Essen. . Kalter Krieg: Ein Ost-Berliner soll als Romeo-Agent im Westen Frauen verführen. Regisseur Oliver Hirschbiegel über seine neue TV-Serie.

1974 in Berlin. Der Ost-Berliner Lars Weber (Tom Schilling) wird von der Stasi zum sogenannten Romeo-Agenten ausgebildet. Er wird in den Westen geschickt und auf Lauren Faber (Sofia Helin, schwedische Hauptdarstellerin aus „Die Brücke“) angesetzt, die dort für den britischen Geheimdienst arbeitet. Zunächst widersetzt sie sich seinen Avancen, aber dann kann der skrupellose Verführer zeigen, wie sorgfältig seine Ausbildung war.

Am Montag startet das dreiteilige Ost-West-Drama mit Ben Becker, Friederike Becht und Claudia Michelsen. Die weiteren Teile laufen Mittwoch und Donnerstag. Regie führte Starregisseur Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“, „Borgia“). Volker Behrens sprach mit dem 59-jährigen Hamburger über die 70er-Jahre und das gefühlte Comeback des Kalten Krieges.

„Der gleiche Himmel“ ist nach „Borgia“ schon Ihre zweite TV-Serie in jüngster Zeit. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Oliver Hirschbiegel: Die erste Folge ist jedenfalls immer die schwierigste. Sie ist entweder so stark, dass die nächsten abfallen, oder es werden so viele Schlüsselfiguren und -informationen eingeführt, dass es fast schon ein Überangebot ist.

Szene aus „Der gleiche Himmel“: Romeo-Agent Lars Weber (Tom Schilling) spricht Lauren Faber (Sofia Helin) in einem Café an.
Szene aus „Der gleiche Himmel“: Romeo-Agent Lars Weber (Tom Schilling) spricht Lauren Faber (Sofia Helin) in einem Café an. © ZDF und Bernd Schuller | ZDF und Bernd Schuller

Ist das Romeo-Prinzip nicht eine besonders niederträchtige Form des menschlichen Umgangs miteinander?

Hirschbiegel: Das Konzept, Verführer für Spionagezwecke einzusetzen, gibt es schon lange. Die Stasi war der perfektionierteste Spionageapparat, den es je gab. Was sie entwickelt haben, ist heute immer noch Maßstab für alle westlichen Geheimdienste. Wenn CIA oder Mossad ein Problem haben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich fragen: Was würde die Stasi jetzt machen?

Sie hatte eine unglaubliche Effizienz. Das Romeo-Prinzip ist natürlich schamlos, abstoßend und schmutzig. Das bezieht sich aber auch auf die Psyche derjenigen, die das tun. Kein Mensch ist wie ein Roboter, niemand ist emotionsfrei. Der Protagonist gerät später in einen großen seelischen Konflikt.

Was ist denn Ihre Erinnerung an die 70er-Jahre?

Hirschbiegel: Es war damals eine bleierne Zeit, so heißt ja auch der Film von Margarethe von Trotta. Man hatte das Gefühl, dass alle Versuche, Fortschritt zu erkämpfen, vor Betonwänden stehen geblieben waren. Das war im Westen nicht anders als im Osten. Im Westen gab es mehr Popmusik, Farbe, und Konsum war das Ding, an das alle geglaubt haben. Trotzdem hatte ich das Gefühl einer kompletten Verstopfung. Ich habe versucht, das subtil in meinen Film einzubauen.

Ich habe mich damals nicht sehr wohl gefühlt. Das änderte sich erst Ende der 70er-Jahre mit dem Aufkommen des Punk und dem Aufbrechen überkommener Konzepte. David Bowie war da sehr wichtig, weil er plötzlich damit begann, sich überall gnadenlos zu bedienen. Er hat das fortgesetzt, was Andy Warhol begonnen hatte. Er war eine der ganz wenigen Ikonen für mich, bei denen ich dachte: Da ist Luft, da will ich hin, so ist die wirkliche Welt. Aber 1974 war alles festgefahren und noch die Hochzeit des Kalten Krieges.

Ben Becker spielt in „Der gleiche Himmel“ Ralf Müller..
Ben Becker spielt in „Der gleiche Himmel“ Ralf Müller.. © ZDF und Bernd Schuller | ZDF und Bernd Schuller

Hätten Sie gedacht, dass einmal die Gefahr bestehen könnte, dass der Kalte Krieg ein Comeback feiert, wie heute manche Beobachter meinen?

Hirschbiegel: Wir fallen zurück auf eine standardisierte Wahrnehmung – wie damals. Früher sagte man, Chinesen seien unheimlich und gefährlich. Heute meint man, sie seien immer noch unheimlich, aber nicht mehr ganz so gefährlich. Russen sind angeblich immer unheimlich und gefährlich gewesen. Das ist natürlich alles totaler Schwachsinn. Aber es ist interessant, wie sich diese Denkmuster festsetzen.

Sie haben vor den Dreharbeiten eine Liste mit Dingen gemacht, die es seitdem nicht oder kaum noch gibt. Was stand da so drauf?

Hirschbiegel: Kaugummi-Automaten, Zigaretten-Automaten, Telefonzellen. Jeans war als Begriff im Westen und im Osten unheimlich wichtig. Die Ausstatter haben mir aus dem Wort einen großen Schriftzug gemacht, das ich als Superzeichen brauchte.

Hat sich mit dem zeitlichen Abstand der Blick auf die Ereignisse von damals geändert?

Hirschbiegel: Ich habe mich hier ja nicht zum ersten Mal mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Es ist eine große Wunde und braucht eine bestimmte Zeit, bis sie heilt. Man braucht einen klaren Blick auf die Ereignisse, auch größere Milde, aber ohne, dass der Scharfsinn darunter leidet. Bei „Der Untergang“ war das ähnlich.

Kann Unterhaltungsfernsehen bei diesem Heilungsprozess denn eine Funktion haben?

Hirschbiegel: Es ist nicht nur Unterhaltung, sondern auch ein universales Familiendrama. Das ist immer die beste Form des Geschichtenerzählens, ernsthaft und effizient. Unterhaltung klingt mir da fast zu abfällig. Dies ist viel mehr als nur Unterhaltung..

Montag, 27. März, 20.15 Uhr, ZDF