Wolfsburg. 20.000 Mitarbeiter kamen zur Betriebsversammlung des kriselnden Volkswagen-Konzerns. Die Unsicherheit konnte ihnen niemand nehmen.

VW-Stammwerk, Dienstagmorgen, 9.30 Uhr. Es ist Betriebsversammlung, zum dritten Mal seit dem Ausbruch der Abgas-Affäre. Gut 20.000 Mitarbeiter warten auf die jüngsten Signale von der Konzernspitze. VW muss seit dem Diesel-Skandal um neues Vertrauen werben, die Angst vor den US-Strafen ist greifbar.

Und die Lage ist nicht gerade gut. In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass der Vorstand um den damaligen Chef Martin Winterkorn früher, als bisher bekannt, vom Abgas-Skandal wusste und zu wenig tat. Noch am Dienstag sickerte durch, dass die Allianz sich über ihren Vermögensverwalter AGI an einer Sammelklage gegen VW beteiligen wird. Wie andere Kläger will AGI geltend machen, dass VW zu spät über die Manipulationen bei Dieselfahrzeugen informiert und damit gegen die Ad-hoc-Pflichten der Börse verstoßen hat.

Hohe Milliardenstrafen drohen

20.000 Mitarbeiter also warten in Halle 11 auf dem Wolfsburger Werksgelände. Auf Vorstandschef Matthias Müller, Betriebsratschef Bernd Osterloh und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), die alle reden wollen. Niedersachsen ist Großaktionär bei VW.

VW-Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung im Volkswagen-Werk in Wolfsburg.
VW-Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung im Volkswagen-Werk in Wolfsburg. © dpa | Julian Stratenschulte

Osterloh kommt schnell zum Kern: Die Strafzahlungen in den USA seien die größte Unbekannte für die Zukunft des 620.000 Mitarbeiter starken Konzerns. Im Debakel um weltweit elf Millionen manipulierte Autos haben die USA VW verklagt, es drohen hohe Milliardenstrafen. Dass ein Gericht dies ausschöpft, ist eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. VW hatte sich zuletzt eher ungeschickt verhalten, die US-Behörden sind verärgert. „Sollte die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen durch eine Strafzahlung in bislang einmaliger Höhe nachhaltig gefährdet werden, wird dieses auch dramatische soziale Folgen haben“, warnt Osterloh, „auch in Europa“.

Balsam für die Belegschaft

Müller ist dran. Zuerst verteilt er Balsam für die Belegschaft. Doch dann: Die finanziellen Folgen seien noch lange nicht absehbar. Obwohl feststehe, dass sie „substanziell und schmerzhaft“ würden. „Wir werden Geduld, Beharrungsvermögen und auch eine gewisse Frustrationstoleranz aufbringen müssen.“

Vom Bandarbeiter im VW-Kittel über den Ingenieur mit Jeans und Oberhemd bis hin zum Anzugträger aus dem Management verfolgen alle die Berichte über VW. Diesen Punkt heben alle Redner hervor. „Manche Einseitigkeit, manche Zuspitzung, haben Sie nicht verdient“, sagt Müller und stellt klar: „Falls Sie in den letzten Tagen gelesen, gesehen oder gehört haben, dass bei uns angeblich etwas verschleiert, vertuscht oder verschleppt worden ist, kann ich mit bestem Wissen und Gewissen sagen: Nein, das ist nicht der Fall.“ Auch VW-Aufsichtsrat Weil wettert: Die Kontrolleure seien sich ihrer enormen Verantwortung bewusst. „Und da muss sich auch niemand von irgendwelchen Pressespekulationen kirre machen lassen“, wettert Weil. Er erntet Applaus, aber nur verhaltenen – wie jedes Mal, wenn die Belegschaft an diesem Morgen klatscht. Die Sorge ist bei vielen zu groß.