu retten. Ob das nochmals gelingt, stünde in den Sternen.

Zunächst einmal aber ist etwas Zeit. Das Geld wird Rinaldi vorläufig nicht bekommen. Denn Asbeck will nicht zahlen. Erst soll eine Berufungsverhandlung vor dem U. S. Intermediate Court of Appeals klären, ob das Urteil Bestand hat. Das kann nach Einschätzung von Experten ein Jahr dauern.

Wird Ludingtons Entscheidung dann bestätigt, setzt Asbeck eigenen Angaben nach auf europäisches Kartellrecht. Das heißt: Hemlock, der einstige Partner, dem Rinaldi über die Holding Dow Corning Corporation als Finanzvorstand auf die Finger sieht, müsse vor einem deutschen Gericht neu klagen, um das Urteil aus Amerika vollstrecken zu können. Das wird jedenfalls an Solarworlds Firmensitz in Bonn behauptet.

Mit einer Pleite wäre niemandem gedient

Von Asbeck wird angedeutet, dass es Gespräche über einen außergerichtlichen Vergleich gibt, bei dem laut Insidern Summen um die 300 Millionen Dollar gehandelt wird. Das ergäbe aus Sicht von Hemlock durchaus Sinn. Denn wenn Solarworld durch die Strafzahlung pleitegeht und man sich dann bestenfalls noch an der Insolvenzmasse bedienen kann, ist keinem gedient. Möglicherweise hat Asbeck sogar noch einen letzten Trumpf in der Hand: Hemlock wäre womöglich sofort geschmeidiger, wenn Asbeck gegenüber den US-Handelsbehörden seine Position zu chinesischen Billigimporten aufgeben würde. Asbecks Unternehmen drängte die Wettbewerbsbehörden bislang dazu, dass die Solarunternehmen Chinas mit hohen Handelsschranken für Dumping-Vergehen bestraft werden müssen. Siliziumherstellern dagegen ist es egal, ob Chinesen, Europäer oder Amerikaner daraus Solarzellen und schließlich Module produzieren.

Schwere Belastung für Solarkonzern

Was sagt Rinaldi zu der angekündigten Verschleppungstaktik von Solarworld? Am Telefon hört sich der US-Manager (Lebensprinzip: Behandele andere so wie du selbst behandelt werden willst) die Fragen dieser Zeitung geduldig an, lehnt aber „wegen des laufenden Verfahrens“ jeden Kommentar ab.

Der kommt später vom Unternehmenssprecher. Inhalt: Ab 10. August kann Hemlock „damit beginnen, den Urteilsspruch durchzusetzen“. Solarworld habe bis zum 25. August Gelegenheit, um Einspruch einzulegen, sei aber in dieser Zeit nicht vom Zahlungszwang geschützt. Heißt das, Hemlock will den Titel kurzfristig vollstrecken lassen? Etwa durch Schritte gegen die Solarword-Fabrik im US-Bundesstaat Oregon? Darauf heißt es: Kein Kommentar.

Klar ist allerdings, dass das Damo­klesschwert in Rinaldis Händen zu einer schweren Belastung für den ohnehin angeschlagenen deutschen Solarkonzern geworden ist. Aktionäre, Gläubiger, ja auch die Mitarbeiter werden sich schwertun damit, fest an Solarworlds Zukunft zu glauben – das macht den Kampf ums Überleben nicht leichter.