Berlin. Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich weckt die Sammellust bei Jung und Alt – und beschert Panini damit satte Millionenumsätze.

500 Euro kostet eine Waschmaschine, ein Flachbildfernseher, eine günstige Urlaubsreise. Oder ein Album voller Fußballhelden im Aufkleberformat. Davon gehen zumindest versierte Mathematiker aus. Rund 500 Euro müssen Sammler danach wenigstens ausgeben, wenn sie alle 680 Felder im neuen Panini-Album zur Fußball-EM 2016 mit Stickern füllen wollen – vorausgesetzt, es klappt mit Tausch und Kauf der fehlenden Bilder.

Das Geschäft mit den Klebebildern ist viel Geld wert. Die italienische Firma Panini ist Marktführer, Deutschland eines der umsatzstärksten Länder. Über Zahlen schweigt die deutsche Panini-Sektion; die Unternehmensgruppe aus Modena hat 2014 mehr als 750 Millionen Euro umgesetzt. Seit der Firmengründung 1961 sollen Sticker im dreistelligen Milliardenbereich produziert worden sein.

Päckchen kosten 70 Cent

Nicht nur Kinder und Jugendliche geben ihr Taschengeld für die Kleberei aus. „Beim Sammeln, Tauschen und Einkleben spielen Alter, Herkunft und Beruf keine Rolle“, sagt Hermann Paul, Geschäftsführer des Panini Verlags mit Sitz in Stuttgart. „Alle Sammler sprechen die gleiche Sprache.“ Was sie verbindet, ist die Leidenschaft für ein Thema. Nicht nur für EM, WM oder Olympia. Zum Start des neuen Star-Wars-Films gab es passende Sammelkarten mit Darth Vader, Han Solo und Roboter R2-D2. Millionen Fans weltweit investieren in Sticker von Elsa, der Eiskönigin, in Aufkleber von Feen im Zauberwald und Tieren im Dschungel. Der Einstieg fällt leicht. Schließlich kosten die Päckchen mit den Stickern nur rund 70 Cent. Teuer wird es erst, wenn das Album komplett voll werden soll und die richtigen Karten auf sich warten lassen.

„Sammeln erzeugt soziale Nähe und Emotionen und verbindet“, sagt Melanie Bobik, Marketingexpertin an der Privathochschule ESMT Berlin. „Die Sammler teilen eine gemeinsame Leidenschaft, sie tauschen sich aus und geben sich gegenseitig Tipps.“ Hinzu kommt der Wettbewerb: Wer hat sein Album zuerst komplett? Wo und mit wem lassen sich Duplikate am besten tauschen? „Das Stickeralbum ist wie ein Fotoalbum, das Erinnerungen wach werden lässt“, sagt Bobik.

Verlag glaubt an gedruckte Alben

Es gibt auch Apps und Onlineangebote, doch Panini-Redaktionsleiter Fabrizio Melegari glaubt fest an die Zukunft des gedruckten Albums. Er schwärmt von „Charakteristika des physischen Produktes, die das Digitale nicht erreichen kann: Die Freude, einen Spieler zu haben, ihn sofort in der Hand zu halten. Wenn man eine Tüte mit Sammelbildern öffnet, hört man das Geräusch des Papiers, man riecht die frisch gedruckten Sticker.“ Panini führt vor, was Zeitungsverleger predigen: Print lebt!

Um die Fans bei Sammellaune zu halten, wurde der Vertrieb perfektioniert. Längst gibt es die Bilderpäckchen nicht nur am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel, an der Tankstelle, in der Bäckerei oder im Spielwarenladen. Der Verkauf der Aufkleber wird durch spezielle Verträge beispielsweise mit Supermärkten angekurbelt.

70.000 Verkaufsstellen in ganz Deutschland

Bei Rewe bekamen Kinder Stickerpäckchen mit Disney-Bildchen an der Kasse zugesteckt, bei Kaufland wurde 2014 für das Olympia-Team in Sotschi geworben. Heute sind EM-Bilder beim Lebensmitteldiscounter Lidl zu haben. McDonald’s gibt Sticker mit den Fast-Food-Menüs aus und auch Coca-Cola bietet Panini-Aufkleber an. Diese sogenannten „limited editions“, die nur über den Kauf bestimmter Produkte zu haben sind, sollen das Sammelfieber anheizen. Rund 70.000 Verkaufsstellen in ganz Deutschland werden derzeit mit den EM-Stickern beliefert.

Am 10. Juni bestreiten Gastgeber Frankreich und Rumänien das Eröffnungsspiel der Fußball-EM 2016. Mindestens bis dahin laufen die Panini-Eintütmaschinen in Modena auf Hochtouren. Bis zu acht Millionen Päckchen täglich werden produziert und in mehr als 100 Länder verschickt. Angeblich sollen niemals zwei gleiche Aufkleber in einer Tüte landen. Doch welcher echte Fan nimmt nur eine Tüte, wenn schon in der nächsten der Superstar liegen könnte, der noch fehlt.