Berlin. Meret Becker ist Schauspielerin und ein Freigeist. Der „Tatort“ ist ihr erster fester Job. Ein Gespräch über Kindheit und ihre Familie.
„Meret ist sowieso schöner. Dieses ,Frau Becker‘ kann ich überhaupt nicht leiden“, stellt Meret Becker (48) klar, während sie ihr Croissant mit Butter und Marmelade bestreicht. Es ist kurz nach zehn in einem Café in Berlin-Kreuzberg, und die beiden Sätze verraten schon ziemlich viel über die „Tatort“-Schauspielerin. Ihre Mutter ist die Schauspielerin Monika Hansen. Als Meret vier Jahre alt war, zog sie mit ihr und dem älteren Sohn Ben von Bremen nach Berlin, weil sie mit dem Schauspieler Otto Sander zusammengekommen war.
Der leibliche Vater ist der Schauspieler Rolf Becker. „Zu dem hatte ich als Kind aber nicht so viel Kontakt.“ Während ihrer Schulzeit – „die nicht ganz unproblematisch war“ – übernahm Otto Sander bei Elternabenden den Vater-Part. Doch Ende der 70er-Jahre war Patchwork noch nicht sehr verbreitet, und einmal stutzte ein Lehrer, als er dem Volksschauspieler Otto Sander gegenübersaß. „Das Kind heißt Becker, die Mutter Hansen und Sie heißen Sander. Wer sind Sie? Darf ich denn eigentlich mit Ihnen reden?“, habe der Lehrer damals gefragt.
Becker über Sander: „Er hat mir ganz viel mitgegeben“
Sander sei darüber sehr aufgebracht gewesen, ja, „innerlich hätte er dem Lehrer sogar gern eine gescheuert“. Wenn Meret Becker heute von ihrem Vater spricht, meint sie immer Otto Sander, der vor knapp vier Jahren starb. Einmal in der Woche versucht sie, an seinem Grab zu stehen. „Er hat mir ganz viel mitgegeben. Mir gehen viele seiner Sätze durch den Kopf. Wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten soll, was er da sagen würde. Mein Vater hat Menschen geliebt. Er war für sie – nie gegen sie. Es war klar, dass man mal über jemanden lachen kann, aber er hat sich nie wirklich über jemanden lustig gemacht.
Er hat alle Menschen auf Augenhöhe betrachtet. Das fand ich schön.“ Es sind diese kleinen Extravaganzen, die Meret Becker aus der deutschen Schauspiellandschaft herausheben: Sie wirkt manchmal wie aus der Zeit gefallen. Hat etwas Freches, Kulleräugiges, Mädchenhaftes, das man sich in einem der verrückten Berliner Salons der 1920er-Jahre vorstellen kann. Wenn sie spielt, bleibt sie immer irgendwie Meret Becker. Einer Rolle scheint sie sich nur hinzugeben, wenn es passt.
Verbote spornen Meret Becker erst an
Seit zwei Jahren ist sie nun die unangepasste Berliner „Tatort“-Kommissarin Nina Rubin. „Der erste Job, wo ich fest bin. Ich hatte immer Schwierigkeiten, wenn man versuchte, mich festzunageln. Wenn Leute meinen, ich würde ihnen gehören, dann bin ich eigentlich aus der Tür schon wieder raus.“ An Theatern habe sie immer nur Gastrollen übernommen. Und beim Film hieß es sowieso jedes Mal wieder: Alles auf Anfang.
„Amour fou“ im Berliner „Tatort“
Aber jetzt dreht sie zwei „Tatort“-Produktionen pro Jahr, das ist neu. Und doch behält sie sich Freiheit und auch Frechheit. „Wenn man mir sagt: ,Das darf man nicht‘, ist eigentlich bei mir der Punkt, wo ich sage: ,Och, probieren wir es doch mal aus.‘“
Becker will Begegnungsort für Künstler schaffen
Wie kann sie die Freiheitsliebe mit ihrer Rolle als Mutter einer Tochter vereinbaren? „Ja, das finde ich auch anstrengend“, gibt sie zu. In ihrer mittlerweile fast erwachsenen Tochter Lulu erkenne sie sich wieder, aber sie sei auch anders. In der Schule habe Lulu als Elfjährige Probleme gehabt. Sie habe nicht so funktioniert, wie die Lehrer das wollten. „Man hat sich an den Lehrplan zu halten und wenn ein Kind anders tickt, fällt es aus dem Rahmen. Es wird dann so getan, als wäre das Kind falsch. Das Kind ist aber nicht falsch, denn jeder Mensch ist individuell. Und damit wird nicht umgegangen.“ Mittlerweile geht Lulu auf eine Schule in London.
Ihre Pläne? Erst mal steht die Musik wieder oben an. Demnächst geht sie auf Tournee. Dann zeigt sie auf ein leer stehenden Haus. Sie würde es gern zu einem Begegnungsort für Künstler machen, Festivals organisieren. „Ich kann wahnsinnig gut Programme zusammenstellen“, sagt sie. Die Lust auf Neues – sie bleibt trotz festem Job.