Berlin. Eine Studie legt erstmals offen, wer tatsächlich von den milliardenschweren Hilfspaketen für Griechenland profitierte – und wer nicht.

Vielleicht ist ja doch etwas falsch gelaufen bei der Rettung Griechenlands vor der Staatspleite. Im fünften Jahr schon hangeln sich die Hellenen knapp an der Staatspleite entlang, der Schuldenberg wird nicht wirklich kleiner – und das alles, obwohl Milliarden an Euro zur Rettung aufgeboten wurden. Was also lief da falsch?

Diese Frage stellte sich auch Jörg Rocholl, Präsident der privaten Hochschule ESMT in Berlin und Mitglied im Beraterkreis des Bundesfinanzministeriums. Rocholl trug also Daten über die ersten beiden Hilfspakete für die Griechen zusammen und schaute, woher das Geld kam und wofür es verwendet wurde. Insgesamt 216 Milliarden Euro waren von 2010 bis 2015 nach Athen geflossen, um die Pleite abzuwenden.

Das Ergebnis der Untersuchung: Der geringste Teil der Hilfs-Milliarden, nämlich nur fünf Prozent, floss in den Staatshaushalt und kam direkt den Griechen zugute. Der Rest ging für die Rückzahlung von Schulden und Zinsen drauf und für die Rekapitalisierung griechischer Banken. Rocholls Fazit: „Die europäischen Steuerzahler haben die privaten Investoren herausgekauft.“ Die Schulden des griechischen Staats, die anfangs zu einem großen Teil bei privaten Banken und privaten Investoren lagen, seien im Laufe der Rettung immer weiter zu öffentlichen Gläubigern verlagert worden. Es geht um mehr als 175 Milliarden Euro, für die nun der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und der von den Euro-Staaten finanzierte Rettungsfonds ESM das Risiko tragen.

Investoren kassierten hohe Rendite ohne Risiko

Anders formuliert: Inzwischen haftet der Steuerzahler dafür, dass private Banken und Investoren hohe Renditen eingefahren haben und dabei faktisch kein Risiko eingegangen sind. „Wer in Staatsanleihen investiert und eine hohe Rendite kassiert, muss auch das Risiko in Kauf nehmen. Dieses rationale Prinzip wurde durchbrochen“, so Rocholl.

Wie aber konnte das geschehen? Der Wissenschaftler hat zwei Erklärungen. Erstens: Private Investoren konnten sorglos in griechische Staatsanleihen investieren, obwohl das Land schon 2010 absurd hohe Schulden hatte. Es gab keine Regeln, die den Investments Grenzen setzten. „An einen privaten Schuldner dürfen Banken maximal 25 Prozent ihres Eigenkapitals verleihen“, so Rocholl. „Staatsanleihen dürfen sie unbegrenzt kaufen.“ Das gelte noch immer.

Schuldenschnitt wäre nicht so teuer gewesen

Die zweite Erklärung dafür, dass die Griechen-Krise so lange dauert und das Risiko nun beim Steuerzahler liegt: Zu Beginn hielten vor allem deutsche und französische Banken viele griechische Staatsanleihen. Hätte es schnell einen Schuldenschnitt gegeben, hätten diese Banken gestützt werden müssen. Das sollte eineinhalb Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman-Brothers vermieden werden. Außerdem sei es auf diese Weise einfach gewesen, die Verantwortung allein bei Griechenland zu suchen, meint Rocholl. An einer Debatte über sorglose Finanzierung immer höherer Staatsschulden habe niemand ein Interesse gehabt. Wären Athen aber schon 2010 Schulden erlassen worden und hätten die Gläubiger früh Verluste hinnehmen müssen, dann hätte Athen mit insgesamt weniger Hilfskrediten versorgt werden müssen, glaubt der Ökonom. Die Rettung wäre nicht so teuer geworden. Im Übrigen hätten sich die Geldbeger zu lange darauf konzentriert, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, anstatt Athen früh zu Strukturreformen zu zwingen.

Genau daran hakt es aber noch immer. Am Sonntag soll das Parlament in Athen ein neues Sparpaket mit harten Rentenkürzungen beschließen. So sollen endlich neue Milliardenhilfen der Gläubiger fließen. Die griechischen Gewerkschaften haben für die nächsten Tage bereits massive Streiks angekündigt.