Berlin/Washington. Bayer will mit der Übernahme von Monsanto zum Weltmarktführer für Saatgut und Pestizide werden. Anleger halten wenig von dem Vorhaben.

Angekündigt hat der Pharma- und Chemiekonzern es ja schon vor knapp zwei Wochen: Da sagte der scheidende Bayer-Chef Marijn Dekkers Ende April auf der Hauptversammlung, der Konzern aus Leverkusen halte Ausschau nach Zukäufen. Und sein Nachfolger Werner Baumann widersprach nicht. Dass es dann so groß kommen könnte, überrascht einige. Bayer hat ein Übernahmeangebot für den US-Konzern Monsanto abgegeben – Weltmarktführer bei genverändertem Saatgut und Erfinder des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Über die Höhe des Angebots wurde nichts bekannt. Monsanto war an der Börse zuletzt umgerechnet 38,4 Milliarden Euro wert, Bayer rund 80 Milliarden Euro – nach dem Kurssturz von bis zu zehn Prozent. Denn die Anleger hielten wenig von den Plänen aus Leverkusen. Allerdings nicht wegen des schlechten Bildes, das Monsanto in der Öffentlichkeit abgibt. Die Börse ist da eher emotionslos. Viel wichtiger ist der Kaufpreis.

Experten schätzen Preis von bis zu 65 Milliarden Euro

Die Citigroup etwa kalkuliert einschließlich Schulden mit 57 bis 65 Milliarden Euro, ein Aufschlag von bis zu 25 Prozent auf den Kurs halten auch andere Marktbeobachter für möglich. Und solche Zahlen werten viele Anleger als deutlich zu teuer. Zudem müsste Bayer hohe Schulden aufnehmen oder eine Kapitalerhöhung stemmen. Der Komplettverkauf des Chemiegeschäfts Covestro und der Tiergesundheit wird wohl nicht ausreichen.

Bayer hat sich zuletzt neu aufgestellt, konzentriert sich auf frei verkäufliche Medikamente, forschungsintensive verschreibungspflichtige Arzneimittel und Agrarchemie: Mittel gegen Pilze und Viren, Dünger, krankheitsresistentere Nutzpflanzen. Das Kalkül: Die Weltbevölkerung wächst, es sind mehr Nahrungsmittel nötig, die landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist allerdings beschränkt. Produkte, die die Erträge erhöhen oder Ernteverluste verringern, werden gefragt sein. Das ist auch das Geschäftsmodell von Monsanto.

Beide Konzerne ergänzen sich

Die beiden Konzerne passen gut zusammen: Der US-Konzern ist Weltmarktführer bei Saatgut, Bayer ist bei Pestiziden führend. Monsanto deckt Amerika ab, die Leverkusener sind in Asien und Europa stark. Bayer würde zur Nummer eins bei Saatgut und verdrängte beim Pflanzenschutz die Schweizer Syngenta vom Spitzenplatz. Bayer und Monsanto bestätigten erste Gespräche, allerdings nannten die Amerikaner das Angebot unerbeten.

Für Monsanto ist die Situation ungewohnt. Die Amerikaner traten bisher immer als Käufer auf. Zuletzt hatten sie versucht, Syngenta zu übernehmen, mussten sich aber chinesischen Konkurrenten geschlagen geben. Seither gilt Monsanto als Übernahmekandidat.

Monsanto hat das umstrittene Glyphosat erfunden

Das Unternehmen mit Sitz im Speckgürtel von St. Louis im Bundesstaat Missouri gehört zu den 500 größten an der Börse notierten US-Konzernen. Und es ist seit vielen Jahren auch bevorzugte Zielscheibe von Umweltschützern. Der irische Einwanderersohn John Francis Queen gründete Monsanto 1901 als Chemiefabrik. Inzwischen ist der Konzern in fast 70 Ländern aktiv, vor allem mit gentechnisch verändertem Saatgut und aggressiven Unkrautvernichtern. Der Wirkstoff Glyphosat stammt aus den Monsanto-Laboren.

Seit Forscher der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgefunden haben, dass Glyphosat Krebs erregen kann, steht Monsanto stark unter Druck. Das Unternehmen setzt jährlich rund neun Milliarden Dollar mit dem Stoff um, von dem allein auf deutschen Äckern im Jahr mehr als 5000 Tonnen ausgebracht werden.

Umweltaktivisten sehen in Monsanto den Inbegriff des Bösen

Für Greenpeace und andere Nichtregierungsorganisationen ist der wahlweise „Monsatan“ oder „Mutanto“ titulierte Konzern der Inbegriff dessen, „was in unserer Welt mit von Unternehmen kontrollierten Regierungen falsch läuft“, wie es der Rockmusiker Neil Young auf seiner Platte „The Monsanto Years“ formulierte. In den USA stammen 90 Prozent aller Sojabohnen und 80 Prozent aller Maiskolben letztlich aus den Laboren von Monsanto. Die Firma ist für die Organisation Food & Water Watch das „Synonym für die Macht der Großkonzerne über unsere Lebensmittel“ geworden. Wer in den USA an „GM“ denkt, an „genetically modified“ (gentechnisch verändert), der denkt an Monsanto.

Dabei hatte der Konzern noch vor nicht allzu langer Zeit nichts mit Ackerbau zu tun. Der Süßstoff Saccharin, hergestellt für Coca-Cola, gehörte zu den ersten Produkten, die Monsanto auf den Markt brachte. Später verließen auch das inzwischen verbotene Insektenvernichtungsmittel DDT sowie das Entlaubungsmittel „Agent Orange“, das die US-Streitkräfte im Vietnamkrieg einsetzten, die Fabriktore.

Viele Amerikaner misstrauen dem Konzern inzwischen

Aus dieser Zeit rührt das latente Misstrauen, das auch in den USA Monsanto trotz aller Marktmacht entgegengebracht wird. Obwohl gentechnisch manipulierte Lebensmittel zum Alltag gehören, ist vielen Amerikanern das Geschäftsprinzip Monsantos nicht geheuer: Der Konzern lässt sich Eingriffe in das Erbgut seiner auf Widerstandsfähigkeit getrimmten Pflanzen für die Landwirtschaft patentieren und erhebt dafür später hohe Lizenzgebühren.

Bauern weltweit klagen über die Marktmacht von Monsanto. Auch in den USA regt sich Kritik. 30 Bundesstaaten sind inzwischen dabei, eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch manipulierte Produkte zu verabschieden.